
«Die Zeitungen sind gefüllt von schlechten Nachrichten. Das alles zu lesen macht einen ja nur depressiv.» Solche Aussagen bekommen wir Journalistinnen und Journalisten immer wieder mal zu hören. Ich versuche dann jeweils, zu erklären, dass positive Ereignisse und Entwicklungen hierzulande eben zum Glück die Normalität sind und deshalb weniger interessieren als Begebenheiten, die schieflaufen. Manchmal bemühe ich das etwas groteske Beispiel der Bijouterie: Würden Sie einen Artikel lesen, der davon handelt, dass 10’000 Menschen gestern friedlich am Geschäft vorbeispaziert sind und allenfalls einen Blick ins Schaufenster geworfen haben? Oder interessiert es Sie vielleicht doch mehr, wenn die Bijouterie ausgeraubt wurde?
Dennoch muss ich zugeben, dass die negativen Schlagzeilen auch mich in letzter Zeit bedrückten: Kriege, drohende Hungersnöte, Energiekrise und dann auch noch die aktuelle grassierende Hitze und Trockenheit mit Feuern und Dürren, welche die Klimaerwärmung geradezu apokalyptisch vor Augen führen. Doch bei all dem ist mir aufgefallen, dass meine Tomaten im Garten zwar viel Wasser brauchen, aber im Vergleich zum letzten Jahr noch nicht einmal die geringsten Zeichen von Krautfäule aufweisen. Dies veranlasste mich, einige Unterländer Bauern anzurufen – in der Hoffnung auf ein paar positive News.
Wahrscheinlich sollte auch ich künftig wieder vermehrt den Katastrophen, Tragödien, Misserfolgen und Unglücken hinterherjagen.
Tatsächlich lobten die Winzer und Obstbauern den schönen Sommer und erzählten, wie sie weniger Mittel gegen Pilzkrankheiten spritzen müssen und sich auf eine gute Ernte freuen. Doch am gleichen Tag erschien in dieser Zeitung ein Artikel über andere Landwirte, die ausgetrocknete Zuckerrüben-Felder und mangelndes Gras für die Tiere zu beklagen hatten. Nun raten Sie mal, welcher der beiden Artikel bei der Leserschaft auf mehr Interesse stiess.
Richtig: natürlich der negative. Zumindest bei der Online-Leserschaft. Wie die Messungen zeigen, verbrachte sie rund ein Drittel mehr Zeit mit den verdorrten Zuckerrüben als mit den glücklichen Winzern. Diese Erfahrung bringt mich ins Grübeln. Wahrscheinlich sollte auch ich künftig wieder vermehrt den Katastrophen, Tragödien, Misserfolgen und Unglücken hinterherjagen, auch wenn diese im Unterland gar nicht so einfach zu finden sind. Hinweise sind willkommen.
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ZUgespitzt – Das Scheitern der positiven Nachrichten
In der Rubrik ZUgespitzt greifen Redaktorinnen und Redaktoren Themen aus dem Unterländer Alltag auf.