Verkehr in BülachDie sieben Varianten einer autofreien Altstadt
Die ganze Altstadt oder nur den Kern autofrei machen? Durchgehend oder nur zeitweise? Ein Bericht zeigt jetzt die möglichen Varianten auf. Die Debatte wird folgen.

Die Bülacher Altstadt ist eine Begegnungszone. Heisst konkret: Autos, Langsamverkehr und Fussgänger teilen sich die Verkehrsfläche, es gilt generell Tempo 20 – und wer zu Fuss geht, hat Vortritt. Wie könnte man daraus eine Fussgängerzone machen? Eine Liste mit Varianten hatte der EVP-Parlamentarier Philemon Abegg im Oktober vom Stadtrat verlangt. Hintergrund davon ist die pendente Volksinitiative für eine autofreie Altstadt.
Jetzt hat die Behörde den entsprechenden Bericht vorgelegt. Das vom Stadtzürcher Büro Ernst Basler + Partner (EBP) erarbeitete Papier umfasst 15 Seiten und definiert im Wesentlichen drei unterschiedlich weit gefasste Gebiete, die sich autofrei gestalten liessen: Erstens die gesamte Altstadt. Zweitens nur der Altstadtkern, quasi ihren Nord-Süd-Durchstich via mit Markt- und Hintergasse, zwischen Goldenem Kopf und Untertor. Oder drittens ein noch enger gefasster Bereich der Markt- und Hintergasse, der nur bis zur Kappelergasse reicht (etwa drei Viertel der Marktgasse). Darüber hinaus werden drei unterschiedliche Varianten eines zeitlichen Rahmens definiert: ein komplettes Fahrverbot während 24 Stunden oder ein temporäres Fahrverbot von 11 bis 6 Uhr.
Das wurde beurteilt
Daraus leitete das Büro insgesamt sieben Fahrverbotsvarianten ab, für die es anhand unterschiedlicher Kriterien zwischen –5 und +5 Punkte verteilte. Gewertet wurde die Veränderung gegenüber der aktuellen Situation. Weniger Autos gaben Pluspunkte bei den Kriterien Sicherheit, Lärm- und Luftbelastung oder bei der Attraktivität der Altstadt als Veloroute. Aufgelöste Parkfelder gaben ein Minus bei der Erschliessung, aber ein Plus bei den dazugewonnenen Freiflächen, die etwa für ein Strassencafé genutzt werden könnten.
Beim Kriterium «Ressourcenaufwand für Umsetzung und Kontrolle» wiederum versuchte man, in Punkten zu fassen, wie komplex die jeweilige Variante ist – und wie leicht sich neue Regeln entsprechend durchsetzen lassen. Für das Kriterium «Wertschöpfungspotenzial Gewerbe» mochten die Experten übrigens keine Punkte vergeben. «Aufgrund der nicht quantifizierbaren und zudem noch gegenläufigen Effekte», wie es dazu heisst.
Der detaillierte Bericht mit sämtlichen Punktevergaben je Variante ist auf der Website der Stadt Bülach einsehbar. Den Sieg nach Punkten hätte laut Tabelle die Variante «2B» eingefahren: ein durchgehendes Fahrverbot über den gesamten Kern der Altstadt, vom Goldenen Kopf bis zum Untertor. Das Punktetotal von 15,5 Punkten ist im Bericht selbst allerdings nicht als solches ausgewiesen und würde nur gelten, wenn man alle Kriterien gleich gewichtete.
Setzte man dieses Ranking an, würden die sieben Varianten wie folgt abschliessen:
Nördlicher Altstadtkern – temporär
Plan: Ein Fahrverbot für Motorfahrzeuge gilt ab 11 Uhr bis zum Folgetag um 6 Uhr, auf Markt- und Hintergasse, zwischen Goldenem Kopf und Kappelergasse. Die Durchfahrt auf der Ost-West-Achse Rathaus-/Brunngasse bleibt hingegen erlaubt. Die Zufahrt in den untersten Teil der Marktgasse ist über die Hans-Haller-Gasse jederzeit möglich.
Punktetotal: 4,5 (Sicherheit: 1/Stadtbild: 2,5/Parkplätze: –1/Velo: 3/Lärm: 1/Freiwerdende Parkflächen: 0,5/Aufwand: –2,5).
Ganzer Altstadtkern – temporär
Plan: Das Fahrverbot für Motorfahrzeuge gilt ab 11 Uhr bis zum Folgetag um 6 Uhr, auf Markt- und Hintergasse, vom Goldenen Kopf bis hinunter zur Untergasse. Die Durchfahrt auf der Ost-West-Achse Rathaus-/Brunngasse bleibt hingegen erlaubt.
Punktetotal: 6,5 (Sicherheit: 1,5/Stadtbild: 3/Parkplätze: –2/Velo: 3,5/Lärm: 2/Freie P: 1/Aufwand: –2,5).
Ganze Altstadt – temporär
Plan: Das Fahrverbot für Motorfahrzeuge gilt ab 11 Uhr bis zum Folgetag um 6 Uhr im gesamten Altstadtperimeter.
Punktetotal: 4,5 (Sicherheit: 2,5/Stadtbild: 3/Parkplätze: –4,5/Velo: 4/Lärm: 3,5/Freie P: 1/Aufwand: –5).
Nördlicher Altstadtkern – permanent
Plan: Es gilt ein durchgehendes Fahrverbot für Motorfahrzeuge auf der Markt- und der Hintergasse sowie auf Teilen von Rathaus- und Brunngasse. Die Anlieferung wird auf den Zeitraum bis 11 Uhr morgens begrenzt. Insgesamt 20 öffentliche Parkfelder können aufgehoben werden. Die Zufahrt in den untersten Teil der Marktgasse bleibt über die Hans-Haller-Gasse jederzeit möglich.
Punktetotal: 12,5 (Sicherheit: 3/Stadtbild: 3,5/Parkplätze: –1,5/Velo: 4/Lärm: 2/Freie P: 2,5/Aufwand: –1).
Ganzer Altstadtkern – permanent
Plan: Es gilt ein durchgehendes Fahrverbot für Motorfahrzeuge auf der Markt- und der Hintergasse sowie auch auf Teilen von Rathaus- und Brunngasse. Insgesamt 20 öffentliche Parkfelder können aufgehoben werden, wodurch Raum für Nutzungen im öffentlichen Raum gewonnen wird.
Punktetotal: 15,5 (Sicherheit: 3,5/Stadtbild: 4/Parkplätze: –2,5/Velo: 4,5/Lärm: 3/Freie P: 4/Aufwand: –1).
Ganze Altstadt – permanent
Plan: Es gilt ein durchgehendes Fahrverbot für Motorfahrzeuge im gesamten Altstadtperimeter. 83 Parkfelder können aufgehoben werden, wodurch Raum für Nutzungen im öffentlichen Raum gewonnen wird.
Punktetotal: 15 (Sicherheit: 4/Stadtbild: 4,5/Parkplätze: –5/Velo: 5/Lärm: 5/Freie P: 5/Aufwand: –3,5).
Ganzer Altstadtkern – Fussgängerzone
Plan: Auf Marktgasse, Hintergasse sowie Teilen von Rathaus- und Brunngasse wird eine Fussgängerzone eingerichtet. Das Velo bleibt aber explizit erlaubt (Veloroute im kommunalen Richtplan). 30 Parkplätze werden aufgehoben.
Punktetotal: 8 (Sicherheit: 4,5/Stadtbild: 5/Parkplätze: –2,5/Velo: –4/Lärm: 3/Freie P: 4/Aufwand: –2).
«Bitte Bericht ablehnen»
Philemon Abegg hatte in seinem Postulat eigentlich gefordert, dass auch die Bevölkerung und das örtliche Gewerbe in die Erarbeitung der Varianten einbezogen werden sollen. Das aber habe sich innert der Frist für die Beantwortung als «nicht umsetzbar herausgestellt», schreibt der Stadtrat. Er bittet das Stadtparlament daher, den Bericht des Stadtrats abzulehnen und einen Ergänzungsbericht zu verlangen. Dieser würde dann die Ergebnisse der Umfrage bei den Direktbetroffenen enthalten. Die Umfrage selbst ist bereits terminiert. Sie soll zwischen dem 3. und dem 30. April stattfinden.
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