Der Verlust von Amerikas Soft Power
Unter Donald Trump schwindet die weiche Macht der USA. Das amerikanische Image ist zusehends lädiert, das Ansehen leidet.

Beim ideologischen Wettstreit zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten während des Kalten Kriegs warben beide Supermächte um die Gunst der sich entwickelnden Drittweltstaaten in Afrika und Asien. Viele dieser Nationen waren zwischen 1955 und 1965 von europäischen Kolonialmächten in die Unabhängigkeit entlassen worden, nun ging es darum, welchen Weg sie wählen würden und welchen Einfluss Moskau oder Washington ausüben konnten.
Das amerikanische Image litt jedoch an den Zuständen im Süden der USA: Rassentrennung, rassistische Gewalt gegen Afroamerikaner sowie ihre Unterdrückung inklusive der Verweigerung des Wahlrechts gaben ein denkbar schlechtes Bild ab. US-Eliten war klar, dass das internationale Ansehen des Landes ein Ende der Rassentrennung sowie Bürgerrechte für schwarze Amerikaner erforderte. Nicht nur, aber auch aus diesem Grund verabschiedete der Kongress auf Druck von Präsident Lyndon Johnson 1964 und 1965 wegweisende Bürgerrechtsgesetze.
Die Präsidentschaft Donald Trumps und insbesondere die Ereignisse dieser Woche, als Trump rassistische Tweets verbreitete und seine Anhänger bei einer Wahlkampfveranstaltung in Greenville im Staat North Carolina zu rassistischen Sprechchören animierte, sind dem internationalen Ansehen der USA hingegen abträglich. Die Reputation der Vereinigten Staaten leidet, der Schaden wächst.
«Für viele Menschen rund um die Welt war es einmal mehr ein Beweis, dass ein Land, welches politisch und sozial derart kaputt ist, nicht als ein weltweiter Influencer gesehen werden kann», reagierte der aussenpolitische Experte Michael Hirsh in einem Essay im Webportal Foreign Policy auf Trumps jüngste Hasstiraden.
Die berühmten Worte des Politologen
Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass das Ansehen der USA leidet: Von klandestinen Interventionen der CIA über den Krieg in Vietnam bis hin zum Irakkrieg betrieben die Vereinigten Staaten eine Aussenpolitik, die oft auf internationalen Widerstand stiess und Imageschäden nach sich zog. Dennoch erholte sich das amerikanische Ansehen immer wieder.
Ob Hip Hop, US-Mode oder High Tech, ob US-Filme oder TV-Serien: Der Zeitgeist wurde und wird geprägt von amerikanischer Kultur und Risikofreudigkeit mitsamt der erfinderischen Kraft des Landes. Trotz aller Eskapaden bewahrte sich die Wirtschaftsmacht globalen Einfluss von einer Sorte, die der Politologe Joseph Nye 1990 als «Soft power» bezeichnet hatte. «Wenn ein Land andere Länder dazu bringt, das zu wollen, was es selbst will, dann sprechen wir von sanftem Einfluss oder ‹Soft power› im Gegensatz zu harter Macht, die anderen befiehlt, das zu tun, was man will», definierte Nye damals den Begriff.
Es wäre wohl der Abschied von einer toleranten Gesellschaft
In einem Interview mit Foreign Policy sorgt sich Nye jetzt um den Fortbestand dieser «Soft power». Wenn Donald Trump die Polarisierung der US-Gesellschaft weiter vorantreibe und die Attraktivität des Landes darunter leide, «wird eine Erholung wie nach Vietnam womöglich nicht so einfach werden», glaubt Nye. Und gewinne Trump die Wahl 2020, «werden viele Leute, die Verbündete gewesen sind und bisher ihren Atem angehalten haben, diesen Atem nicht mehr anhalten», so Nye weiter.

Der internationale Ansehensverlust für die USA liesse sich wohl kaum begrenzen, wenn Trump nach einem Wahlkampf der verbrannten Erde, bei dem Minderheiten dämonisiert und politische Gegner als «Terroristen» und «Kommunisten» beschimpft werden, im Januar 2021 neuerlich den Amtseid ablegte. Die «Soft power» der USA wäre wahrscheinlich dahin, das amerikanische Beispiel einer toleranten und pluralistischen Gesellschaft gleichfalls.
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