Kompost-Verbot in Oberglatt«Eine Minderheit entsorgt Plastiksäcke voller Müll im Kompost»
In Oberglatt müssen Speisereste im Kehricht entsorgt werden. Bei Biomasse Suisse sorgt das für Stirnrunzeln. Präsidentin Barbara Schaffner sagt, weshalb.

Frau Schaffner, wie viele Leute werfen eigentlich Plastik in den Kompost?
Vorweg vielleicht eine Differenzierung: Ich glaube nicht, dass die Leute viel Plastik direkt in den eigenen Komposter werfen. Dafür ist die Sensibilität hoffentlich vorhanden. Bei der öffentlichen Grüngutabfuhr fehlt diese aber leider oft. Wir haben keine exakten Daten zu der Anzahl Abfallsünder. Wir schätzen aber, dass aus rund 5 Prozent der Haushalte wissentlich oder unwissentlich signifikante Mengen an Plastik im Grüngut landen. Es ist aber auf jeden Fall eine Minderheit. Dass mal ein Früchtekleber oder ein Bierdeckel versehentlich in den Grünabfall gelangt, kann allen passieren. Eine Minderheit entsorgt jedoch ganze mit Müll gefüllte Plastiksäcke im Grüngut. Diese Minderheit schadet der Gesellschaft und der Umwelt immens.
Sind die kleinen Aufkleber wie «Bio» oder «Demeter» auf Produkten überhaupt ein Problem, wenn sie vor dem Kompostieren nicht entfernt werden?
Ja definitiv. Diese sind sehr klein und können dadurch weder manuell noch durch Sieben entfernt werden. Ich habe gerade kürzlich im Nationalrat eine Anfrage eingereicht, ob ein Verbot von plastikbasierten Klebern möglich wäre. Die Antwort fiel positiv aus. Nun versucht Biomasse Suisse, mit den Grossverteilern eine freiwillige Lösung zu finden, um Plastikkleber aus den Früchte- und Gemüseregalen zu verbannen.
Darüber hinaus werden bei Grossverteilern Früchte und Gemüse oft in Plastik eingepackt verkauft.
Das ist eines der grössten Probleme und doppelt ärgerlich, wenn damit Food-Waste verbunden ist. Das heisst, Gemüse und Früchte landen wegen Nichtgebrauchs, einzelnen verdorbenen Teilen oder auch nur Flecken inklusive Verpackung im Grüngut. Problematisch ist jedoch auch das Nutzen falscher Gebinde für das Wegwerfen von Rüst- und Speiseresten. Also wenn zum Beispiel Plastiksäcke benutzt werden, die oft nicht oder nur schlecht kompostierbar sind. Es ist Biomasse Suisse ein grosses Anliegen, dass möglichst wiederverwertbare Gebinde verwendet werden – sei es im Haushalt oder bei den Grossverteilern.
Was auch immer die genaue Ursache des Problems war – in Oberglatt war die Reaktion, dass Speisereste jetzt im Kehricht entsorgt werden müssen. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Es sieht für uns eher nach einer Verzweiflungstat aus. Es braucht andere Lösungen. Die Faktoren, welche die Fremdstoffe im Grüngut beeinflussen, sind bekannt und sollten für Oberglatt analysiert werden. Etwa die Art des Sammelsystems, also ob es ein Hol- oder Bringprinzip ist, ob es ein Gebührensystem ist, die Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur sowie Standorte und Zugänglichkeit der Grüngutcontainer. Wichtig sind die Öffentlichkeitsarbeit und die Nutzung technischer Hilfsmittel. Etwa gechipte Container, zu denen nur Berechtigte Zugang haben, und Detektion von Fremdstoffen. Biomasse Suisse berät die Gemeinden gerne und setzt sich kompromisslos für geschlossene Nährstoffkreisläufe und das Zurückführen von Kompost und Vergärungsprodukten von einwandfreier Qualität auf landwirtschaftliche Böden ein.
Wie sieht es mit Bussen aus?
Ein differenziertes Gebührensystem, das «Fremdstoffsünder» zur Kasse bittet, ist sinnvoll und auf der bestehenden Gesetzesgrundlage möglich. Die praktische Umsetzung ist aber nicht einfach. Damit eine Wirkung erzielt wird, müssten die direkten Verursacher ausfindig gemacht und gebüsst werden. In Überbauungen werden Bussen oft von den Verwaltungen gezahlt, ohne dass es die Mietenden mitbekommen. Eine ähnliche Wirkung wie eine Busse hat das Stehenlassen der Grüngutcontainer. Der Inhalt muss dann auf Kosten der Besitzer in der Kehrichtverbrennung entsorgt werden müssen.
Gäbe es andere Möglichkeiten als das Kompost-Verbot, wie es jetzt in Oberglatt gilt?
Biomasse Suisse ist sich bewusst, dass das eine schwierige Thematik ist. Kampagnen wie Flyer, Kleber auf den Containern, kostenlose Führungen für Quartiervereine und Schulen, Hinweise im Abfallkalender und so weiter haben erfahrungsgemäss nur kleine Auswirkungen auf die Qualität des Grüngutes erzielt. Trotzdem erachten wir das als notwendige Massnahmen, damit die Sensibilität mindestens nicht abnimmt. Es gibt auch technische Möglichkeiten wie abschliessbare Bereiche für die Grüngutsammlung oder Analysen der Grüngutqualität im Sammelwagen. Die Qualitätsanalyse würde dann zu höheren Gebühren oder einer Rückweisung des Sammelgutes führen. Eine Robotersortieranlage oder Ähnliches ist aus technischen und vor allem finanziellen Gründen nicht möglich.
Was würde verloren gehen, wenn keine Speisereste mehr kompostiert werden dürften?
Wir gehen davon, dass rund 5 bis 10 Prozent Speisereste inklusive Rüstabfälle im Grüngut sind. Neben den Nährstoffen, die den Humusaufbau und die Bodenfruchtbarkeit verbessern, geht mit ihnen auch ein wertvoller Biogaserzeuger verloren – insbesondere, da Küchenabfälle einen höheren Energiegehalt als anderes Grüngut haben.
Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich in einem Mehrfamilienhaus im zweiten Stock mit kleinem Balkon wohne, meine Speisereste aber nicht im Kehricht entsorgen will?
Ich habe mich kürzlich ein wenig mit Wurmkompostsystemen befasst. Da gibt es auch kleine Modelle, die auf jeden Balkon passen. Praktische Erfahrungen damit habe ich aber selber keine gemacht. Sonst sind je nach Wohnform oder Umgebung Gemeinschaftskompostanlagen oder der Kompost des Nachbarn denkbar. Aber Achtung: Nicht alle Speisereste eignen sich für einen Gartenkompost! Teigwaren, Fleisch und mehr gehören dort nicht rein. Eine andere Alternative: Die Hausverwaltung bestellt beim Entsorger einen Gemeinschaftscontainer für Speisereste und Rüstabfälle auf eigene Rechnung.
Die Rede war bis jetzt nur von Plastik. Welches sind die am weitesten verbreiteten anderen problematischen Fremdstoffe im Kompost?
Plastik ist der am weitesten verbreitete und problematischste Fremdstoff. Weiter sind Aluminium, PET und Eisen schädliche Fremdstoffe im Grüngut.
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