Unihockeyanerin Linn LarssonDie Physikstudentin ist kein Einstein, aber eine der besten Spielerinnen der Schweiz
Bereits mit 15 Jahren debütierte die Verteidigerin der Kloten-Dietlikon Jets in der NLA. Effizienter lässt sich eine Karriere nicht planen. Das hat auch damit zu tun, dass Linn Larsson nie zu früh zur Bushaltestelle geht.

Wenn eine waschechte Winterthurerin im Schweizer Unihockey einen schwedischen Namen trägt und noch dazu blonde Haare und blaue Augen hat, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Linn Larsson musste in ihrer Karriere immer wieder mal erklären, dass sie das Ausländerinnenkontingent ihres Vereins nicht belastet. Dass sie die gesamte Juniorinnenzeit bei den Red Ants spielte. Dass sie nicht aus dem Land der Weltmeisterinnen kommt, aber durchaus gerne mal eine WM gewinnen würde. Dass sie prima Schweizerdeutsch kann und kaum ein Wort Schwedisch spricht, obwohl ihre Mutter Madeleine Larsson gebürtige Schwedin ist.
«Es entstehen schon lustige Situationen», verrät sie. Da war beispielsweise dieser eine Schiedsrichter, der in einer NLA-Partie konsequent Englisch mit ihr sprach. «Ich musste ihm mehrmals im Dialekt antworten, bis er endlich auf Deutsch wechselte.» Heute kann ihr so was nicht mehr passieren. Obwohl erst 19 Jahre alt, hat sich Linn Larsson in der höchsten Schweizer Liga und in den Nationalteams einen Namen gemacht.
«Linn gehört für mich zu den besten Offensivverteidigerinnen der Schweiz.»
Seit dieser Saison spielt sie für die Kloten-Dietlikon Jets. Mit ihrem jungen Alter und grossen Talent steht Larsson sinnbildlich für ein Team, das mit 21.6 Jahren den tiefsten Altersschnitt der Liga aufweist und gleichzeitig zahlreiche Neo-Nationalspielerinnen in seinen Reihen hat. «Linn hat grosses Potential und gehört für mich schon jetzt zu den besten Offensivverteidigerinnen der Schweiz», sagt Jets-Trainerin Julia Suter, auch sie aus Winterthur und mit 32 eine der jüngsten NLA-Coaches.

Aktuell stehen die beiden mit Kloten-Dietlikon im Playoff-Halbfinal unter Druck. Die Titelverteidigerinnen liegen in der Best-of-7-Serie gegen Zug 1:2 zurück. Scheitern die Jets heuer vorzeitig, käme es zum ersten Superfinal seit dessen Einführung 2014, der ohne sie stattfinden würde. Doch Linn Larsson bleibt gelassen. Nach dem souveränen 5:2-Sieg am vergangenen Samstag in Spiel 3 hat sie ein rundum gutes Gefühl und ist überzeugt: «Die Serie ist wieder völlig offen.»
«Es gibt kaum etwas, das mich wütender macht als Larifari.»
Auch wenn Linn Larsson alles für ihren ersten Superfinal-Einzug tut, waren vor einem Jahr keineswegs die Titelaussichten Hauptmotiv für den Wechsel. «Ich habe schlicht neue Inputs gebraucht», sagt sie im Wissen, dass der Satz nach einer Floskel klingt. Aber besser kann sie nun einmal nicht zusammenfassen, was sie bei den Jets gesucht und gefunden hat: Professionalität, Trainingsintensität, das Selbstverständnis, zur Spitze gehören zu wollen und am wichtigsten: Effizienz. Das ist ihr Prinzip. Zu früh zur Bushaltestelle zu laufen, hält Linn Larsson für reine Zeitverschwendung. «Es gibt kaum etwas, das mich wütender macht als Larifari.»
Vom Geräteturnen im Eilzug in die U19-Nati
Mit effizient lässt sich auch ihre sportliche Karriere betiteln. 2014 konnte ein Lehrerkollege ihres Vaters sie und ihre beiden älteren Schwestern vom Geräteturnen zum Unihockey locken. Die damals 11-jährige Linn stieg bei den C-Juniorinnen der Red Ants ein und erhielt knapp drei Jahre später ein erstes Aufgebot für die regionale Auswahl. Mit 15 war sie bereits Teil des U19-Nationalteams und gab ihr Debüt in der Nationalliga A.

Als zweitbeste Playoff-Skorerin der Red Ants kam sie im vergangenen Sommer zu den Jets und fand sich flugs in der Defensive wieder. Mangels Verteidigerinnen hatte der damalige Chefcoach Thomas Appenzeller die Flügelstürmerin kurzerhand umfunktioniert. Linn Larsson machte ihre Sache so gut, dass auch U19-Coach Amos Coppe die Idee aufnahm. Sie selbst ist zufrieden mit ihrer neuen Rolle: «Als offensive Verteidigerin habe ich die Möglichkeit, mit guten Pässen direkt viel Tempo ins Spiel zu bringen.» Larsson kann es sich als brillante Technikerin leisten, den Blick stets oben zu halten. Diese Übersicht macht sie im Spielaufbau herausragend. Das sieht auch ihre aktuelle Trainerin so: «Eine Spielerin wie Linn braucht den Ball am Stock, muss mit Weitsicht etwas kreieren können.»
Drei Hirnerschütterungen hintereinander
Linn Larssons Entwicklung kennt bis anhin grundsätzlich nur eine Richtung: steil nach oben. Trotzdem lässt sich ihre Kurve nicht in einem Zuge zeichnen, dafür sorgen drei kleine Knicks. Die erste Hirnerschütterung erlitt sie mit 17, die letzte zwei Jahre später im Frühling 2022. Dabei spielte auch ihre Körpergrösse mit. Larsson ist mit 1.60 Meter klein, ihr Kopf befindet sich häufig auf Schulterhöhe der Gegenspielerin und ist dort vermehrt unerwarteten Schlägen ausgesetzt. Noch sind die Symptome nicht ganz abgeklungen. Doch dank präventiver Übungen habe sie Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten und Müdigkeit inzwischen gut im Griff, erklärt Larsson - und ist ausgesprochen froh darum. Denn ohne einen klaren Kopf könnte sie ihr Physikstudium gleich an den Nagel hängen.
«Zur Quantenphysik bekommst du im Alltag schlicht keinen Zugang. Obwohl dieses Wissen die Grundlage für so viel Faszinierendes in unserer Welt bildet.»
Punkto Ausbildung ist die Winterthurerin ebenfalls in beeindruckendem Tempo unterwegs. Noch keine 20 studiert sie bereits im vierten Semester an der ETH. «Mathe und logisches Denken waren immer meins. Das geht gut mit meinem Effizienzstreben zusammen», sagt sie schmunzelnd. Als ihr Cousin, ein Elektroingenieur, ihr nach der Matura die Physik vorschlug, dachte sie sich spontan: «Ich bin doch kein Einstein!». Doch dann habe sie es probiert und voilà: «Ich kann es einigermassen gut.» Dass sie sich mit der Quantenphysik beschäftigen darf, sieht Larsson als Privileg: «Dazu bekommst du im Alltag schlicht keinen Zugang. Obwohl dieses Wissen die Grundlage für so viel Faszinierendes in unserer Welt bildet.»
Im Sport setzt sie auf Analyse und Instinkt
Während sie im Studium gerade der Umstand begeistert, dass man mit analytischem Vorgehen auch scheinbar diffuse Phänomene berechnen und erklären kann, verlässt sie sich im Sport gerne auch auf den Instinkt. «Ansonsten werde ich am Stock zu ‹verchrampft›», begründet sie und gibt lachend zu: «Nachträglich schaue ich mir aber alle Partien nochmals im Detail an.»
Am Ende geht es Linn Larsson generell darum, möglichst effizient und geradlinig ans Ziel zu kommen – ob auf dem Weg zum Bus, im Physiklabor oder am Samstag in der nächsten Playoff-Partie gegen Zug.
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