Ein Kulturhaus gegen die Verblödung
Ein Rundgang durch die neue Kulturstätte in Zürich. Das Kulturhaus Kosmos an der Ecke Langstrasse/Europaallee vereint Bühne, Bücher und Filme unter einem Dach vereint.
Nach dem Urknall entstand der Kosmos. Und vorher? Da wurde noch gesägt und gehämmert. Zumindest in Zürich, wo derzeit das brandneue Kulturhaus Kosmos an der Ecke Langstrasse/Europaallee den letzten Schliff erhält. Diesen Samstag, am 2. September, ist die grosse Eröffnung, nach siebenjähriger Planungs- und Bauzeit.Und in diesem Kosmos gibt es allerlei zu entdecken, wie beim rege besuchten Medienrundgang gestern ersichtlich wurde. Das mittlere von drei Stockwerken beherbergt ein Bistro, eine Bar sowie eine Lounge mit lila Teppich, auf der an Wochenenden das Tanzbein geschwungen werden kann. Im oberen Stockwerk befinden sich ein Café und ein grosser Buchsalon, in dem ein kleineres Gestell augenzwinkernd auch Literatur über Astrophysik anbietet.
Verbunden werden die beiden Stockwerke durch das Herzstück des Kosmos: das Forum, eine breite Holztribüne, die für Lesungen genutzt werden soll (zugesagt haben bereits Autoren wie Arundhati Roy, Melinda Nadj Abonji und Sven Regener), aber auch für eine wöchentlich stattfindende Diskussionsreihe unter dem Schlagwort «Kosmopolitics». «Das Kosmos soll in Zeiten von trumpscher Verblödung ein Gegenpol sein», bringt Kosmos-Mitinitiant und Sphères-Gründer Bruno Deckert das Konzept auf den Punkt.
Viel, viel Platz
Und weil ja niemand von sich selbst glaubt, blöde zu sein, bietet das Kosmos glücklicherweise auch Platz für sehr viele Menschen. Die Gesamtfläche des Kulturhauses erstreckt sich über 4719 Quadratmeter, alle Räumlichkeiten sind grosszügig geschnitten, die Treppen und Durchgänge so verteilt, dass man gut aneinander vorbeikommen sollte.
Im untersten der drei Stockwerke kommen dann die Cineasten auf ihre Kosten: sechs Kinosäle bieten auf goldenen Sitzen über 800 Zuschauern Platz. Auf dem Programm wird ein Mix zwischen Arthouse-Filmen und gehobenem Mainstream stehen, heisst es. Im September gibt es beispielsweise «The Voyage of Time» zu sehen, Terrence Malicks Dokumentation über, genau, die Entstehung des Kosmos.
«Wir stellen Ansprüche. Wir sagen: Bei uns geht es gescheit zu und her.»
Heutzutage würden derart viele Filme veröffentlicht, dass sich diese gegenseitig aus den Kinos drängen, sagt der andere Initiant des Kosmos, der Zürcher Filmemacher Samir. Er war deshalb überzeugt: «Es braucht mehr Leinwände in Zürich.» Bei den nahe gelegenen Kinos Riffraff und Houdini dürfte die neue Konkurrenz derweil wenig Begeisterung ausgelöst haben. «Wir glauben fest daran, dass wir niemandem etwas wegnehmen, sondern einen Mehrwert bieten», sagt Samir. Wenn das Kosmos mehr Menschen in die Gegend locke, würden auch die umliegenden Anbieter davon profitieren. Der 62-jährige Filmemacher spricht von einer Aufwertung des Kinomarkts.
Samir und Deckert sei aber von Anfang an klar gewesen, dass das Kosmos mehr sein muss: ein Ort der Begegnung, den es so in Zürich noch nicht gibt. «Die Stadt ist in den letzten zwanzig Jahren derart gewachsen, dass das Bedürfnis nach einem solchen Ort gestiegen ist», glaubt Samir und beschreibt diesen Ort als «Treffpunkt der urbanen, gebildeten Mittelschicht, die hier kulturelle Angebote in ihrer ganzen Diversität erleben kann».
Spontaner Entscheid möglich
Diese Rechnung könnte aufgehen, schliesslich sind es sich Menschen im Zeitalter von On-Demand-Angeboten zunehmend gewohnt, alles jederzeit in Griffnähe zu haben. «Im Kosmos kannst du für eine Lesung herkommen und dich spontan für einen Film umentscheiden», sagt Samir. Praktisch: Die Tickets gibt es an jeder Theke. Wer Lust hat, kann also beim Barista spontan auch seinen Sitzplatz für «Star Wars» beziehen.
Andererseits: Könnte diese Flut an Möglichkeiten das Profil des Kosmos verwässern? Samir hat keine solchen Bedenken. «Wir stellen Ansprüche. Wir sagen: Bei uns geht es gescheit zu und her. Wir wollen ein Ort des gescheiten Austausches sein. Und wenn dir das nicht passt: auch okay.» Der Filmemacher lacht. «Aber bei uns kann man sich auch einsam in einer Ecke besaufen.»
Das dürfte nicht nötig sein. Die Leidenschaft, mit der Samir und Bruno Deckert über ihre real gewordene Vision sprechen, ist derart ansteckend, dass wir uns bereits ausmalen, wie wir mit einem Glas Wein und einer guten Lektüre im oberen Stock verweilen, bevor es uns zur Lesung, Debatte oder zum nächsten Film zieht. Im Gepäck: ein Schlafsack.
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