Fleischersatz, Vertical FarmingDas 700-Milliarden-Geschäft mit Lebensmitteln der Zukunft
Das Bevölkerungswachstum und der steigende Bedarf an Nahrungsmitteln heizen das Geschäft mit neuen Produkten und Anbaumethoden an. Schweizer Jungfirmen wie Yasai oder Planted wollen von dem Trend profitieren.

Die Anlage sieht eher aus wie eine Fabrik und hat auf den ersten Blick mit Landwirtschaft wenig zu tun. In einer Pilotanlage des Unternehmens Yasai in Niederhasli ZH wachsen Basilikum, Dill, Koriander, Marokkanische Minze – ohne dass sie dabei mit Erde in Berührung kommen. Die Firma baut dafür vertikale Farmen. Dabei handelt es sich um Anlagen, in denen Nutzpflanzen auf mehreren Stockwerken unter kontrollierten Bedingungen heranwachsen. Unser Videoteam hat Yasai von Beginn an zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet.
Das Schweizer Start-up Yasai gehört zu den Pionieren in einem wachsenden Markt. Zahlreiche Firmen forschen daran, wie sie Landwirtschaft ressourcenschonender betreiben und dennoch die Erträge steigern können.
Die UNO schätzt, dass die Welt bis 2050 zusätzlich zwei Milliarden Menschen ernähren muss. Die Nahrungsmittelproduktion müsse daher um 50 Prozent wachsen, um die prognostizierte Nachfrage zu decken.
Um dieser Lücke zu begegnen, verfolgen die Firmen verschiedene Ansätze. Sie tüfteln an smarten Ernterobotern, Drohnen, um die Ernte zu überwachen, oder einfach an neuen Düngern.
Hunderte Jungfirmen hoffen auf Erfolg
Schon heute werden Milliarden in die Agtech investiert, das ist der Sammelbegriff für die High-End-Landwirtschaftstechnologien. Gemäss dem Marktbericht des Analysehauses PitchBook flossen im ersten Halbjahr dieses Jahres weltweit über 3 Milliarden Dollar in mehr als 200 Jungfirmen aus der Branche.
Die Schweiz spielt in diesem Bereich noch eine kleine Rolle. So finden sich im Marktbericht zu Schweizer Jungfirmen, dem «Swiss Venture Capital Report», nur wenige Unternehmen, die direkt mit Ernährung oder Landwirtschaft zu tun haben.
Es gibt aber Ausnahmen: Yasai und Planted sind Beispiele dafür. Planted bietet Fleischersatzprodukte wie beispielsweise Erbsen-Poulet an. Das Geschäft entwickelt sich gut, die Firma aus Kemptthal ZH sammelte kürzlich frische Investorengelder im Umfang von 70 Millionen Franken ein. Mit dem Kapital will das Start-up an neuen Fleischersatzprodukten, wie etwa künstlichen Pouletbrüsten, forschen.

Laut den Analysten der UBS bietet das Geschäft grosse Wachstumschancen. «Insgesamt schätzen wir, dass der Markt für Lebensmittelinnovationen bis 2030 ein Volumen von 700 Milliarden Dollar haben wird», schreiben sie in ihrem Branchenbericht «Food Revolution».
Die UBS-Experten halten zwei Segmente für vielversprechend. Zum einen das Geschäft mit pflanzenbasiertem Eiweiss. Dieser Markt dürfte sich bis zum Jahr 2030 auf rund 85 Milliarden Dollar fast verzwanzigfachen, schätzen sie. Zum Zweiten sehen sie im Bereich der modernen Landwirtschaftstechnologien grosses Potenzial. Der Umsatz hier soll sich bis zum Jahr 2030 auf 90 Milliarden Dollar versechsfachen.
Auch eine Studie der US-Bank Morgan Stanley sieht grosse Wachstumschancen. Wie schnell sich der Markt entwickle, hänge aber auch davon ab, ob sich die Anbieter auf «hochwertige» Kulturen beschränkten, also etwa auf Produkte, die hohe Preise erzielen, wie zum Beispiel Blattgemüse und Erdbeeren.
Für Anleger sei es aber nicht so einfach, diese Chancen zu nutzen, schreibt die UBS. «Im Gegensatz zu anderen Trends ist die Lebensmittelinnovationsbranche vor allem durch Start-ups, Geschäftseinheiten grosser Lebensmittelkonzerne und kürzlich börsennotierte Unternehmen geprägt.» So kooperiert der US-Detailhandelskonzern Walmart mit einer Jungfirma, die vertikale Farmen baut. In der Schweiz hat die Agrogenossenschaft Fenaco in eine Anlage von Yasai investiert.
Die UBS-Experten gehen davon aus, dass sich die Branche in den nächsten drei bis fünf Jahren konsolidieren wird, also dass es zu Zusammenschlüssen von Firmen kommen dürfte. Dadurch werde es dann auch einfacher für Investoren, in das Segment zu investieren.
Schattenseite Lebensmittelskandale
Die Analysten der Credit Suisse haben ein weiteres Geschäftsfeld entdeckt, das rasant wächst: die Lebensmittelsicherheit. Skandale um verunreinigte Lebensmittel zeigen die Schattenseiten der globalen Nahrungsmittelproduktion. Das jüngste Beispiel dafür ist die mit Salmonellen verunreinigte Kinderschokolade von Ferrero. Weit über hundert Kinder erkrankten daran.

Das treibt die Anbieter an. «Der globale Markt für Lebensmittelsicherheit wächst kontinuierlich mit interessanten Investitionsmöglichkeiten», schreiben die CS-Analysten. Gemäss ihren Schätzungen setzten die Anbieter von Nahrungsmittelsicherheit 2021 rund 19 Milliarden Dollar um. Bis 2027 könnte ihr Umsatz auf über 33 Milliarden Dollar anwachsen.
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