Geldberater: Der Marktschrei(b)erDie Börse ist mit Kühne + Nagel zu streng
Kursverfall bei SoftwareOne +++ Clariant zeigt sich robust +++ U-Blox kämpft um Vertrauen +++ Swiss Life lockt mit Dividenden.

Kühne + Nagel: Halten
Es geht noch eine Weile, bis Detlef Trefzger seinen Hut nimmt. Seit 2013 ist er der Chef von Kühne + Nagel und hat den Logistikdienstleister erfolgreich durch Höhen und Tiefen geführt, zuletzt durch die Corona-Pandemie. Ende Juli 2022 tritt er aus privaten Gründen zurück, wie das Unternehmen vergangene Woche mitteilte. Ein Nachfolger steht auch schon bereit: Stefan Paul. Der 1969 geborene Deutsche hat viel Erfahrung in der Speditionsbranche und ist seit dem Jahr, in dem Trefzger den Chefsessel übernommen hat, in der Konzernleitung für den Landverkehr und den Vertrieb verantwortlich. Er ist mit der Unternehmenskultur also bestens vertraut. Von der Börse wurde die Nachricht mit einem Kursabschlag von rund 7 Prozent bestraft. Ich halte das für nicht angemessen, denn Kühne + Nagel hat mit der frühzeitigen Personalentscheidung einmal mehr bewiesen, dass im Unternehmen langfristig gedacht und sorgfältig geplant wird. Zudem soll Trefzger dem Unternehmen als Verwaltungsrat erhalten bleiben. Ein Kurswechsel ist daher unwahrscheinlich. Halten
SoftwareOne: Halten
Die Realität hat die IT-Resellerin SoftwareOne eingeholt. Mit einem Kurs von 19 Franken notierte die Aktie des Unternehmens nur unweit des Ausgabepreises von Oktober 2019. Damals war SoftwareOne mit hohen Erwartungen zu einem Kurs von 18.50 Franken erstmals an der Börse gestartet. Nach dem vorläufigen Hoch bei knapp 30 Franken im März 2021 ging es jedoch bergab. Seit Jahresbeginn hat der Kurs rund 30 Prozent nachgegeben, was einerseits der Sektorrotation geschuldet ist, aber auch den etwas enttäuschenden IT-Ausgaben bei Klein- und Mittelunternehmen. Von ihnen hatte sich nicht nur das Unternehmen in Folge der Pandemie mehr erhofft, sondern vor allem Anleger und Analystinnen. Ich habe zudem auch ein wenig Angst, dass SoftwareOne die Vorteile der Plattform nicht unbedingt kapitalmarkttauglich präsentiert. Möglicherweise ist SoftwareOne zu schnell gewachsen, sodass es an manchen Unternehmensstrukturen noch fehlt. Der jüngste Kursverfall erscheint mir zumindest angesichts der starken Marktposition und des bisherigen Wachstums doch etwas ungerechtfertigt. Halten
Clariant: Halten
Clariant gewinnt weiter an Leistungsvermögen. Seit einiger Zeit schon macht das Spezialchemieunternehmen gute Fortschritte und hat jüngst auch eine beachtliche Widerstandskraft an den Tag gelegt, gegen die Covid-Krise und gegen den Anstieg der Inputkosten. Aufbauend auf einem attraktiven Portfolio, soll es noch besser kommen. Am Kapitalmarkttag vergangenen Dienstag hat die erneuerte Führung Finanzziele für 2025 abgegeben: ein jährlicher Umsatzzuwachs von organisch 4 bis 6 Prozent, eine Marge von 19 bis 21 Prozent auf Basis des Betriebsgewinns vor Abschreibungen und Amortisation (Ebitda) sowie ein freier Cashflow von 40 Prozent des Ebitda. Gleichzeitig hat sie ihr Bekenntnis zum Umweltschutz bekräftigt. Ausser Zielen zur Senkung der Emissionen (Scope 1, 2 und 3) fällt darunter auch die Erhöhung der Investitionen zur Treibhausgasreduktion auf 30 Millionen Franken pro Jahr. Mir gefällt der vorgezeichnete Weg. Was mir dagegen weniger zusagt, ist die Aktienbewertung. Für mich ist sie im Vergleich mit ähnlich profitablen Branchennachbarn zu hoch. Halten
U-Blox: Verkaufen
Das Management von U-Blox hat sich vergangene Woche wieder mal von seiner optimistischen Seite gezeigt. Die Führung unter dem Chef Thomas Seiler bestätigte die Ziele für das laufende Jahr. Es sind zwar nur noch etwas mehr als vier Wochen bis zum Jahresende – diesen Sommer hat das Unternehmen allerdings auch schon das Kunststück geschafft, die Erwartungen auf Sicht von acht Wochen zu verfehlen. Der Grund: Die Auftragsbücher sind zwar heute wie damals prall gefüllt. Allerdings schafft es der Chipdesigner mit Sitz in Thalwil nicht, jeden Auftrag in Umsatz umzumünzen. Schuld daran sind in erster Linie Lieferengpässe für wichtige Komponenten, mit denen Unternehmen in vielen Branchen zu kämpfen haben. Im Grundsatz adressiert U-Blox interessante Märkte, das Internet der Dinge etwa, in dem Maschinen miteinander kommunizieren. Allerdings hat die Führung in den vergangenen Jahren so oft die Erwartungen verfehlt, dass das Vertrauen in die Prognosen geschwunden ist. Bevor es U-Blox nicht gelingt, wieder einmal positiv zu überraschen, bleiben Anlegerinnen besser an der Seitenlinie. Verkaufen
Swiss Life: Kaufen
Längst hat sich Swiss Life vom einstigen Lebensversicherer zu einem breit anbietenden Finanzproduktevermittler gewandelt, mit Betriebsteilen in der Schweiz, in Frankreich und Deutschland. Mit mehr als 17’000 Kundenberatern habe der Konzern in attraktiven europäischen Märkten eine im Konkurrenzvergleich starke Stellung, sagte Konzernchef Patrick Frost an der diesjährigen Investorentagung. Die Zahl der Beratungspersonen soll weiter steigen. Sie haben den Auftrag, Privat- und Firmenkunden – gut unterstützt von digitalen Hilfen – zu passenden Vorsorge-, Spar- und Schutzprodukten anzuleiten. Als Ergebnis sollen im Zeitraum bis 2024 die Einnahmen wesentlich zulegen. Darin einbezogen sind Honorare für Produktvermittlung, Vermögensverwaltung und für Immobiliendienste. Das Ganze soll sich in einem kräftigeren Nettogeldzufluss niederschlagen. Und davon will das Management mindestens 60 Prozent als Dividende ausschütten. Die Eigenmittel sind so reichlich, dass Swiss Life ab Dezember bis längstens Mai 2023 eigene Aktien vom Markt kauft. Das sind gute Nachrichten. Kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
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