Aufruf von «Swiss BeeMapping»Bienenforscher hoffen auf Ihren Einsatz
In der Schweiz leben verschiedene Arten von Wildbienen. Aber es soll hierzulande auch Honigbienen in freier Wildbahn geben. Um diese These zu stützen, ist die Mithilfe der Bevölkerung gefragt.

Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Nach kühlen, regnerischen Tagen kündet sich endlich der Frühling an. Die Bienen schwärmen aus – und mit ihnen auch der Biologe Francis Cordillot, 69, der die geflügelten Insekten erforscht. Mit dabei auf der heutigen Exkursion ist Benedikt Arnold, 36, gelernter Forstwart, Baumpflegespezialist, Bergführer und Baumkletterer. Das Ziel der beiden sind drei wild lebende Honigbienenvölker, die in Baumhöhlen östlich von Solothurn gesichtet wurden.

«Honigbienen lebten schon vor Jahrmillionen in Westeuropa, so auch in der Schweiz bis in die Neuzeit», sagt Cordillot. «Sie existierten ganz ohne menschliches Zutun.» Heute gehen Imkerei und Behörden davon aus, dass die Honigbiene in freier Wildbahn nicht mehr vorkommt. Für den noch fehlenden Gegenbeweis geht Cordillot der Sache auf den Grund.
Mit der Unterstützung des Vereins FreeTheBees untersucht er, ob es auf der Alpennordseite nicht doch noch wild lebende Bienenvölker gibt. Das Projekt ist auf Beobachtungen der Bevölkerung angewiesen. In den letzten zwei Jahren sind etliche Fundmeldungen eingegangen. Darunter auch die drei Standorte, an denen Cordillot heute mit Arnold überprüft, ob die Völker den Winter überstanden haben.
Wilde Bienen sind gesünder
Am ersten Standort, einem Waldrand, steht eine Fichte. Sie hat in fünf Metern Höhe ein gut sichtbares Loch im Stamm, in das Bienen ein- und ausfliegen. Arnold steigt in Imkermontur über eine ausziehbare Leiter hinauf zum Loch, fotografiert die Baumhöhle und misst die Temperatur im Innern. Ein paar Bienen nimmt er mit. Cordillot wird sie im Labor genauer untersuchen, um die Rasse festzustellen. Dies wird etwas über ihre Herkunft sagen: ob die Bienen von einem abgegangenen Schwarm aus einer Imkerei stammen oder ob sie mit der ursprünglichen wilden Honigbiene verwandt sind.
Am nächsten Standort, mitten im Wald, hatte ein Spaziergänger in rund fünfzehn Metern Höhe gleich mehrere Löcher im Stamm einer alten Eiche entdeckt – vermutlich von einem Specht ins Holz gehackt. Letzten Herbst flogen Bienen ein und aus. Die Leiter reicht diesmal nicht. Arnold klettert an einem Seil in schwindelerregende Höhen. Dann kommt der Baumkletterer wieder herunter, mit negativem Bescheid: «Das Bienenvolk lebt nicht mehr, in der Höhle hängt nur noch eine alte Wabe.»
Am dritten Standort dann eine böse Überraschung: Der Nussbaum, der ein Bienenvolk beherbergte, wurde gefällt. Säuberlich aufgeschichtet liegen Stammstücke und Äste am Wegesrand. «Es geschieht manchmal, dass Bäume samt einem unbemerkten Bienenvolk gefällt werden», sagt Cordillot. «Passiert das, kann der Verein für die Rettung des noch lebenden Volks angefragt werden.» Weniger Verständnis hat der Biologe für Menschen, besonders Imker, die Bienenvölker draussen in der Natur mutwillig oder «vorsorglich» vernichten.
«Wir hätten einen Schatz gefunden, wenn uns der Nachweis gelingt, dass in der Schweiz wilde Honigbienen leben.»
Wie bitte? Imker töten Bienen? Offenbar gehen sie von der irrigen Annahme aus, dass Bienen, die ausserhalb der Imkerei in der Natur ein Auskommen suchen, ein Herd für Krankheiten und Parasiten seien. «Doch das Gegenteil ist der Fall», sagt Cordillot, «Studien zeigen, dass freie Bienenvölker gesünder sind als solche aus der Imkerei.» Was wenig erstaunlich ist, weil die Bienen in der Natur durch freies Ausschwärmen einen Teil der Seuchenlast im alten Nest zurücklassen können und ihnen niemand den Honig wegnimmt, der wichtige Stoffe für das Immunsystem enthält.
Wer ein Bienenvolk entdeckt und es bei Swiss BeeMapping meldet, darf gerne am Projekt mitarbeiten, «sein» Bienenvolk regelmässig beobachten und die so gewonnenen Daten an das Projekt weiterleiten.
Doch wo soll, wer mitmachen will, am besten Ausschau halten? «Die Fundmeldungen zeigen, dass die Bienen neben Baumhöhlen auch Gebäude besiedeln», so Cordillot. Da die Bienen Neststandorte möglichst hoch oben vorziehen, bemerken die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses ihre heimlichen Untermieterinnen oft gar nicht.
Den Forscher interessiert, wo auf der Alpennordseite Honigbienenvölker ausserhalb der Imkerei vorkommen, welche Nistplätze sie aussuchen und wie sie den Winter, die Schwarmzeit und den Sommer überleben. «Falls der Nachweis gelingt», sagt Cordillot, «dass auf Schweizer Boden neben den 627 bekannten Wildbienenarten auch die Honigbiene in freier Wildbahn ohne Nachschub von Imkerbienen eigenständig überlebt – dann hätten wir einen Schatz gefunden.»
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