Der Ganzkörperscan, der alle Problemzonen aufdeckt
ETH und Universität Zürich zeigen, wie sich die Forschung grosse Datenmengen zunutze macht - beispielsweise mit einem Ganzkörperscanner.

Der Proband stellt sich in eine Art Umkleidekabine und schon geht's los: Vier optische Laser scannen die Testperson rundherum, bereits zwölf Sekunden später hat man ein dreidimensionales Abbild des eigenen Körpers. Der 3D-Ganzkörperscan ist eine von mehreren Technologien, die von Freitagabend bis Sonntag in den Hauptgebäuden der ETH und der Universität Zürich zu sehen sind. An diesen Tagen finden die Zürcher Wissenschaftstage Scientifica statt (siehe Kasten). Sie sind an ein breites Publikum gerichtet und drehen sich um das Thema Daten.
Gerade in der Medizin haben diese eine enorme Bedeutung, wobei das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Bestes Beispiel dafür sind die ersten Gehversuche, die das Institut für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich (IEM) mit besagtem Ganzkörperscanner macht. Der Vergleich mit einer Umkleidekabine ist dabei gar nicht so falsch: Denn die Idee, den Körper dreidimensional zu scannen, stammt ursprünglich aus der Bekleidungsindustrie, die für ihre Kollektionen massentaugliche Grössennormen eruieren wollte. «Wir haben die Methode von dort übernommen», sagt Kaspar Staub, Projektleiter am IEM.
Bald auch per Smartphone?
Staub glaubt, dass 3D-Scanner in der Medizin und verwandten Bereichen Zukunft haben. Zwar ist ein Apparat, wie ihn das IEM besitzt, in der Anschaffung noch verhältnismässig teuer. Scanner von geringerer Qualität sind aber schon heute einfach einsetzbar. Beispielsweise werden sie bereits in einigen Fitnessstudios verwendet. Ein Mitarbeiter geht dort mit einem Tablet um den Kunden herum und scannt so dessen Körper. Es ist deshalb nicht abwegig, dass künftig auch Hausärzte auf diese Methode setzen. Bis in ein paar Jahren, schätzt Staub, werde es wohl gar Anwendungen für das Smartphone geben.
Was aber bringt ein Ganzkörperscan in der Medizin? Noch lässt sich dies nicht abschliessend einschätzen, da es weltweit wenige Erfahrungen damit gibt. «Wir gehören zu den Ersten, die mit Ganzkörperscans arbeiten», sagt Staub. Gewisse Vorteile liegen allerdings schon heute auf der Hand. So lassen sich mit Hilfe der Scans Erkenntnisse über die Körperform als Ganzes sowie über die Verteilung von Fett und Muskelmasse gewinnen.
Beim Body Mass Index (BMI) dagegen, der als gängiger Indikator für Übergewichtigkeit gilt und der anhand von Körpergrösse und Gewicht berechnet wird, ist nicht ersichtlich, ob das Körpergewicht eher durch Muskeln oder durch Körperfett zustande kommt. Dies führt teils zu Fehleinschätzungen.
Dazu ein Beispiel: Zwei vom IEM gescannte Probanden mit einem BMI von 27 gelten beide als leicht übergewichtig – als normalgewichtig gilt ein Wert zwischen 20 und 25. Das dreidimensionale Abbild der Körper zeigt nun aber, dass die eine Person lediglich viel muskulöser gebaut ist als die andere. Der Scan (siehe Bild rechts) verdeutlicht dies eindrücklich: Die dritte und vierte Testperson von links haben denselben BMI – Proband vier ist aber ganz offensichtlich sportlicher als Nummer drei, der im Vergleich dazu mehr Fettanteil und weniger Muskeln hat.
Rekruten ausgeleuchtet
Interessanter als Momentaufnahmen sind aber Langzeitvergleiche. «Denn die Körperform verändert sich ein ganzes Leben lang», sagt Staub. Dank Ganzkörperscans können beispielsweise Adipositas-Patienten, also stark übergewichtige Menschen, vor und nach einem medizinischen Eingriff überwacht werden.
Aktuell führt die sogenannte Anthropometrie-Gruppe am IEM unter der Leitung von Kaspar Staub eine Studie in einer Rekrutenschule durch. Sie scannt junge Männer vor und nach der RS. Ihr Augenmerk richtet sie dabei auf die Dichte des Fussknochens, die sie zusätzlich mit Ultraschall ausmisst. Die Forscher erhoffen sich aufgrund der Daten Aufschluss über Ermüdungsbrüche während belastungsintensiven Phasen.
Gerade die Kombination anderer Methoden mit dem Ganzkörperscanner ist für die Mediziner interessant. Denn der Scanner hat zwar viele Stärken: Er erstellt aus mehreren Millionen Datenpunkten ein Abbild der Körperoberfläche, und mittels einer speziellen Software lassen sich 140 verschiedene Masse des Körpers berechnen und mit Normwerten vergleichen – beispielsweise der Bauchumfang, die Beinlänge oder das Oberschenkelvolumen.
Die Methode hat aber auch Schwächen: «Über das Körperinnere sagt sie beispielsweise nichts aus», sagt Staub. Dazu braucht es andere Befunde, etwa Blutwerte oder Magnetresonanztomographie-Aufnahmen. Künftig gilt es deshalb auch herauszufinden, welche weiteren Daten die Forscher mit jenen der Scans sinnvoll kombinieren können. «So gesehen hat Vieles noch eine experimentelle Seite», sagt Staub.
Ein bisschen experimentieren dürfen die nächsten Tage auch die Besucher der Scientifica: Sie können sich in Kleidern in das Kabäuschen stellen, das im Lichthof der Universität Zürich aufgestellt ist, und sich scannen lassen. Die 3D-Datei dürfen sie mit nach Hause nehmen – und die Bilder an den Kühlschrank heften, sofern sie hin und wieder an die Unvollkommenheit des eigenen Körpers erinnert werden möchten.
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