Huonder-Einflüsterer Martin Grichting gehtDer Erzfeind der Zürcher Katholiken tritt ab
Der bisher wichtigste Mann im Bistum Chur hat demissioniert. Es galt als der starke Mann und legte sich nicht nur mit den Zürchern an.

Martin Grichting hat vor der Bischofsweihe von Joseph Bonnemain vom letzten Sonntag demissioniert. Das geht aus einem knappen Communiqué hervor, welches das Bistum am Dienstag publiziert hat. Es handelt sich um die wohl auf Jahre hinaus wichtigste Personalie des Bistums Chur. Martin Grichting (53), der Mann mit Eloquenz und der unverblümten Sprache, gab hinter den Kulissen den Ton an und war als Generalvikar der Einflüsterer von Bischof Vitus Huonder: bei dessen Personalentscheiden, aber auch bei dessen strittigen Äusserungen zur Abtreibung, zur Gender-Debatte oder Homosexualität.
Die Demission des starken Mannes im Bistum Chur war absehbar. Er hatte im November an der Versammlung der Domherren die geplante Bischofswahl zum Platzen gebracht. Er sah in seinem Kontrahenten Bonnemain den Vertreter eines progressistischen Kurses, der sich den Kantonalkirchen des Bistums andiente. So war allen klar, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem neuen Bischof nicht möglich gewesen wäre. Grichtings rechte Hand, der Kommunikationsbeauftragte Giuseppe Gracia, war schon zuvor zurückgetreten (lesen Sie mehr über den Abgang des Bischofsflüsterers).
Gegen den demokratischen Teil der Kirche
Nach der geplatzten Bischofswahl hatte Felix Caduff, der Präsident der katholischen Synode des Kantons Zürich, Grichting zum Rücktritt aufgefordert. Es sei ein inakzeptabler Affront, das verbriefte Privileg der Bischofswahl ausser Kraft zu setzen, schrieb Caduff in einem offenen Brief. Dieser hintertreibe jegliche Schritte zur Befriedung des Bistums.
Grichting, der gebürtige Zürcher, war seit vielen Jahren der Erzfeind der Zürcher Katholiken: Er stellte das duale System von innerkirchlichen und demokratisch-staatskirchenrechtlichen Instanzen grundsätzlich infrage. Auf dem Feld der Theorie wie der Praxis kämpfte er gegen die demokratisch verfassten Landeskirchen, insbesondere gegen die verhasste «Zürcher Gegenkirche», welche die Autonomie des Bischofs beschneide. Stets berief er sich auf die Religionsfreiheit, wonach sich jede Religionsgemeinschaft nach ihrem eigenen Selbstverständnis organisieren dürfen müsse, die katholische eben gemäss ihrer hierarchischen Verfassung. Er beklagte, dass die Schweizer Bischöfe nicht selbst über die Steuermittel der Gläubigen verfügten, und trat für eine Trennung von Kirche und Staat ein. Ihm schwebte eine Kirche nach US-amerikanischem Vorbild vor, frei von staatlicher Mitsprache.
Couchepin verhinderte seine Wahl
Als Bischof Huonder 2008 versuchte, Grichting zu seinem Weihbischof zu machen, liess der damalige Bundespräsident Pascal Couchepin eine Demarche im Vatikan deponieren. Als der Bischof Grichting zum Bischofsvikar machte, sprach die Zürcher Kirchenexekutive von einem «aus staatskirchenrechtlicher Sicht geradezu bedenklichen Personalentscheid». Überraschend setzte sich Grichting später für das Projekt eines eigenen Bistums Zürich ein. Ein kirchenpolitisches Kalkül, das ihm die Chance geboten hätte, doch noch Bischof zu werden, Bischof eines Rumpfbistums Chur.
Grichting weilt zurzeit in den Ferien. Wie er seine Zukunft sieht, ist ungewiss. Dem Bistum Chur wird er aber erhalten bleiben. Er gehört zum Bischofswahlgremium, dem Churer Domkapitel, und Domherr ist man auf Lebenszeit. Zudem hat er Einsitz in zahlreichen wichtigen kirchlichen Stiftungen. Ungewiss ist auch, ob Bischof Bonnemain Grichting als Generalvikar des ganzen Bistums ersetzen wird. Man geht davon aus, dass er wie bisher drei regionale Stellvertreter in Zürich, in der Innerschweiz und in Graubünden ernennen wird.
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