Beschleunigter Waldverlust in hohen Lagen Dramatischer Verlust von Bergwäldern bedroht Artenvielfalt
Mehr als sieben Prozent der weltweiten Bergwälder sind in den letzten zwanzig Jahren verloren gegangen, wie eine neue Studie von Forschern aufzeigt.

Dass die Abholzung der Wälder weltweit ein Problem für die Bekämpfung des Klimawandels darstellt, ist seit längerem bekannt. Eine neue Studie wirft nun allerdings ein neues Licht auf die Thematik: Wissenschaftler der Universität Leeds und der chinesischen Southern University of Science and Technology fanden heraus, dass in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit 78 Millionen Hektaren Bergwald verloren gegangen sind. Das sind mehr als sieben Prozent des gesamten weltweiten Bestandes an Bergwäldern. Die Hauptursachen für den Verlust sind Abholzung, die Ausweitung der Landwirtschaft und Waldbrände.
In den Bergen leben mehr als 85 Prozent aller Vögel-, Säugetier- und Amphibienarten weltweit, sie sind daher Biodiversitäts-Hotspots. Waren diese Lebensräume wegen ihrer schweren Zugänglichkeit für die Holzindustrie lange wenig attraktiv, sind sie heute zunehmend bedroht, da der Mensch die tiefer gelegenen Waldgebiete bereits weitflächig abgeholzt oder unter Schutz gestellt hat. Auch für Felder und Plantagen werden bergige Waldflächen zunehmend gerodet.
Beschleunigter Waldverlust ab 2010
Die Forscher entdeckten durch ihre Analyse, dass die Abholzung für 42 Prozent des Verlusts der Bergwälder verantwortlich ist, Waldbrände für 29 Prozent, Brandrodung für 15 Prozent und landwirtschaftliche Aktivitäten für 10 Prozent. Sie nutzten Satellitenaufnahmen und nationale Forstdaten, um die Veränderung der Waldflächen zu bestimmen.
Die Wissenschaftler analysierten die Veränderungen der Bergwaldbestände für den Zeitraum zwischen 2001 und 2018. Die Geschwindigkeit des Waldverlusts hat sich zwischen 2010 und 2018 im Vergleich zum Zeitraum zwischen 2001 und 2009 um 50 Prozent beschleunigt. Die Ausdehnung der Landwirtschaft und die Abholzung in den Hochlandgebieten Südostasiens, unter anderem zur Holzgewinnung und zur Schaffung von Landwirtschaftsflächen und Plantagen, erwiesen sich als eine der Hauptursachen. Während des Untersuchungszeitraums wurde mehr als die Hälfte des weltweiten Waldverlusts in Asien registriert. Die Bergwälder der gemässigten Klimazonen in Nordamerika und Europa werden vor allem zur Gewinnung von Holz gerodet.



Tropische Bergwälder besonders betroffen
Von der Waldzerstörung in den Berggebieten sind die artenreichen tropischen Wälder am meisten betroffen: Der Verlust an tropischen Bergwäldern macht mit 32,9 Millionen Hektaren 42 Prozent des weltweiten Waldverlustes in gebirgigem Terrain aus. Dies ist wegen der hier hohen Artenvielfalt besonders einschneidend. Hinzu kommt der Druck der Klimaerwärmung.
Die Klimakrise setzt den Bergwildtieren und -pflanzen zusätzlich zu, da die höheren Temperaturen gewisse Arten dazu zwingt, in noch höher gelegene Gebiete zu migrieren. Dadurch fehlt ihnen im schlimmsten Fall der geeignete Lebensraum, und sie verschwinden, ein Prozess, der darum auch «Rolltreppe zum Aussterben» genannt wird, wie der «Guardian» zur Studie schreibt.
Als Lösung des Problems schlagen die Forscher die Schaffung von mehr Schutzgebieten in den Bergwäldern mit besonders hoher Artenvielfalt vor: «Wir müssen die Integrität der Wälder auf ausreichend grosser Fläche bewahren, um den migrierenden Arten genug Raum für dieses Ausweichen zu geben», wie die Autorinnen der Studie schreiben.

Bergwälder in der Schweiz nicht rückläufig
In der Schweiz sieht die Entwicklung anders aus, wie die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) auf Anfrage mitteilt. In den dünn besiedelten Alpenregionen hat die Waldfläche in den letzten drei Jahrzehnten sogar zugenommen, insbesondere auf der Alpensüdseite. Dieser Trend ist an die Aufgabe von Alpweiden gekoppelt, die sonst von Kühen, Schafen oder Ziegen von Baumwuchs freigehalten wurden.
Hinzu kommt laut der WSL die Problematik, dass die Wälder in hohen Lagen aus finanziellen Gründen weniger gepflegt werden, unter anderem wegen fehlender Waldstrassen. Die Bergwälder werden dadurch zu dicht, und es wachsen zu wenige junge Bäume nach, was die Wälder gegen Stürme und Schädlingsbefall weniger widerstandsfähig macht. Eine bessere Pflege der wenig bewirtschafteten Bergwälder sei deshalb in Zukunft von zentraler Bedeutung, da 40 Prozent der Schweizer Waldfläche Schutzwälder seien und Funktionen gegen Naturgefahren wie Steinschlag, Lawinen und Murgänge erfüllten. Viele seltene Tier- und Pflanzenarten benötigten zudem hellere und daher jüngere Wälder, als wir derzeit hätten, so zum Beispiel das Auerhuhn.


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