Volksabstimmung über Agrar-InitiativenBauernchef Ritter hat ein neues Problem
Christian Wasserfallen unterstützt neu die Trinkwasserinitiative – und mit ihm fast die Hälfte der FDP-Basis. Der Widerstand gegen die Parteispitze ist nur auf den ersten Blick überraschend.

Vordergründig geht alles seinen gewohnten Gang. Die Delegierten der FDP folgen der Parteispitze und sagen Nein zur Trinkwasserinitiative, die im Juni zur Abstimmung gelangt. Sie bestätigen damit auch den Kurs der Bundeshausfraktion: Kein FDP-Parlamentarier hat das Volksbegehren in der Schlussabstimmung unterstützt.
Indes, mit 202 zu 165 Stimmen ist der Beschluss knapp ausgefallen. 45 Prozent der FDP-Basis verlangen, dass künftig nur noch jene Bauern Subventionen erhalten, die auf Pestizide verzichten, ebenso auf Antibiotika in der Tierhaltung und beim zugekauften Futter. Diese starke Minderheit schlägt sich damit auf die Seite von SP, Grünen und Grünliberalen.
«Trinkwasser ist in der Schweiz stark unter Druck und eine Problemstelle, welche die Leute beschäftigt.»
Das Resultat lasse aufhorchen, twitterte FDP-Nationalrat Matthias Jauslin nach dem Entscheid vom letzten Wochenende. «Kritische Stimmen gegen Pestizideinsätze in der Landwirtschaft nehmen in der FDP zu.» Er selber lehnt das Volksbegehren weiterhin ab. Stattdessen setzt er auf den informellen Gegenvorschlag des Parlaments, der die Risiken des Pestizideinsatzes bis 2027 um 50 Prozent mindern will und sich, wie Jauslin sagt, rascher umsetzen lasse.
Anders Christian Wasserfallen. Der Berner Nationalrat wird ein Ja in die Urne legen. Er habe sich im Nachgang zur Parlamentsdebatte noch einmal überlegt, wie die Initiative einzuordnen sei. «Trinkwasser ist in der Schweiz stark unter Druck und in Bezug auf die intensive Landwirtschaft eine Problemstelle, welche die Leute beschäftigt.» Bei der Umsetzung der Initiative könne das Parlament «noch etwas Flexibilität einbauen», etwa beim Grundsatz, dass Bauern nur noch so viele Tiere halten dürfen, wie sie mit Futter vom eigenen Hof ernähren können.
Subventionen ökologischer ausrichten
Dass die FDP gespalten ist, kommt nur auf den ersten Blick überraschend. Eine repräsentative Umfrage der Partei hat im letzten Herbst gezeigt: 48 Prozent der Mitglieder verlangen, dass der Bund umweltschädliche Subventionen stoppt oder diese umbaut zu Zahlungen, die der Natur zugutekommen. Dieser Wunsch nach einer Neuausrichtung der Subventionen konkurriert parteiintern mit der liberalen Befürchtung, die Initiative schränke die Landwirte in ihren unternehmerischen Entscheidungen stark ein. Ständerat Damian Müller sagt, er könne diesen Wunsch gut verstehen. Er lehnt die Initiative trotzdem ab: «Ich will eine produzierende Landwirtschaft und eine heimische Futtermittelproduktion.»
Einigkeit besteht dagegen weiterhin bei Verboten. Die Pestizidinitiative, die ebenfalls am 13. Juni an die Urne kommt, verwarfen die Delegierten mit 318 zu 52 Stimmen. Das Begehren will ein Verwendungsverbot von synthetischen Pestiziden sowie ein Einfuhrverbot von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt worden sind.
Ein schlechtes Omen?
Offen ist, wie stark sich die FDP nun noch gegen die Trinkwasserinitiative engagieren wird. Petra Gössi wird nicht konkret: «Es wird sich mit den anderen Akteuren der Nein-Allianz zeigen, wer was zur Kampagne beitragen kann.» Die vielen Ja-Stimmen aus der FDP wertet die FDP-Chefin nicht als Überraschung. Sie verweist auf die Mitgliederbefragung vom letzten Herbst. Aus ihrer Sicht bleibt das Votum der Delegierten jedoch «ziemlich klar».
Die freisinnige Schützenhilfe für die Trinkwasserinitiative ist keine gute Nachricht für den Bauernverband, der beide Volksbegehren bekämpft. Ist Markus Ritter beunruhigt? Der Bauernpräsident sagt dazu nur, er hätte mit Blick auf den Kurs der FDP-Bundeshausfraktion ein klareres Nein der Basis zur Trinkwasserinitiative erwartet. Andere Bauernvertreter im Parlament werten das Verdikt als schlechtes Omen. Jacques Bourgeois (FDP) sagt, es werde am 13. Juni ein enges Rennen geben.
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