Kunst am Bau Der Irrgarten der Bülacher Stadtverwaltung
Bülachs Wappen hat Kerim Seiler inspiriert: Für seine vier mal vier Meter grosse Sitzgelegenheit formt er aus roten und weissen Holzbalken einen Irrgarten – und stellt diesen vor das Stadthaus. Das ist Kunst.

Eigentlich war geplant, das Kunstwerk «Farbsockel» feierlich zu enthüllen. Doch dann hat Bülach festgestellt, dass nur schon die Verhüllung der vier auf vier Meter grossen Flächensitzbank zu teuer geworden wäre. So belässt man es am Mittwoch bei einer schlichten Einweihung für die Lokalpresse. Der «Sockel» steht zwischen der Stadthalle, deren Eingangswände vor dem Einsatz als Impfzentrum gerade noch frisch angestrichen werden, und dem neuen Stadthaus, vor dem ein Lieferwagen neue Büromöbel herankarrt, damit die Verwaltung am 19. April einziehen kann.
Die Sitzbank-Kunst-Konstruktion erschaffen hat der Zürcher Kerim Seiler. Sie besteht aus ineinander verschlungenen roten und weissen Balken aus Lärchenholz. Farblich wie stilistisch ist es eine klare Reminiszenz an das Stadtwappen. Freilich erinnert dieses mit dem Abbild des Eisenrosts, auf dem Laurentius von Rom einst den Märtyrertod gestorben sein soll, an eine eher mässig gemütliche «Sitzgelegenheit». Seiler winkt ab. «Heute bedeuten diese Symbole nicht mehr das, wofür sie einmal gestanden haben.» Abgesehen davon, habe er den Rost nicht abgebildet, sondern habe sich zu einer Neuinterpretation inspirieren lassen.
«Die Gedanken sind frei»
Tatsächlich sind die Balken nicht wie im Wappen, sondern labyrinthartig angeordnet. Inzwischen haben sich einige Personen hingesetzt, plaudern, machen Pause, essen. «Es ist ein Irrgarten ohne Eingang», sagt Seiler und setzt sich ebenfalls. Wie jener Irrgarten, mit dem die Kunstrichtung des Situationismus in Holland einst das Verhältnis zwischen Innen- und Aussenräumen der Stadt thematisiert hat. Aber ist ein Irrgarten vor einer Stadtverwaltung nicht ein etwas gar gewagtes Statement? «Ein interessanter Gedanke», sagt der Künstler, «und die Gedanken sind bekanntlich frei.» – «Nun, so betrachtet, haben wir den Irrgarten dann höchstens vor dem Stadthaus und bestimmt nicht drinnen», meint Stadtpräsident Mark Eberli dazu. Er ist mit der Kreation vollauf zufrieden und froh, dass hier Kunst und Funktion vereint seien. «Beim Schlagwort Kunst am Bau denken die meisten wohl an ein Werk, das man sich anschauen kann. Wir aber konnten hier die Kunst mit dem Nützlichen verbinden.»
Für die Kunst am Bau hatte Bülach im Budget fürs Verwaltungsgebäude 81’000 Franken veranschlagt. Gemäss Beat Gmünder, Leiter Immobilien, hielten sich die Kosten für das Kunstwerk an diesen Rahmen. Ursprünglich hatte Bülach einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Die gesamte Bevölkerung konnte Vorschläge für die Gestaltung einbringen. «Zumindest hatte ich mir das so vorgestellt», sagt Eberli. Nachdem knapp 20 Vorschläge eingegangen seien, habe die Kulturkommission aber feststellen müssen, dass sich nichts «Realisierbares» darunter befand; zu teuer, zu umständlich oder schlicht nicht passend für den Platz vor einem öffentlichen Gebäude. «Schliesslich hat die Kulturkommission empfohlen, eine professionelle Jury einzusetzen, um in einem zweiten Wettbewerbsdurchgang gezielt nach Kunstschaffenden zu suchen.» Kerim Seilers Kunst ist im Unterland nicht unbekannt: 2001 hat er das Werk «Copy/Paste» auf den Verkehrskreiseln vor dem Glattzentrum kreiert.
Ketchup und Mayo
Auch er zeigt sich am Mittwoch zufrieden. «Genau so, wie das Werk hier steht, erfüllt es den Zweck, den ich mir vorgestellt habe», sagt er. «Die Kinder haben den Plausch, setzen sich hin. Als sie mich vorhin gefragt haben, was das sei, habe ich gesagt: Ketchup und Mayo – und der gelbe Zebrastreifen da drüben sind die Pommes. Jetzt macht was draus!» Dass «Ketchup und Mayo» bald zum inoffiziellen Titel des Werks werden könnte, schliesst er nicht aus.
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