Bei Chelsea liegen die Nerven blank
Vor dem Final in der Europa League verlässt Maurizio Sarri wutentbrannt das Abschlusstraining. Der Chelsea-Coach sorgt einmal mehr für Unruhe.
Die Tage von Maurizio Sarri als Cheftrainer des FC Chelsea dürften – trotz seines bis im Juni 2021 laufenden Vertrages – gezählt sein. Der Italiener leistete sich im Vorfeld des Europa-League-Finals in Baku den nächsten Aussetzer. Zuerst hatte er gegenüber Medien noch beteuert, wie sehr er alle seine Spieler liebe. Einige Stunden später kehrte Sarri ihnen den Rücken zu. Verärgert verliess er vorzeitig das letzte Training, das die Londoner vor dem Endspiel gegen Stadtrivale Arsenal abhielten. Der 60-Jährige schleuderte seine Mütze auf den Boden, trat sie mit den Füssen (beides sogar zweimal) und stampfte vom Platz. Offenbar hatte er sich in der öffentlichen Trainingseinheit über ein hartes Einsteigen von Gonzalo Higuain gegen David Luiz aufgeregt.
Erzürnt war Sarri schon vergangene Woche gewesen. Nach dem Abschluss der Spielzeit in der Premier League musste er mit seinem Team eine mehrtägige PR- und Testspiel-Tournee durch die USA unternehmen. Diese hatte der Club schon vor Monaten eingefädelt. Die zweieinhalb Wochen Pause zwischen dem Ende der Meisterschaft und dem Final der Europa League sollen schliesslich sinnvoll genutzt werden. Doch für Sarri war diese Planung und Vorbereitung «unprofessionell und inakzeptabel». Nicht zum ersten Mal wetterte der Neapolitaner gegen die Clubführung, doch diesmal dürfte ihn seine Kritik den Job kosten – egal, ob er mit Chelsea den Final gewinnt oder nicht.
Für Unruhe hatte Sarri schon Ende Januar gesorgt. Nach der 0:4-Niederlage bei Bournemouth – die Londoner hatten seit 1996 in der Liga nicht mehr so hoch verloren – liess er seine Mannschaft rund eine Stunde lang in der Garderobe schmoren. Auch seine Assistenten mussten draussen bleiben. Der Coach wollte mit dieser Aktion seinen Spielern eine Erklärung für ihren desaströsen Auftritt abverlangen. Danach stellte er sich sogar selbst in Frage: «Vielleicht ist es auch mein Fehler. Vielleicht kann ich sie nicht motivieren.» Aber das Team sei sehr stark und könne auch ohne Trainer gewinnen, fügte er damals an.
Das nächste Missverständnis?
Negativschlagzeilen hatte ihm auch der Final im Ligacup vom 24. Februar gegen Manchester City eingebracht. Kurz vor Ablauf der Verlängerung (beim Stand von 0:0) wollte Sarri Goalie Kepa auswechseln. Der Spanier hatte sich zuvor zweimal pflegen lassen müssen und der Trainer wollte vor dem sich anbahnenden Penaltyschiessen kein Risiko eingehen. Doch Kepa weigerte sich, Ersatzkeeper Willy Caballero Platz zu machen. Sarri schäumte am Spielfeldrand vor Wut, brüllte immer wieder in Richtung Kepa und machte sich zwischenzeitlich auf den Weg zur Kabine. In der Pause zwischen Verlängerung und Elfmeterschiessen musste Verteidiger Antonio Rüdiger den Italiener zurückhalten, damit sich dieser nicht vor laufenden Kameras den Torhüter vorknöpfte. Chelsea verlor das Penaltyschiessen 3:4 – und Sarri viel Kredit.
Video: Chelsea-Goalie lässt sich nicht auswechseln
Kuriose Szenen im Ligacup-Final gegen ManCity: Trainer Maurizio Sarri versucht, den Goalie Willy Caballero einzuwechseln, aber Kepa weigert sich den Platz zu verlassen. (Video: Twitter/Sky Sports)
Die beiden Protagonisten sprachen im Nachhinein von einem Missverständnis. «es war zu keinem Zeitpunkt meine Absicht, den Anweisungen des Trainers nicht Folge zu leisten», schrieb Kepa auf Instagram. Der Coach sei bloss fälschlicherweise davon ausgegangen, dass er verletzt sei. Sarri gestand sogar selber Fehler ein: «Der Goalie hat begriffen, dass ich ihn wegen eines physischen Problems auswechseln wollte. Aber er hatte kein körperliches Problem. Also hat er recht, denke ich.» Kepa wurde in der Folge für seine Revolte intern gebüsst, der 24-Jährige musste einen Wochenlohn (195'000 Pfund, umgerechnet rund 255'000 Franken) abgeben. Das Geld wurde der «Chelsea Foundation» gespendet.
Ob Sarri auch in Baku ein Missverständnis auf die Palme und zum Verlassen des Abschlusstrainings trieb, bleibt vorerst sein Geheimnis. Vor dem wichtigen Spiel in Aserbeidschans Hauptstadt scheinen beim Chelsea-Coach jedenfalls die Nerven blank zu liegen – einmal mehr, ist man geneigt zu sagen.
Weniger Druck, mehr Unruhe
Die Anspannung ist insofern schwer nachvollziehbar, da der Druck bei den Blues im Gegensatz zu Arsenal – das sich nur mit einem Sieg noch für die Champions League qualifizieren kann – kleiner ist. Den letzten Triumph im Europacup feierten die Gunners 1994 im vor 20 Jahren abgeschafften Cup der Cupsieger. Von den grossen englischen Clubs wartet nur Manchester City länger auf einen solchen Titel. Seit 1994 haben 25 verschiedene Vereine aus zehn Ländern mindestens einen Europacup gewonnen.
Bildstrecke: Schweizer Fussballer in Europacup-Finals
Chelsea hingegen gewann seit Arsenals letztem Meistertitel (2004) fünf Mal die Premier League, entschied 2012 die Champions League für sich und ging ein Jahr später in der Europa League als Sieger hervor. Und auch in der abgelaufenen Saison platzierte sich Chelsea als Dritter vor dem Rivalen aus dem Norden Londons. Das letzte Duell allerdings entschied Arsenal für sich. Am 19. Januar siegten die Gunners in der Meisterschaft dank der Tore der Franzosen Alexandre Lacazette und Laurent Koscielny 2:0.
SDA/ddu
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