Umstrittene ÄusserungenScholz bedauert Schweigen nach Holocaust-Eklat – Abbas rudert zurück
Der Palästinenserpräsident warf Israel bei einer Pressekonferenz mit dem deutschen Kanzler «vielfachen Holocaust» vor. Nach scharfer Kritik aus Europa versucht er nun, seine Aussage zu dämpfen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich unglücklich darüber gezeigt, dass er auf die Holocaust-Relativierung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas bei einer gemeinsamen Pressekonferenz nicht sofort reagiert hat. «Der Bundeskanzler bedauert es, dass er auf der besagten Pressekonferenz gestern Nachmittag nicht ein zweites Mal intervenieren und direkt auf die Anwürfe anders reagieren konnte», sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. Scholz habe dies dann allerdings «sehr schnell im Nachgang an die Pressekonferenz getan».
Während der Pressekonferenz hatte sich Scholz von Abbas distanziert: Der Palästinenserpräsident hatte Israel ein gegen die Palästinenser gerichtetes «Apartheidsystem» vorgeworfen. Scholz gab zurück, er wolle ausdrücklich sagen, «dass ich mir das Wort Apartheid nicht zu eigen mache und ich es für die Beschreibung der Situation nicht für richtig halte».
Später reagierte Abbas auf die Frage nach einer möglichen Entschuldigung der Palästinenser für das Olympia-Attentat in München 1972 mit der Aussage, Israel habe seit 1947 «50 Massaker, 50 Holocausts» an Palästinensern begangen. Unmittelbar nach Abbas› Antwort beendete Hebestreit die Pressekonferenz – Scholz äusserte sich nicht mehr. Er verurteilte die Aussagen später in der «Bild»-Zeitung» sowie auf Twitter.
Hebestreit bedauerte sein eigenes Agieren am Ende der Pressekonferenz. Er sei nicht aufmerksam genug gewesen und habe nicht schnell genug reagiert. «Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen.» Scholz habe ihn «beim Abgang von der Bühne schon kurz angeraunzt», berichtete Hebestreit. Der Kanzler habe ihm gesagt, «dass ich das etwas schnell gemacht habe und er gerne noch etwas entgegnet hätte».
Hebestreit verurteilte Abbas’ Worte am Mittwoch ausführlich. Scholz sei «empört und entsetzt» über die «unsäglichen Äusserungen». Eine Relativierung des Holocaust sei «völlig inakzeptabel» und dies auf deutschem Boden zu tun, sei «unentschuldbar». Das Kanzleramt habe am Mittwochvormittag den Leiter der Palästinensischen Vertretung in Berlin einbestellt und diesem die Haltung der Bundesregierung «unmissverständlich» übermittelt.
Scholz will mit israelischen Ministerpräsidenten telefonieren
Scholz erwarte, dass Abbas «die Singularität des Holocaust ohne jede Einschränkung anerkennt», fügte Hebestreit hinzu. Die «Entgleisung» des Palästinenserpräsidenten am Dienstag «wirft einen dunklen Schatten auf die Beziehungen Deutschlands zu der Palästinensischen Autonomiebehörde».
Am Donnerstag will Scholz den Angaben zufolge mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid telefonieren. Der Kanzler wolle «auch mit ihm über diesen Vorfall direkt sprechen», sagte Hebestreit. Die Bundesregierung messe «den engen und vertrauensvollen Beziehungen zu Israel höchste Bedeutung bei».
Abbas versucht eigene Aussage zu relativieren
Nach scharfer Kritik aus Deutschland, Israel und Europa hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas versucht, die Empörung über seine umstrittenen Äusserungen zum Holocaust zu dämpfen.
«Präsident Abbas bekräftigt, dass der Holocaust das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte ist», schrieb die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am Mittwoch. Abbas sagte demnach, er habe in Berlin nicht die Einzigartigkeit des Holocaust infrage stellen wollen.
Am Mittwoch sagte Abbas laut Wafa, gemeint habe er mit seinen Äusserungen «die Verbrechen und Massaker gegen das palästinensische Volk, die Israels Streitkräfte seit der Nakba begangen haben». «Diese Verbrechen haben bis zum heutigen Tage nicht aufgehört.» Der historische Hintergrund: Aus einem Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina wurde 1948 Israel. Die arabischen Nachbarn griffen den neuen Staat an. Im Zuge der darauf folgenden Kämpfe flohen rund 700’000 Palästinenser oder wurden vertrieben. Daran gedenken die Palästinenser jährlich als Nakba (Katastrophe).
«Die Geschichte wird Abbas niemals verzeihen.»
Der israelische Ministerpräsident Jair Lapid kritisierte auf Twitter: «Dass Mahmud Abbas Israel beschuldigt, «50 Holocausts» begangen zu haben, während er auf deutschem Boden steht, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge.» Er verwies auf die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden. Die Geschichte werde Abbas niemals verzeihen. Lapid ist selbst Sohn eines Holocaust-Überlebenden.
SDA/step
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