Ein Bauwerk für die KreativitätAus dem Hügel gestampft
Für eine Künstlerin hat Sven Patrick Krecl in Männedorf ein Atelier gestaltet. Dabei setzte er auf ein in Vergessenheit geratenes Material: Stampflehm.

Herr Krecl, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Sven Patrick Krecl: Ich versuchte, einen Raum für die Kreativität zu entwerfen. Die handwerkliche Arbeit sollte im Mittelpunkt stehen. Der Dialog mit der Bauherrschaft und die Auseinandersetzung mit dem Ort waren sehr intensiv. Ich wollte unter anderem verstehen, wie die Nutzerin den Ort, der schon lange ihrer Familie gehört, bis anhin genutzt hat und wie sie diesen in Zukunft sieht. Zusätzlich wollte ich verstehen, wie die Künstlerin arbeitet. Anhand von diesen Beobachtungen entwarf ich verschiedene Szenarien beziehungsweise überlagerte diese Themen und gestaltete daraus einen Räumling.

Welche Inspiration liegt dem Projekt zugrunde?
Entstanden ist eine «skandinavische Kasbah», – wunderbar, welche Bilder einer jeden Leserin, einem jeden Leser jetzt wohl durch den Kopf schiessen. Und genau dies soll der Raum erfüllen: eine Atmosphäre von Geborgenheit, gute Lichtverhältnisse, angenehme sonore und haptische Stimmungen. Der Raum strahlt aber auch sehr viel Ruhe aus. Die Materialität ist aufs Minimum reduziert. Linien und Kanten verschmelzen und enden im Horizont.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Bauplatz ist von der Strasse zurückversetzt und umgeben von viel verwilderter Vegetation. Die leichte Hanglage ermöglichte es, das Neubauvolumen aus dem Terrain wachsen zu lassen. Das Dach ist begehbar, es ist somit fast kein Grünraum verloren gegangen.
Inwiefern hat die Bauherrschaft den Entwurf beeinflusst?
Da das Atelier durch die Auftraggeberin selber genutzt wird, prägte diese durch persönliche Erzählungen signifikant den Entwurfsprozess. Wichtig waren die Erzählungen der Familie von ihren Reisen, auf denen sie fremde Baukulturen kennen gelernt hatte. Diese gesellschaftliche Offenheit und kulturelle Neugierde bestätigte mir die Materialwahl, die auf jahrhundertealte Kasbahs Bezug nimmt. Dadurch wurde der Entwurfsprozess erst so richtig lanciert.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Durch die definitive Wahl des Materials musste ich als Architekt zuerst dieses verstehen. Stampflehm ist ein Material, das in der westlichen Welt in Vergessenheit geraten ist – auch wenn einige Architekten es unlängst neu entdeckten. Wie baue ich also zeitgenössische Architektur mit einem Baustoff, der vor 100 Jahren unter anderem vom Beton verdrängt wurde? Der Prozess des materialgerechten Entwerfens war sehr spannend. Die Orientierung des Volumens, die grosse Verglasung, das Vordach für den sommerlichen Sonnenschutz und die winterliche Aufwärmung des dunklen Bodens tragen zum respektvollen Umgang mit Ressourcen bei. Die Natur wird auf diese Weise genutzt und zugleich geschont.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Ich bin über die Kunst auf den Lehmbau gestossen: Ich habe die Künstlerin oft besucht, während sie an ihren Werken arbeitete. Sie baut ihre Bilder mit Acryl und Gouache wortwörtlich in Schichten auf. Auch der Stampflehn wird in mehreren Arbeitsschritten aufgeschichtet und verdichtet – und dies in handwerklicher Bauweise; Schicht um Schicht wachsen die Wände langsam empor.
Einmal im Monat präsentiert die Plattform Swiss-Architects.com einen ausgewählten Bau. Sie hat auch den Fragenkatalog zusammengestellt.
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