Die Filmstars und die Hollywood-Nanny
Dutzende prominente Familien vertrauen auf die Erziehungstipps von Connie Simpson. Ihre Ansätze sind eher handfest als schickimicki.

Als ihr Telefon klingelte, dachte Connie Simpson, Matt Damon wolle ihr zum Geburtstag gratulieren. Doch der Grund des Anrufs, so erzählt sie es, war ein anderer. Der Schauspieler fragte, ob sie einem Freund helfen könne. Der erwarte Zwillinge, habe aber keine Ahnung von Babys. Der Name des Freundes: George Clooney.
Simpson sagt, sie habe seit 30 Jahren keine Bewerbung mehr geschrieben. Ihr Ruf eilt ihr voraus, die meisten nennen sie einfach nur «Nanny Connie». Sie hat für Justin Timberlake und Jessica Biel gearbeitet, sie begleitete Jessica Alba und Emily Blunt, nachdem die Kinder bekommen hatten, sie half Brooke Shields, die nach der Geburt ihres ersten Kindes an einer postpartalen Depression gelitten hatte, mit ihrem zweiten Baby. Sie ist das Kindermädchen Hollywoods.
Das Leben mit Neugeborenen und Kleinkindern ist ein Leben voller Fragen und Unsicherheiten. Schon mal ein Baby im Autokindersitz festgeschnallt? Hört sich einfach an. Aber wie genau muss jetzt der Gurt laufen? Sitzen die Träger auch richtig? Und schlenkert der kleine Kopf nicht allzu sehr hin und her? Das ist schon schwer genug, wenn man nicht prominent ist. Wenn aber Hollywood-Stars Eltern werden, kommt hinzu: Paparazzi knipsen ihre Anschnallversuche, die ganze Welt schaut ihnen beim Elternsein zu.
«Geht nicht raus, wenn das Kind müde ist»
«Meine Aufgabe ist es, diesen Eltern beizubringen, wie sie Eltern sein können wie alle anderen», sagt Simpson am Telefon. Wichtig sei es, die Stars gut auf ihre neue Rolle vorzubereiten, ihnen Selbstvertrauen zu geben: «Ich bringe ihnen bei, wie sie einen Kindersitz im Auto befestigen. Ich sage ihnen: Geht mit dem Kind nicht raus, wenn es müde ist, sondern wenn es ausgeruht ist.»
Simpsons Mutter arbeitete als Krankenschwester für die schwarze Gemeinde ihrer Heimatstadt Mobile im US-Bundestaat Alabama. Schon als kleines Mädchen begleitete Simpson sie zu ihren Hausbesuchen. Sie spricht mit Südstaatenakzent und von sich selbst gerne in der dritten Person. Sie redet laut, nach dem zweiten Satz nennt sie die Anruferin abwechselnd «Sweetheart» und «Honey». Die Kinder ihrer Kunden heissen in dem Telefonat «Little Miss Soundso». Die Eltern, bei denen sie gearbeitet hat, bezeichnet sie als ihre Söhne und Töchter.
Simpson sagt, sie lege Wert auf Authentizität. Das leitet sie aus ihrer Herkunft ab: «Wenn man ohne einen Cent in der Tasche an der Haustüre von jemandem auftaucht, aber so ist, wie man wirklich ist, dann ist das mehr wert als alles Geld und aller Reichtum.»
So viel und gerne Simpson auch über sich redet, wirklich private Details über die Hollywood-Berühmtheiten lässt sie sich nicht entlocken. Natürlich nicht. Für die berühmten Eltern und deren berühmte Kinder dürfte Simpsons Verschwiegenheit eine ebenso wichtige Kernkompetenz sein wie die Vermittlung von Anschnall- oder Wickelgrundwissen.
Bei all dem Sendungsbewusstsein überrascht es nicht, dass Simpson auch einen Erziehungsratgeber geschrieben hat, in dem sie ein paar sehr kleine Einblicke in das Leben ihrer prominenten Kunden gewährt. «The Nanny Connie Way» («Die Nanny-Connie-Methode») heisst das Buch, auf dem Cover prangt auf der Windel eines Babys der Spruch «Have No Fear», darüber ein lobendes Zitat von Jessica Biel und Justin Timberlake. Vielleicht macht das die Symbiose aus: Connie schweigt über das Privateste ihrer Kunden und bekommt im Gegenzug wohldosierte Details als Hilfe bei ihrer Selbstvermarktung als Star-Nanny.
Sechs Jahre bei der Familie Damon
Nanny Connie bietet eine Rundumversorgung: Sobald das Baby geboren wird, rufen die Eltern sie an. Sie bleibt auch mal 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, mitunter jahrelang. Matt Damon und seine Frau zum Beispiel wollten sichergehen, dass Nanny Connie verfügbar ist, falls sie sich dazu entschlössen, ein zweites Kind zu bekommen. Sie buchten Simpson nach der Geburt ihrer ersten Tochter gleich für sechs Jahre.
Simpson stellt aber auch klar, wer in der Eltern-Nanny-Beziehung die Chefin ist: «Meine Kunden suchen nicht mich aus, ich suche meine Kunden aus! Es gab einige Promi-Familien aus der ersten Reihe, denen ich abgesagt habe, weil sie sich nicht auf ihr Kind einlassen wollten», sagt die 60-Jährige. Simpson nimmt sich heraus, den Hollywood-Eltern ihre Meinung zu sagen, nicht alle sind das aus ihrem Alltag gewohnt. Sie musste, sagt sie, manchen verbieten, ihr Kind mit Spielzeug zu überschütten: «Liebe heisst manchmal auch, Nein zu sagen.» Als Matt Damons Tochter sich einen Kindercomputer wünschte, baute Nanny Connie einen mit ihr. Aus einem Karton.
Eines der Hauptthemen ihrer Arbeit ist: Normalität. Alle Babys haben die gleichen Grundbedürfnisse, unabhängig vom Status der Eltern. Vor allem den Hollywood-Müttern, für deren Karrieren das Aussehen eine grosse Rolle spielt, muss sie erst mal das Kalorienzählen abgewöhnen. «Wer stillen will, kann das Wort Diät gleich aus seinem Wortschatz streichen», schreibt Simpson in ihrem Buch.
Nach 257 Familien hörte sie auf zu zählen
Neu sind ihre Tipps nicht, das gibt sie selbst zu. «Das Wissen, wie man mit Neugeborenen umgeht, war immer da. Es war nichts falsch daran, wie die Leute früher die Dinge angegangen sind. Aber es ist irgendwann aus der Mode gekommen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, diesem althergebrachten Wissen wieder Leben einzuhauchen.»
Reich geworden ist Nanny Connie mit ihrer Arbeit nicht, sagt sie zumindest selbst. Konkret über Geld reden möchte sie aber nicht, nur so viel verrät sie: Als sie als Nanny anfing, berechnete sie 65 Dollar am Tag. Jetzt orientiere sie sich nach einem im reichen Hollywood üblichen Stundensatz. Der liege zwischen 15 und 27 Dollar, bei ihrem 24-Stunden-Job käme dabei ein Tagessatz von 360 bis 650 US-Dollar heraus: «Ich bin eher am oberen Ende der Gehaltsskala anzusiedeln», sagt Simpson.
Mittlerweile ist Simpson 60 Jahre alt. Die Zeit, die sie in verschiedenen Familien verbracht hat, komme langsam zu einem Ende, sagt sie. Wie viele Familien sie in ihrer Karriere betreut hat, weiss sie nicht. «Ich habe vor ungefähr zehn Jahren aufgehört zu zählen.» Da waren es 257 Familien, sagt sie, und fügt mit einem Lachen hinzu: «Ich habe einen Haufen Kinder.»
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