UNO-Sicherheitsrat lehnt Syrienhilfe ab13:2 und trotzdem verloren
Russland und China verhindern humanitäre Lieferungen in Syrien. Menschenrechtsorganisationen warnen deswegen vor einer Katastrophe.

Schon die Menschlichkeit gebietet es, dass auch gerade angesichts der Corona-Krise alles getan wird, um den Not leidenden Menschen in Syrien die nötige humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Die Vereinten Nationen sagen, dass dafür Lieferungen über mindestens drei Grenzübergänge in das Bürgerkriegsland erforderlich sind. Deutschland und Belgien haben eine entsprechende Resolution im UNO-Sicherheitsrat eingebracht, die für ein Jahr lang sichergestellt hätte, dass 2,8 Millionen Zivilisten von der UNO das Nötigste zum Leben erhalten können.
Russland hat diese Resolution, für die dreizehn Sicherheitsratsmitglieder votierten, mit seinem Veto blockiert. China hat sich dem Versuch angeschlossen, humanitäre Hilfe als politisches Druckmittel zu nutzen. Seit einem Jahr versucht Russland, die UNO und grenzüberschreitende Hilfe aus dem Norden Syriens zu verbannen, um Präsident Bashar al-Assad endgültig zum Sieg im Bürgerkrieg zu verhelfen. Nach Ansicht Moskaus soll Damaskus die Menschen versorgen – allerdings blockiert das Regime systematisch Hilfe für alle Gebiete, die es nicht kontrolliert.
«Leben hängen davon ab»
Die Hilfe der Vereinten Nationen sei «lebenswichtig für das Wohlergehen der Zivilbevölkerung» , sagte der Sprecher von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, Stephane Dujarric. «Leben hängen davon ab.» Etwa eine Million Menschen, die sich in der letzten noch von islamistischen Rebellen kontrollierten Provinz Idlib befinden, sind Binnenvertriebene, die vor einer von Russland unterstützten Offensive des syrischen Regimes von Präsident Bashar al-Assad zu Beginn des Jahres fliehen mussten.
Russland hatte bereits im Januar mit einem Veto verhindert, dass die seit 2014 bestehende Regelung verlängert wurde, nach der die UNO ohne Einverständnis des syrischen Regimes über vier Grenzübergänge aus der Türkei, dem Irak und Jordanien Hilfsgüter in das Bürgerkriegsland bringen konnte. In letzter Minute kam damals die geltende Regelung zustande, wonach nur noch die beiden Übergänge Bab al-Salam und Bab al-Hawa von der Türkei aus genutzt werden können – und das auch nur für sechs Monate statt wie zuvor zwölf.
Russland sieht «Instrumentalisierung» der humanitären Hilfe
Seither hat sich die Versorgungssituation in einigen Regionen deutlich verschlechtert. Die Schliessung des Übergangs in den Irak hat laut der UNO zur Folge, dass 40 Prozent der medizinischen Hilfe für den Nordosten abgeschnitten sind. Die bestehende Regelung läuft in der Nacht zum Samstag aus. Sollte sich der UN-Sicherheitsrat nicht einigen, wäre dies das Ende der grenzüberschreitenden Lieferungen.
Russland sieht in den Lieferungen eine Einschränkung der syrischen Souveränität und verlangt, dass letztlich das Regime die Versorgung aller Landesteile übernehmen soll. Der russische UNO-Botschafter Wassilij Nebensia warf dem Westen vor, die humanitäre Hilfe zu instrumentalisieren, um die syrische Bevölkerung zu spalten.
Allerdings hatte zuvor auch schon UNO-Generalsekretär António Guterres Moskaus Ansinnen zurückgewiesen, die Versorgung Damaskus zu überlassen. Dies sei keine realistische Alternative, um den massiven Bedarf an Hilfsgütern in der Region zu decken, sagte er.
«Virtuelles Todesurteil für viele Syrer»
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International betonte, die Bedeutung der grenzüberschreitenden Hilfslieferungen könne nicht überbewertet werden. «Für Millionen Syrer geht es darum, ob sie Nahrung zum Essen haben oder hungern müssen», sagte die Vertreterin für UNO-Angelegenheiten, Sherine Tadros. «Für Spitäler, ob sie genug haben, um Leben zu retten.» Das Verhalten Chinas und Russlands sei ein gefährlicher und verachtenswerter Missbrauch der Vetomacht. Human Rights Watch sprach von einem «virtuellen Todesurteil für viele Syrer», sollte wie von Russland verlangt der Übergang Bab al-Salam gesperrt werden.
Die UNO hatte dem Assad-Regime und Russland am Montag bereits mögliche Kriegsverbrechen im Zuge einer Offensive gegen die Rebellengebiete in Idlib zu Beginn dieses Jahres vorgeworfen. So hätten Regierungstruppen und in einigen Fällen auch die russische Luftwaffe systematisch Spitäler, Schulen, Märkte, Wohnhäuser und andere zivile Einrichtungen bombardiert und dabei auch international geächtete Streumunition eingesetzt, wie es in einem Bericht einer vom UNO-Menschenrechtsrat in Genf eingesetzten Untersuchungskommission an den Sicherheitsrat heisst.
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