Läuferin mischt Marathon-Szene aufDer zukünftigen Chefin den Meister gezeigt
Samira Schnüriger vom LC Regensdorf gewann am Zürich Marathon ihren ersten Elite-Titel. Vom perfekten Rennen will sie aber nicht reden.

Gold – der erste Schweizer Meisterschafts-Titel bei der Elite. Für Samira Schnüriger, die 28-jährige Gesundheitswissenschaftlerin mit ETH-Abschluss, handelt es sich bei ihrem 4. Rang am Zürich Marathon und dem Triumph in der Meisterschaftswertung um einen Grosserfolg. Doch nur Glücksgefühle hat dieser weder unmittelbar nach dem Rennen über die legendären 42,195 km ausgelöst, noch tut er es mit der Distanz mehrerer Tage. «Der Titel bereitet Freude», sagt sie, «gleichzeitig bleibt ein schaler Beigeschmack: Der Marathon ist nicht wirklich gut aufgegangen.»
Samira Schnüriger sorgt mit ihrem Hintergrund für Aufsehen in der Marathon-Szene. Die junge Frau aus Einsiedeln stammt zwar aus einer Läuferfamilie, ihren sportlichen Ehrgeiz versuchte sie aber vorerst als Alpinskirennfahrerin zu stillen. FIS-Rennen bestritt sie, ehe sie gezielter auf ihre zweite Sparte zur Profilierung zu setzen begann: die langen Läufe. «Das war ein guter Entscheid damals zum Wechseln der Prioritäten», sagt sie heute. Für Erfolge auf den Skipisten hätte es ihr an Muskelmasse wie an Grösse gemangelt. Das wäre, so ihre Überzeugung, «nie gut gekommen».
Zu klein, zu leicht
Als Läuferin profilierte sie sich hingegen schnell. Schon in der Kategorie U-20 holte sie Meistertitel – über 5000 m auf der Bahn wie im Halbmarathon. Hinzu kam Silber im Berglauf. Und es ging weiter die Erfolgsleiter hoch. Auch bei den U-23 triumphierte sie im Marathon, im Halbmarathon und über 10’000 m. Mit dem Wechsel vom LC Meilen zum LC Regensdorf auf Anfang 2018 ging es weiter aufwärts. Im breit abgestützten Umfeld gelang es Schnüriger, sich zu entfalten. Letztes Jahr gewann sie SM-Silber im Marathon wie im Halbmarathon. Nur haarscharf verpasste sie die Qualifikation für die Europameisterschaften in München übers World Ranking.
Für den jüngsten Marathon hatte sich Samira Schnüriger gezielt vorbereitet. Regelmässig lief sie die Intervalleinheiten sowie die Longruns zusammen mit der nun auf Platz 2 verwiesenen Clubkollegin Joelle Flück. Die Kooperation mit der erfahrenen Athletin machte sich bezahlt. «Auch wenn ich im Training etwas schneller laufe als Joelle, wir ergänzen uns prima», sagt Schnüriger. Sich austauschen, schwatzen können beim Laufen, das ist wichtig.
Gegenseitiges Vertrauen
Dialoge sind oft aber gar nicht nötig. «Nur schon das Wissen, dass wir zusammen unterwegs sind, ist wertvoll», sagt Schnüriger. So war das auch am Sonntag. «Dank Joelle fühlte ich mich viel lockerer», sagt sie. Da spielte es keine Rolle, dass sie nie Seite an Seite liefen. Vielmehr baute Schnüriger auf die Unterstützung des EM-Teilnehmers von 2014, Michael Ott. Bereits im Januar hatte sie den Routinier angefragt bezüglich Zusammenlaufens. «Das war Gold wert», sagt sie nun, «ansonsten hätte ich mich rund 40 km alleine durch die Stadt und dem Seeufer entlangkämpfen müssen.»
«Es ist nicht wirklich aufgegangen.»
Eine bessere Schlusszeit als die 2:41:40 Stunden hätte sie sich gewünscht. Auf eine neue persönliche Bestmarke (bisher 2:38:45 von Ende September 2022 in Berlin) war sie angelaufen. Doch auf den letzten zehn Kilometern büsste sie zu viel Zeit ein. Ihr Kommentar: «Es ist nicht wirklich aufgegangen. Ich brachte nicht die Leistung, wie sie aufgrund des Trainings hätte herausschauen sollen.»
Eine mögliche Erklärung: Es war feucht, es wurde immer wärmer, und sie verlor zu viel Substanz. Und Begleiter Ott hatte rund 5 km vor dem Ziel aufgrund eigener Probleme aussteigen müssen. Schnüriger versuchte, den Rhythmus hochzuhalten. Das gelang zwiespältig. Auf jeden Fall vermochte sie nicht zu profitieren, als der ehemalige Ironman-Zürich-Seriensieger Ronnie Schildknecht auf und vorbei lief.
Berufliche Kooperation
Die zwiespältigen Gefühle hin oder her – Samira Schnüriger unterstrich, dass sie in den nächsten Jahren den Schweizer Marathonlauf der Frauen mitprägen dürfte. Für eine Marathon-Spezialistin ist sie noch jung – auch wenn sie seit Jahren auf den langen Distanzen unterwegs ist. Sie ist überzeugt, «dass es weiter aufwärtsgehen wird».
Und Joelle Flück zeigte sie, wer unter den beiden Clubkolleginnen den Ton angibt: Sie, Samira Schnüriger. Doch nur marathonspezifisch. Beruflich ist es genau umgekehrt. Auf nächste Woche beginnt Samira Schnüriger am OYM in Cham als Gesundheitswissenschaftlerin ihre Tätigkeit in der Ernährungsabteilung. Ihre Chefin: Joelle Flück. Neben der sportlichen Kooperation gibt es also auch eine berufliche.
Und der Vollständigkeit halber: Joelle Flück lief nach 2:46:24 Stunden als zweite Schweizerin ein. «Ich war auf Kurs zu meiner neuen Bestzeit, bis mich auf den letzten Kilometern Magenprobleme zu bremsen begannen und ich Grenzen erreichte», sagte sie. Zwischenzeitlich musste sie hinstehen, durchatmen, rülpsen. Dabei büsste sie mehr als die 45 Sekunden ein, die schliesslich zur persönlichen Bestzeit fehlten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.