Schweizer Start-up im PorträtButlerdienste aus Trogen für die Welt
Das Schweizer Start-up GuestReady ist im Sog von Airbnb rasch gewachsen. In der Krise beschaffte es sich 2,5 Millionen Franken Kapital bei den eigenen Kunden.

Drei Jahre lang fieberten Anleger dem Ereignis entgegen, am 10. Dezember war es so weit: Airbnb, der weltweit grösste Vermittler von Zimmern und Wohnungen, wagte den Schritt an die Börse. Das 2008 lancierte Onlineportal legte einen fulminanten Start hin. Als gäbe es keine Pandemie und keine Reiseeinschränkungen, kletterte der Kurs am ersten Handelstag von 68 auf 145 US-Dollar, wodurch das Unternehmen die 100-Milliarden-Dollar-Grenze sprengte.
Für Alexander Limpert (34) war das eine gute Nachricht; er ist Chef eines Schweizer Start-ups, das stark davon profitiert, wenn Airbnb und andere Unterkunftsportale weiterwachsen. Als er 2016 mit seinen HSG-Studienkollegen Patrick Degen und Christian Mischler die Firma GuestReady mit Sitz im Appenzellischen Trogen gründete, brachte er bereits internationale Erfahrung mit. Den Master hat Limpert in London erworben. Später war er für die Unternehmensberatung Oliver Wyman in Frankreich, Deutschland, Hongkong, Irland, Grossbritannien und den USA tätig. Danach wechselte Limpert zu Rocket-Internet, einem deutschen Inkubator, der in Internet-Start-ups wie das Mode-Onlineunternehmen Zalando oder den Lebensmittellieferdienst HelloFresh investiert. Limpert, der Chinesisch spricht und zwischenzeitlich in Shanghai gelebt hatte, sollte dem Essenslieferdienst Foodpanda helfen, rascher in Südasien zu expandieren.
«Unser Ziel war, den Service bei den privaten Unterkünften so professionell zu gestalten wie in einem Hotel.»
Doch Limpert blieb nicht lange an Bord. Er hatte auf Reisen und bei der Vermietung eigener Unterkünfte festgestellt, wie aufwendig es für Vermieter war, sich eigenhändig um den Bezug der Betten, die Reinigung, die Schlüsselübergabe und die Anliegen der Gäste zu kümmern. GuestReady, so seine Geschäftsidee, sollte Vermietern all diese Pflichten abnehmen und darüber hinaus die Preisgestaltung optimieren. «Unser Ziel war, den Service bei den privaten Unterkünften so professionell zu gestalten wie in einem Hotel», sagt der Unternehmer.
Der Plan ging von Anfang an auf. Das Appenzeller Start-up GuestReady wuchs im Umfeld der grossen Marken Airbnb, Booking oder Expedia kräftig mit. Für den weit gereisten Jungunternehmer war von Anfang an klar, dass man mit dem Service rasch in den grossen Metropolen Paris, London, Dubai und Lissabon Fuss fassen musste.
100 Angestellte auf der Gehaltsliste
Über 10 Millionen Franken hat GuestReady in drei Finanzierungsrunden aufgenommen. Vier Jahre nach der Gründung stehen 100 Angestellte auf der Gehaltsliste, 30 davon in Kuala Lumpur, von wo aus die Gästekommunikation gesteuert und täglich die optimalen Preise für 2500 Unterkünfte in 20 Städten berechnet werden. Die Software wird in Prag und Portugal, aber auch in Frankreich und der Ukraine entwickelt. «Wir sind als Unternehmen ebenso international aufgestellt wie unsere Kundschaft», sagt Limpert, der auf Nachfrage einräumt, dass Mitgründer und Finanzchef Patrick Degen der einzige Angestellte am Firmenhauptsitz in Trogen ist.
Die Serviceleistungen lässt sich GuestReady mit Kommissionen von 20 bis 28 Prozent des Wohnungspreises vergüten, was bei einem Buchungsvolumen von rund 30 Millionen Franken 2019 einen hohen siebenstelligen Umsatz einbrachte. Dank zusätzlichem Fremdkapital und weiteren Übernahmen hofften die GuestReady-Manager Ende 2019, bald die Gewinnschwelle zu erreichen.
Corona liess Umsatz um 80 Prozent schrumpfen
Doch diesen Frühling hat die Corona-Krise das Wachstum abrupt gebremst. «Wir verloren innert kürzester Zeit 80 Prozent unserer Umsätze», sagt Limpert. Das habe das Management ebenso gefordert wie die Geduld der Investoren. Inzwischen habe sich die Situation normalisiert, es würden vermehrt Unterkünfte für mehrere Wochen oder sogar Monate gebucht statt nur für wenige Tage. So würden viele Mitarbeiter, die im Ausland eine Stelle antreten oder als digitale Nomaden arbeiten, flexible Lösungen suchen, Immobilienkäufe würden zugunsten von Übergangslösungen aufgeschoben. Und statt Touristen würden vermehrt Einheimische Wohnungen mieten, um sich in Homeoffice-Zeiten etwas Abwechslung und Freiraum zu verschaffen.
Limpert hofft, fürs ganze Jahr auf eine Belegungsquote von 60 Prozent zu kommen bei den Unterkünften, die GuestReady betreut. Für 2021 rechnet er damit, wieder das Niveau von 2019 zu erreichen.
Neue Finanzmittel gefunden
Zudem hat das Unternehmen die ruhigeren Monate genutzt, um den Personalaufwand für einzelne Dienstleistungen wie die Schlüsselübergabe zu minimieren und die Software so weit zu verbessern, dass auch professionelle Vermieter sie im Lizenzgeschäft nutzen. Und schliesslich hat sich GuestReady entschieden, Aktien an die Immobilienbesitzer, Gäste, Angestellten und Partnerunternehmen auszugeben. Rund 2,5 Millionen Franken kamen so in den letzten fünf Wochen zusammen.
Die neuen finanziellen Mittel sollen der Expansion in neue Märkte dienen, insbesondere in klassische Feriengebiete wie die Schweizer Alpen. Die über 800 neuen Miteigentümer aus 40 Ländern besitzen laut Limpert zusammen nun rund 10 Prozent der Firma. Die drei Gründer halten insgesamt 40 Prozent, der Rest gehört professionellen Investoren aus der Schweiz und Deutschland sowie Impulse VC, der Wagniskapitalgesellschaft des russischen Milliardärs Roman Abramovich, und VentureSouq aus Dubai.
«Man steht zwar immer mal wieder nahe am Abgrund, doch solche Phasen gehören zum Gründerleben und stärken sowohl das Unternehmen als auch die Persönlichkeit.»
Alexander Limpert bereut es trotz der Turbulenzen nicht, sich auf das unternehmerische Wagnis eingelassen zu haben. «Man steht zwar immer mal wieder nahe am Abgrund, doch solche Phasen gehören zum Gründerleben und stärken sowohl das Unternehmen als auch die Persönlichkeit», sagt der 34-Jährige und verweist darauf, dass auch Airbnb «immer wieder schwierige Zeiten zu meistern» hatte. Wenn die Rechnung aufgeht und GuestReady eines Tages verkauft wird oder an die Börse geht, dann wird Limpert sich etwas mehr Luxus gönnen können. Aktuell führt er das Unternehmen von einer Zweizimmerwohnung in London aus.
* Mathias Morgenthaler war Wirtschaftsredaktor bei Tamedia und ist heute als Autor, Coach und Referent tätig. Er ist Autor der Bestseller «Aussteigen – Umsteigen» und «Out of the Box» und Betreiber des Portals www.beruf-berufung.ch
Fehler gefunden?Jetzt melden.