Doch kein Freispruch für Self-Scan-Ladendieb
Das Obergericht hat einen Entscheid des Bezirksgerichts Winterthur gekippt. Dieses hatte vor einem Jahr einen Mann, der zahlreiche Waren nicht gescannt hatte vom Vorsatz freigesprochen.

Das Zürcher Obergericht hat am Mittwoch einen Mann des Diebstahls schuldig gesprochen. Er hatte in einem Winterthurer Quartier-Coop Waren im Wert von rund 350 Franken nicht bezahlt. Das Bezirksgericht Winterthur hatte ihn im Mai 2018 freigesprochen, mit der Begründung dem Mann sei kein Vorsatz nachzuweisen.
Der Beschuldigte hatte ein Versehen geltend gemacht, sein Verteidiger verlangte einen Freispruch. Das Obergericht folgte nun aber den Anträgen der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Schweizer zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 100 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Eigenartige «Mischmethode»
An einem Freitagabend Mitte November 2017 ging der Mann, der in Kaderfunktion in der Versicherungsbranche arbeitet, nach Arbeitsschluss in einen Coop in der Nähe, um dort den Wochenendeinkauf für die Familie zu tätigen. Er sei schon seit einiger Zeit beruflich und privat unter Druck gestanden, dazu kam ein gesundheitliches Problem, wie er vor den Richtern sagte.
Deshalb sei er beim Einkauf abgelenkt und unkonzentriert gewesen. Er habe mit einem Self-Scanning-Gerät eingekauft, habe sich aber für eine «Mischmethode» mit zwei Taschen entschieden: In eine Tasche habe er die Waren gelegt, die er direkt eingescannt habe, in die andere jene, die er erst im Nachhinein an der Self-Check-out-Kasse habe scannen wollen.
Dabei ergab es sich - zufällig, wie er geltend machte - dass es sich bei den direkt eingescannten Waren um preisgünstige Artikel im Gesamtwert von rund 80 Franken handelte. In der anderen Tasche verstaute er teure Lebensmittel im Gesamtwert von rund 350 Franken, unter anderem 1,5 Kilo Rindsfilet.
«Das sind zu viele Zufälle»
Die beiden Taschen standen in einem Einkaufswagen, bis er die Tasche mit den teuren Waren auf die ausziehbare Ablage am Wagen stellte, wo man etwa Getränkekästen deponieren kann. Am Schluss zahlte er nur die Rechnung für die günstigen Waren. Dass der Betrag für den ganzen Einkauf viel zu gering war, sei ihm nicht aufgefallen, er habe gar nicht hingesehen, sagte der Beschuldigte.
Bevor er den Laden verlassen konnte, sprach ihn der Filialleiter an. Die Fleischverkäuferin hatte ihn informiert, nachdem ihr aufgefallen war, dass der Kunde das teure Rindsfilet nicht eingescannt hatte.
Natürlich sei diese Mischmethode «ein etwas unorthodoxes System», räumte der Verteidiger ein , strafbar sei es aber nicht. Sein Mandant sei einfach «durch den Wind» gewesen. Es handle sich aber bloss um eine Fahrlässigkeit. Es gebe keinerlei Beweis, dass er mit Vorsatz gehandelt habe.
Das sah der Staatsanwalt anders. Auf Videoaufnahmen, die am Gericht abgespielt wurden, werde deutlich, dass der Mann recht konzentriert und gezielt vorgegangen sei, dass er auch den Kassenzettel - entgegen seinen Beteuerungen - angeschaut habe. Es könne keine Rede sein von Versehen und schlichter Vergesslichkeit.
Das Gericht schloss sich dieser Argumentation an: Die Videoaufnahmen sprächen für sich. Die Erklärungsversuche seien «hanebüchen». Es seien einfach «der Zufälle zu viele» gewesen, sagte der Gerichtsvorsitzende bei der Urteilseröffnung.
Zufällig seien die preisgünstigen und die teuren Artikel in zwei verschiedenen Taschen gewesen, zufällig habe er gerade die mit den teuren Waren auf die Ablage gestellt, zufällig habe er diese ganze Tüte vergessen, zufällig habe er an der Kasse die Frage, ob alles eingescannt sei, übersehen, zufällig habe er den Rechnungsbetrag weder auf dem Kassen-Display noch auf der Quittung gesehen.
«Signalwirkung»
In einer ersten Stellungnahme nach der Urteilseröffnung sagte der Verteidiger, man sei überrascht über die Kehrtwende gegenüber der ersten Instanz. Ein Weiterzug ans Bundesgericht sei nicht ausgeschlossen.
Der Staatsanwalt erklärte sich zufrieden mit dem Urteil. Es mache bewusst «man kann erwischt werden», auch darum sei es der Anklage gegangen. Damit habe das Urteil auch eine gewisse präventive Signalwirkung. Vertrauensmissbrauch müsse sanktioniert werden.
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