Rekordtemperatur 36,9 GradEin Wochenende der Supersonnentage
Temperaturrekorde, tropische Nächte, Badetote: Die Hitze treibt die Menschen nach draussen. Nun wird es kühler. Aber nur langsam.

Gersau ist ein liebliches Dörfchen mit mildem Klima. Darum wird das Örtchen auch Riviera am Vierwaldstättersee genannt. Palmen wachsen dort, Edelkastanien auch. Die Rigi und der See schützen vor kühlem Wind. Ein Träumchen, sagen die Einheimischen. Gewöhnlich.
Am Sonntag um 4.20 Uhr hätten sie sich gegen etwas kühlen Wind nicht gewehrt. Rivieramässige 28 Grad zeigt das Thermometer frühmorgens in Gersau SZ an. Unter den vielen tropischen Nächten in der Schweiz erleben die Gersauerinnen und Gersauer die tropischste von allen. Es ist – wenn man so will – der fulminante Abschluss eines Supersonnensamstags (SSS), der dann abgelöst wird von einem noch heisseren Supersonnensonntag (auch SSS). Die Sonne, diese permanent explodierende Wasserstoffbombe, brennt und brennt.
Tropennächte sind Rampen für Temperaturrekorde, und bei so viel SSS ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie fallen. Das Wetter ist gewöhnlich eine Randnotiz ausgewogener Nachrichten, nun ist es die Nachricht. Felix Blumer, Wetterlegende bei SRF, analysiert gekonnt und differenziert: «Wir befinden uns im Maximalbereich der aktuellen Hitzewelle.»
Hier eine kurze Zusammenfassung im Feld der Rekorde. Neuenburg: 36,5 Grad. Payerne VD: 34,9 Grad. Delsberg JU: 35 Grad. Tänikon TG: 34,1 Grad. Die bisherigen Juni-Höchstwerte: pulverisiert. Am heissesten war es am ganzen Wochenende in Beznau AG mit 36,9 Grad am Sonntag. Ein Rekord. Nur 1947 war es im Juni in Basel gleich warm. Der Schweizer Allzeithöchstwert stammt im Übrigen aus dem August des Jahres 2003, Grono GR, 41,5 Grad, Nordföhn, sauheiss.
44 Grad in Spanien
Wobei, im Gegensatz zu Spanien und Frankreich wirkt das fast schon wieder moderat. Im spanischen Andujar registrierte man am Wochenende 44,2 Grad. Im französischen Biarritz 42,9 Grad. «Eine wirkliche Ausnahmesituation», kommentiert Météo France. Und wenn man Klimatologen zuhört, soll diese Ausnahmesituation in den kommenden Jahren normal werden. Hitzetage und -perioden werden sich wegen des Klimawandels häufen. (Hier zum Hintergrund)

Es ist heiss, es ist trocken. Es ist das Wochenende der Freibäder, der Bierstände und der Eisverkäufer. Die Nullgradgrenze liegt übrigens auf 4300 Metern. Und es braucht mancherorts schon ein bewundernswertes (oder bedenkenswertes) Mass an Leidenskraft, um der Leidenschaft zu frönen.
Etwa am Ironman in Rapperswil. Der Anlass lud ein zu 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Velofahren und 21 Kilometer Laufen. Über 2500 taten sich die Kilometer an. Oder am Luzerner Musikfest: Dort marschierten sie in Vestons aus allwettertauglichem Stoff, mit Krawatten und der Tuba auf den Schultern die Parademarschstrecke ab.

Und erwähnenswert ist auch das Zentralschweizer Jodlerfest. 40’000 Menschen trafen sich in Andermatt, um zu jodeln, Fahnen zu schwingen und einen durchzugeben. Draussen und drinnen, «vor vollen Rängen», wie die Organisatoren mitteilten.
Angesichts der latenten Aktualität: Jodeln und Corona – da war doch was? Ein ähnlicher Anlass wurde in Schwyz vor eineinhalb Jahren zum Superspreader-Ereignis. (Hier zum Hintergrund)

Die Hitze drängt die Menschen nach draussen, sie legen ihre Bäuche unter die Sonne und gehen ins Wasser. Zustandsbericht der Badis: «Zum Bersten voll.» «Am Anschlag.» Das Berner Marzili registrierte rund 15’000 Leute pro Tag, das Zürcher Mythenquai geschätzte 10’000. Nicht immer geht das gut. Mindestens 6 Menschen verlieren ihr Leben im Wasser am Wochenende.
Die kommenden Tage werden, uff, kühler. Doch erst nur minim. Gegen Ende Woche pendelt sich die Temperatur bei 24 Grad ein. Im Fachjargon: Es bleibt schwül-warm.
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