«Mama, ich sterbe, weil ich nicht atmen kann»
Um 4.28 Uhr verschickte Pham Thi Tras eine letzte SMS. Die Vietnamesin sass in einem Kühlcontainer in Grossbritannien. Sie hatte es fast geschafft.

Inzwischen kennt alle Welt die SMS, die Pham Thi Tra My in ihre vietnamesische Heimat schickte. Es war ihre letzte, bevor sie im Kühlcontainer starb. «Es tut mir so leid, Mama», tippte die 26-Jährige. «Meine Reise ins Ausland ist gescheitert. Mama, ich liebe dich so sehr! Ich sterbe, weil ich nicht atmen kann.»
4.28 Uhr morgens war es in Vietnam, als die Horrormeldung die Eltern erreichte. 22.28 Uhr war es in England. Der Container, in dem Pham und 38 andere Menschen eingeschlossen waren, war am letzten Dienstag vom belgischen Zeebrugge zum britischen Hafen Purfleet unterwegs. Vor ihrer letzten SMS hatte Pham die Eltern gemahnt, sie auf der letzten Etappe ihrer Reise nicht anzurufen. Die Leute, die den Transport organisiert hatten, hätten es verboten, sagte sie.

31 Männer und 8 Frauen fielen einem skrupellosen Menschenhandel zum Opfer. Nicht nur Chinesen, wie anfangs gemeldet wurde, sondern auch viele Vietnamesen. Mehrere vietnamesische Familien, die erwartet hatten, von ihren Kindern ein Lebenszeichen nach der Ankunft in England zu erhalten, sind sich inzwischen sicher, dass ihre Sprösslinge mit im Container waren. Eine Familie erklärte, es habe sich um einen Konvoi von insgesamt drei Lastwagen gehandelt, mit über hundert Personen an Bord.
Die vietnamesische Botschaft in London richtete am Wochenende eine Hotline ein, um bei der Identifikation der Opfer zu helfen. Es werde leider einige Zeit dauern, bis man Gewissheit habe, meint die Polizei.
Seit einigen Jahren versuchen sehr viele Vietnamesen, nach Grossbritannien zu kommen, um Arbeit zu finden. Die Statistiken vermelden einen steilen Anstieg der Zahl illegaler Migranten aus den ärmeren Regionen Vietnams, in denen es zu wenig Arbeit gibt. Weil gering qualifizierte Zuwanderer aus Asien kaum eine Chance auf ein Arbeitsvisum haben, reisen sie illegal ein.
Statt als Schmuggelopfer werden Migranten vom britischen Recht als Kriminelle betrachtet und oft kurzerhand deportiert.
Familien, die sich für ihre Kinder «eine bessere Zukunft» erhoffen, sind vielfach bereit, sich dafür lebenslang zu verschulden. Junge Vietnamesinnen hoffen dabei meist auf Jobs in Nagelstudios oder vietnamesischen Restaurants. Junge Männer werden oft eingesetzt, um versteckte Cannabis-Farmen zu betreuen oder irgendwelche landwirtschaftliche Arbeit zu versehen. Wegen ihres illegalen Status wagen es die wenigsten, sich gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen und menschenunwürdige Unterbringung zu wehren. Hoch verschuldet durch die Anreise, verbringen sie Jahre ihres Lebens in regelrechter Knechtschaft.
Statt als Schmuggelopfer werden sie vom britischen Recht als kriminelle Eindringlinge betrachtet und oft kurzerhand deportiert, wenn sie aufgespürt werden – was ihre verschuldeten Familien in eine ausweglose Lage bringt. Wohlfahrtsverbände, die sich dieser Migranten angenommen haben, klagen darüber, dass der Staat es an finanzieller Unterstützung und an Verständnis für die Situation der Migranten fehlen lässt.
Im Fall von Pham gab es noch einen besonders trostlosen Aspekt, wie ihr Bruder erklärte. Danach hatte es Pham vor ein paar Tagen schon von Frankreich aus nach England geschafft. Die britische Grenzpolizei habe sie aber festgenommen und nach Frankreich zurückbefördert. Danach versuchte sie es im Container von Belgien, von Zeebrugge, aus.
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