«Die Grünen haben grün im Namen»
Christian Levrat muss das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten seit 1919 erklären. Auf Reformen hofft er trotzdem.

Die SP gehört zusammen mit der SVP zu den grossen Verlierern dieser Wahlen (zum Ticker). Dass die SP über 2 Prozentpunkte verliert, hat niemand erwartet. Wo sehen Sie die Gründe?
Ich sehe das etwas nuancierter. So wie es aussieht, werden wir vier Sitze verlieren. Ich bin natürlich nicht zufrieden mit diesem Ergebnis. Andererseits haben wir eine massive Verstärkung des Mitte-links-Lagers, was für die nächste Legislatur ganz neue Perspektiven eröffnet. 17 Sitze gehen von rechts nach links. Ich habe also ein weinendes Auge, wenn ich meine Partei anschaue, aber ein lachendes, wenn ich an die kommende Legislatur denke.
Dennoch, historisch gesehen, ist es das schlechteste Ergebnis der SP auf nationaler Ebene seit Einführung der Proporzwahlen 1919.
Das geschieht aber in einer Wahl, in der die Partei unmittelbar links von uns 17Sitze gewinnt und die Partei unmittelbar rechts von uns 9Sitze zulegt. Dass wir da verlieren, schmerzt, aber es ist erklärbar durch diese Entwicklung. Ein Teil unserer Wähler wollte ein möglichst starkes Signal für die Umwelt geben und wählte deshalb wohl die Grünen, auch wenn wir in der Umweltpolitik ähnliche Positionen vertreten wie die Grünen. Aber die Grünen haben grün im Namen, wir nicht.
Befürchten Sie nicht, dass die SP nun das gleiche Schicksal erleidet wie die Schwesterparteien in anderen Ländern, namentlich in Deutschland? Dort verliert die SPD massiv an die Grünen.
Nein. Im Vergleich zu Deutschland stehen wir sehr gut da. Die Grünen haben 17 Sitze gewonnen, wir 4 verloren, und wir haben als Resultat nun eine massive Stärkung der Linken im Nationalrat. Denn wir sind politisch mit den Grünen praktisch deckungsgleich.
Mir ist es viel lieber, wenn ich heute unseren grünen Verbündeten gratulieren darf, als wenn ich heute einen Sieg der Rechten anerkennen müsste.
Sie wollten mit sozialpolitischen Themen punkten, etwa mit der Prämieninitiative. Laut Umfragen bereiten die hohen Krankenkassenprämien den Leuten am meisten Sorgen. Warum kommen Sie damit bei den Wählern nicht an?
Das ist etwas, das mich erstaunt hat. Wie schwierig es gewesen ist, auch in den Medien, über Gesundheitspolitik zu sprechen. Aber die grossen Reformen, die anstehen, sind sozialpolitischer Natur: Es braucht Lösungen in der Renten- und in der Gesundheitspolitik sowie beim Lohnschutz im Rahmenabkommen mit der EU. Aber es gibt auch die soziale Komponente in der Umweltpolitik, wo wir ebenfalls deckungsgleich sind mit den Grünen. Es bleibt also viel zu tun, und die Ergebnisse von heute sind aus dieser Sicht eigentlich Good News, weil das Mitte-links-Lager gestärkt wurde.
Sie hatten ja einen Marschallplan mit Milliardeninvestitionen für die Klimapolitik präsentiert. Trotzdem haben die Wähler nun die Grünen und auch die Grünliberalen massiv gestärkt. Das muss Sie doch ärgern.
Entscheidend ist, dass das Klima profitiert, es geht nicht um die Parteien. Mit dem Marschallplan zeigen wir einen konkreten Weg auf, wie wir die CO2-Emissionen in der Schweiz auf null bringen.
Hat die SP letztlich den Preis für den grünen Wahlerfolg bezahlt?
Ein bisschen schon. Aber die Grünen haben 17 Sitze zugelegt, weit mehr, als wir verloren haben. Und mir ist es viel lieber, wenn ich heute unseren grünen Verbündeten gratulieren darf, als wenn ich heute einen Sieg der Rechten anerkennen müsste.
Die eine Frage ist, ob man die rechte Bundesratsmehrheit auf Dauer halten kann, und da ist die Antwort: Nein.
Deutlicher als Regula Rytz von den Grünen stellen Sie nach dieser Wahl die Mehrheit von FDP und SVP im Bundesrat infrage. Wird die SP nunversuchen, die Grünen zu einem Angriff auf einen FDP-Bundesratssitz zu motivieren?
Meine Haltung ist die: Auf Dauer geht es nicht, dass es eine rechte Mehrheit im Bundesrat gibt, wenn es keine rechte Mehrheit im Parlament hat. Warum sollen FDP und SVP eine Mehrheit im Bundesrat haben, wenn sie sie in beiden Kammern nicht haben? Die Frage ist jedoch, wann wir dieses Problem lösen wollen.
Heisst das, der kommende Dezember ist zu früh für die Wahl eines grünen Bundesratsmitglieds?
Das werden wir sehen. Diese Diskussion muss erst noch geführt werden. Die eine Frage ist, ob man die rechte Bundesratsmehrheit auf Dauer halten kann, und da ist die Antwort: Nein. Und dann stellt sich die Frage, ob wir den Wechsel jetzt vornehmen müssen. Da lautet meine Antwort jetzt: Ich weiss es noch nicht.
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