Die Gletscher im Fokus der Nagra
Um die Langzeitsicherheit eines Lagers für Atomabfälle zu gewährleisten, müssen die Erosionsprozesse der Vergangenheit dargestellt werden. Dies soll mittels einer 2D-seismischen Untersuchung geschehen, die derzeit im möglichen Standortgebiet Nördlich Lägern durchgeführt wird.

Wo dereinst ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle zu stehen kommt, ist noch unklar. In allen möglichen Standortgebieten führt die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) aufwendige Untersuchungen durch, die zum Ziel haben, den sichersten Untergrund für die strahlenden Stoffe zu finden.
Fanden vom vergangenen Herbst bis zur letzten Woche umfangreiche 3D-seismische Messungen im möglichen Standortgebiet Nördlich Lägern statt, wurden diese nun durch 2D-Messungen abgelöst. 30 Spezialisten der deutschen Firma DMT, die schon die 3D-Seismik durchgeführt hat, messen im Auftrag der Nagra hauptsächlich in Bülach, Hochfelden, Höri, Glattfelden, Stadel sowie im Wehntal und in Fisibach.
Projektleiter Thomas Spillmann geht davon aus, dass die Kampagne Mitte März abgeschlossen sein wird. Sein Hauptquartier hat der Messtrupp wie schon bei der 3D-Untersuchung in Bad Zurzach im Kanton Aargau.
«Wichtige Eckpfeiler für Beurteilung der Sicherheit»
Bei der aktuellen Messung geht es darum, die durch Gletscher ausgelösten Erosionsprozesse und tektonischen Aktivitäten der Vergangenheit zu rekonstruieren. Dazu werden Gesteinsablagerungen aus dem Quartär, dem jüngsten geologischen Zeitabschnitt betrachtet.
Dieser begann vor 2,5 Millionen Jahren und dauert noch an. «In der Vergangenheit gab es Gletschervorstösse bis ins Mittelland. Wir wissen, wo die Gletscherrinnen liegen, möchten aber mit den Messungen herausfinden, wie tief sie liegen und wie sie aufgebaut sind», erklärt Thomas Spillmann.
Die Sedimente, die sich in der Rinne, auch Tal genannt, abgelagert haben – zum Beispiel Lehm, Kies oder Sand – dienen den Experten als geologisches Archiv, das ihnen Aufschluss über die Rinnenentstehung geben kann. Die 2D-Seismik kann aber nicht alle gewünschten Informationen liefern. Um ein vollständiges Bild zu erhalten, müssen auch noch Bohrungen durchgeführt werden. Diese finden zu einem späteren Zeitpunkt statt.
Die Untersuchungen dienen dazu, die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers zu gewährleisten. Nagra-Geologe Herfried Madritsch erklärt den Zusammenhang: «Der Verlauf der Quartärrinnen wird bei der Platzierung eines geologischen Tiefenlagers berücksichtigt. Nach Möglichkeit wird den Rinnen ausgewichen.»
Das Wissen um den Tiefgang und die Entstehungsgeschichte der Rinnen fliesse ausserdem in die Herleitung von Erosionsszenarien für die Standortgebiete ein. «Diese Szenarien sind wichtige Eckpfeiler bei der Beurteilung der Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers. Sie skizzieren, wie schnell beziehungsweise wie langsam die Gesteinsschichten über einem geologischen Tiefenlager über die nächsten Millionen Jahre abgetragen werden.»
3D-Daten lassen sich nicht für aktuelle Fragestellung nutzen
Bei der 3D-Seismik wurde auf einer Fläche gemessen, um ein dreidimensionales Bild des Untergrunds zu erhalten. Die 2D-Seismik wiederum misst entlang von einzelnen Linien. Der Boden wird entsprechend als Schnitt abgebildet. Die Frage, weshalb die Daten der 3D-Untersuchung nicht für die aktuelle Fragestellung verwendet werden können, beantwortet Spillmann so: «Die 3D-Messung war ausgelegt auf grössere Tiefen, sie ist fast blind im Bereich bis 200 Meter, den wir hier abbilden wollen.»
Auch für die aktuelle Fragestellung hätte eine 3D-Messung durchgeführt werden können. «Jedoch würde der Nutzen die Kosten nicht rechtfertigen», sagt Spillmann. Bei der 2D-Messung müssen viel mehr Messpunkte vorhanden sein. So werden die Messgeräte, Geophone genannt, in Abständen von zwei bis fünf Metern in die Erde gesteckt, während es bei der 3D-Methode etwa 30 Meter waren.
Für das Erzeugen der Schwingungen wird bei 2D ein kleines Vibrationsfahrzeug eingesetzt, und es wird deutlich weniger Dynamit verwendet. Es ist zudem wichtig, einen geradlinigen Verlauf der Messlinien zu haben. Diese müssen möglichst rechtwinklig zur Gletscherrinne liegen, um die gewünschten Messergebnisse zu erhalten.
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