WHO nach dem Austritt der USADie mangelnde Distanz zu China schadet ihm
Der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus muss eine Antwort auf den Rückzug der USA aus seiner Organisation finden. Seine Amtsführung ist durchaus umstritten.

Im Jahr 2017, vor seiner Wahl zum Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), setzte sich Tedros Ghebreyesus zum Ziel, die Geber-Basis der WHO vergrössern zu wollen. Das kam nicht von ungefähr: Schon damals hatte US-Präsident Donald Trump, seit nur wenigen Monaten in Amt, mit einer Reduzierung des US-Beitrags gedroht. Drei Jahre und eine Pandemie später muss Tedros Ghebreyesus eingestehen, dass es ihm nicht gelungen ist. Am Donnerstagabend kündigten die USA ihren offiziellen Rücktritt aus der WHO an. Auf Twitter reagierte Ghebreyesus mit einem Statement, kurz und knapp: «WHO together», schrieb er. Klingt hoffnungsvoll, ist aber in Wirklichkeit nicht mehr so selbstverständlich.
Tedros Ghebreyesus gehört zu jenen Menschen, die in Zeiten des Coronavirus einen schwierigen Job haben, untertrieben formuliert. Der 55-Jährige ist Generaldirektor der WHO – einer Organisation, die schon während der Ebolakrise stark kritisiert worden war und nun – auch durch die Attacke von Trump – ins Zentrum des Sturms geraten ist. Zu den Kernaufgaben der WHO gehört nämlich die Bekämpfung von Gesundheitskrisen, und diesmal ist einiges schiefgelaufen.
Fehler und Vertuschungsversuche
Zum Beispiel bei der Ausrufung der Pandemie. Kritiker bemängeln, dass die Erklärung zu spät gekommen sei, und zwar zu einem Zeitpunkt, als das Coronavirus in mehr als 100 Ländern nachgewiesen worden war. Oder beim Umgang mit China. Ghebreyesus, dessen Wahl von Peking unterstützt worden war, wird vorgeworfen, der chinesischen Regierung gegenüber zu nachgiebig gewesen zu sein – als schon klar war, dass China mit Fehlern und Vertuschungsversuchen operiert hatte. Zudem lobte die WHO Pekings Vorgehen und die angebliche Offenheit seiner Führung, Propagandabotschaften blieben hingegen unkommentiert. «Diese mangelnde Distanz zu Peking tut der WHO nicht gut», ist seitdem eine häufig zu hörende Argumentation. Immer mehr Menschen fordern nun seinen Rücktritt.
Dabei hatte Ghebreyesus seinen Posten bei der WHO als Mann des Neubeginns angetreten, wie auch seine Biografie zeigt. Er ist der erste Afrikaner, der an die Spitze der Organisation gewählt wurde, seine Kandidatur wurde von den afrikanischen Ländern stark unterstützt und seine Wahl begrüsst. Er ist der erste WHO-Chef, der nicht selber Arzt ist, sondern Biologe und Immunologe. Er ist, anders als seine Vorgängerin Margaret Chan, ein Mensch, der gern in der Öffentlichkeit steht und kommuniziert, auch in den sozialen Medien, seinem Twitterprofil folgen mehr als 1,2 Millionen Menschen.
Der Tod seines Bruders
Und vor allem: Ghebreyesus ist ein Mann, der viele der Probleme, die mit einer schlechten Gesundheitsversorgung zu tun haben, selber erlebt hat. Zum Beispiel, als er sieben Jahre alt war und den Tod des zwei Jahre jüngeren Bruders erleben musste. Sein Bruder sei an einer Krankheit gestorben, die in einem Land mit einem funktionierenden Gesundheitssystem heilbar gewesen wäre, sagt der WHO-Chef. Doch das war in seinem Heimatland nicht der Fall.
Tedros Ghebreyesus ist 1965 in Asmara geboren, das damals zu Äthiopien gehörte und heute die Hauptstadt Eritreas, eines der ärmsten Länder der Welt, ist. Die Geschichte seines Bruders erzählt er immer wieder, er sagt, das treibe ihn bis heute an, für eine bessere Gesundheitsversorgung zu kämpfen. Ghebreyesus wolle nicht akzeptieren, dass jemand sterben muss, «nur weil er arm ist».
Auch deshalb ging er in das Gesundheitswesen, studierte Biologie in Asmara, dann Immunologie in London und promovierte im Fach Öffentliches Gesundheitswesen. 2002 wurde er Gesundheitsminister in Äthiopien, viele attestierten ihm Erfolg, etwa bei dem Ausbau des Gesundheitssystems. Doch auch da erntete er Kritik, er soll Cholera-Ausbrüche verschleiert haben. Kein Wunder, dass die Medien ihn häufig als «umstrittene Figur» bezeichnen.
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