Geldberater: Der Marktschrei(b)erDufry ersehnt den Take-off im Flughafengeschäft
SGS legt die Messlatte noch höher +++ Ypsomed-Aktien sollen jetzt in die Gänge kommen +++ Dottikon und Interroll geben schon ordentlich Gas

Dufry: Halten
Vor rund fünf Monaten schrieb ich an dieser Stelle, die Aktien des Airport-Retailers Dufry stünden vor einem Realitätscheck. Nun, sie haben ihn höchstens teilweise bestanden. Der Aktienkurs steht wieder dort, wo er das Jahr begonnen hat. Die jüngsten Geschäftszahlen zeigen, dass die Reiselust noch lange nicht zurück auf Vorkrisenniveau ist. Erst 2023 oder 2024, je nach Schätzung, sollen wieder gleich viele Passagiere in ein Flugzeug steigen wie vor der Pandemie. Besonders schwach ist das Geschäft derzeit an den Flughäfen und überhaupt im Duty-free-Segment. Das sind keine guten Vorzeichen für den Jahresverlauf. Wenn nun die Sommerreisezeit beginnt und vielerorts die Impfprogramme voranschreiten, klingelts zwar wieder bei Dufry in der Kasse. Aber die Aktien nehmen das zu einem grossen Teil schon vorweg. Positiv ist, dass die Existenz des Konzerns dank zahlreicher Finanzmassnahmen gesichert ist und China künftig mehr Gewicht erhält. Ich rechne für die nächsten Monate mit einem volatilen Seitwärtstrend.
SGS: Kaufen
Der Prüfkonzern SGS setzt seine Vorwärtsstrategie fort. Die an einem Investorentag präsentierten Mittelfristziele versprechen eine Beschleunigung. Für den Zeitraum bis 2023 erwartet der Konzern ein Umsatzwachstum pro Jahr im hohen einstelligen Prozentbereich. Damit legt SGS die Messlatte hoch, betrug das Wachstum in den letzten fünf Jahren doch nur 2018 mehr als 5 Prozent. Gleichzeitig will SGS das bereinigte operative Ergebnis um mehr als 10 Prozent pro Jahr steigern. Auf ein konkretes Margenziel wird zwar verzichtet, das Plus im Betriebsergebnis impliziert jedoch eine Margenausweitung. Untermauert werden die Ziele von einer starken Leistung seit Anfang Jahr. Der Umsatz stieg bis April 15 Prozent. Bei den wichtigsten Mitbewerbern Bureau Veritas und Intertek war der Aufholeffekt gegenüber 2020 geringer. Insgesamt hat SGS überzeugende Argumente für die weitere Entwicklung vorgelegt. Die Ziele sind ambitioniert, doch hat das Management die Vorarbeit geleistet, und dank starkem freiem Cashflow sind die Mittel für den Ausbau der Marktführerschaft vorhanden. Ich erhalte meine Einschätzung zu den Aktien deshalb aufrecht.
Dottikon ES: Dosiert kaufen
Dottikon ES hat sich vom Nachzügler zum profitabelsten der drei kotierten, klassischen Schweizer Pharmaauftragsfertiger gemausert. Im Ende März abgelaufenen Geschäftsjahr hat die operative Gewinnmarge (Ebitda) noch einmal einen grossen Sprung auf 36,4 Prozent gemacht. Umsatz und Gewinn lagen höher, als es die meisten Beobachter erwartet hatten. Dottikon stellt wie Lonza und Siegfried oft die Hauptwirkstoffe von Medikamenten her. Immer mehr pharmazeutische Produkte werden weltweit entwickelt. Der Anteil kleiner Biotechunternehmen wächst beständig. Sie wollen sich meist keine kostspieligen eigenen Produktionsanlagen leisten und setzen auf Auftragsfertiger. Dottikon antizipiert hohes Wachstum und will bis 2027 rund 600 Millionen Franken in neue Produktionskapazitäten stecken. Der Aktienkurs antizipiert schon viel Positives, er hat sich in eineinhalb Jahren fast vervierfacht. Rückschläge sind wie Schwankungen im Geschäftsverlauf natürlich möglich. Grundsätzlich gilt das Pharmageschäft aber als stabil. Für langfristig denkende Anleger sollte sich eine Investition lohnen.
Ypsomed: Kaufen
Die neusten Zahlen von Ypsomed zeigen, dass das Medizintechnikunternehmen eine längere Übergangsphase durchstehen muss. Zwar stieg der Umsatz im Geschäftsjahr 2020/21 zum ersten Mal nach zwei Jahren wieder. Doch die Profitabilität litt unter Corona und der mangelnden Grösse im Geschäft mit Insulinpumpen für Diabetespatienten. Die Pumpen verursachten erneut einen hohen Betriebsverlust. Gut, dass das Familienunternehmen noch andere Pfeile im Köcher hat. Mit Injektionssystemen verdient Ypsomed satte Gewinnmargen. Fast alle grossen Pharmakonzerne zählen zu den Kunden. Der Umsatz wächst 20 Prozent pro Jahr. Im Diabetesgeschäft hingegen wird es dauern, bis die Gewinnschwelle erreicht wird. Immerhin ist Hoffnung angesagt, dass es mittelfristig klappt. Ab 2023 ist mit namhaften Einnahmen in den USA zu rechnen. Als Vertriebspartner konnte der Pharmakonzern Eli Lilly gewonnen werden. Die teure Marktbearbeitung kann sich Ypsomed sparen. So bin ich zuversichtlich, dass das Medtech-Unternehmen den Betriebsgewinn bis in drei Jahren von 10 auf 100 Millionen Franken steigern wird.
Interroll: Kaufen
Die Lagerlogistikerin Interroll hat mich mit ihrer positiven Gewinnwarnung nicht überrascht. Schon im März bei der Präsentation des Ergebnisses für 2020 hiess es, der Start ins neue Jahr sei gut gelungen. Viele der Projekte, die von Kunden infolge der Pandemie ausgesetzt worden waren, würden nun realisiert. Der Auftragseingang liege deutlich über dem Vorjahr. Mithin waren die Erwartungen für das erste Halbjahr schon vor dem nun in Aussicht gestellten deutlichen Wachstum von Umsatz und Profitabilität hoch. Den Einwand, das erste Halbjahr 2020 sei pandemiebedingt sehr schwach gewesen und allein deshalb sei nichts anderes als Wachstum zu erwarten, lasse ich nicht gelten. Denn die Wachstumstreiber wie Onlinehandel und Automatisierung von Materialflüssen sind unverändert kräftig, und Interroll hat sich mit neuen Kapazitäten auf die Fortsetzung ihres Erfolgs gut vorbereitet. Die Valoren haben in den vergangenen zwölf Monaten fast 70 Prozent zugelegt und sind teuer. Ein Blick in die Historie zeigt, dass sich ein Engagement beim Technologieführer mit etwas Geduld immer gelohnt hat.
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch.
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