Motocross: Jeremy Seewer«Es war wirklich eine harte Saison»
Für Jeremy Seewer ist die Saison in der höchsten WM-Serie MX-GP zu Ende. Nach schweren gesundheitlichen Problemen ging es zuletzt bergauf, sodass dem Bülacher noch zum 4. Gesamtrang reichte.

Gesundheitlich geht es mir mittlerweile wieder sehr gut. Ich bin wirklich happy, dass wir das Problem trotz einer sehr harten Saison gut in den Griff bekommen haben. Es geht immer noch aufwärts, und das ist sehr erfreulich. Heute kann ich sagen, dass alles wieder gut kommt und alles seine Gründe hatte. Das ist auch gut zu wissen.
Würden Sie jetzt, da Sie endlich wieder fit und ganz vorne mitgefahren sind, eigentlich am liebsten weiter Rennen bestreiten – oder sind Sie doch froh, dass diese komplizierte Saison vorbei ist, Sie jetzt endlich einmal durchschnaufen können, und dann gezielt fürs nächste Jahr aufbauen?
Ja, das ist wirklich 50-50. Einerseits könnte ich sagen, noch einmal fünf Rennen wären gut, weil ich jetzt wirklich fit bin und es bergauf geht. Aber andererseits bin ich auch echt froh, dass es fertig ist. Es war wirklich eine harte Saison. Jetzt erst einmal durchatmen und dann den vollen Fokus aufs nächste Jahr zu legen, ist auch schön. Die Saisonpause wird diesmal sehr wahrscheinlich ziemlich kurz ausfallen, nächstes Jahr soll es schon Ende Februar/Anfang März wieder losgehen. Auch das ist gut – so kann ich die gute Form von jetzt ins nächste Jahr übertragen.
In den letzten vier Saisonrennen der beiden Grand Prix in Mantua haben Sie in der WM-Gesamtwertung ja noch zwei Plätze gutgemacht und dieses schwierige Jahr als viertbester Fahrer der höchsten Motocross-Kategorie beendet. Ein versöhnlicher Schlusspunkt – und Motivationsschub für die Winterpause?
Auf jeden Fall, ja. Trotz alledem als Vierter die Saison abzuschliessen und vor allem in den letzten fünf, sechs GPs noch einmal ganz vorne mitzufahren, ist natürlich eine sehr grosse Motivation. Nach meinem langen Tief doch noch in einem Hoch abzuschliessen, ist auch für den Kopf, für den Glauben an mich mit Blick aufs nächste Jahr nur positiv.

Nach dem Tiefpunkt am zweiten GP in der Türkei haben Sie sich resultatmässig stetig verbessert. Haben Sie auch gesundheitlich seit jenen Tagen im September keine Rückschläge mehr erlebt? Wenn ja, gibt es eine Erklärung dafür, etwa ein bestimmtes Medikament, das von da an gewirkt hat, oder eine Ernährungsumstellung?
Ich glaube, da ist alles ein wenig zusammengekommen. Der zweite GP in der Türkei war wirklich der Tiefpunkt, körperlich und mental. Genau zu dem Zeitpunkt haben wir aber Lösungen gesucht – und gefunden. Am Tag nach der Rückkehr aus der Türkei habe ich angefangen, ein anderes Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen. Von da an ist es wirklich nur noch aufwärts gegangen. Auch die Medikamente haben gewirkt. Auf der anderen Seite hat einfach auch die Zeit geholfen. Mein Immunsystem hatte ja ein regelrechtes Burn-Out, und es hat seine Zeit gebraucht. Das war damals der Wendepunkt. Wenn es danach so weitergegangen wäre wie in der Türkei, dann hätte ich sicher daran gedacht, ein paar Rennen zu pausieren oder die Saison abzubrechen. So aber haben wir die Wende im letzten Moment geschafft.
Könnten die Komplikationen infolge der Covid-19-Erkankung und des Pfeifferschen Drüsenfieber auch mit der Lungenentzündung zusammenhängen, die Sie 2019 kurze Zeit vor dem Saisonstart ausgebremst hatte?
Ich denke, damit hat es nichts zu tun. Vielmehr hatte ich Ende letztes Jahr eine sehr harte Zeit, von der sich mein Immunsystem nicht erholt hat. Alles, was dieses Jahr passiert ist, waren nur Folgen davon. Sprich: Covid-19 und das Pfeiffersche Drüsenfieber konnten sich nur deswegen so ausbreiten, weil mein Immunsystem nicht bereit war.
«Der WM-Titel ist noch immer mein Traum und Ziel.»
Wie geht es jetzt in den nächsten Tagen und Wochen bei Ihnen weiter: Stehen schon Testfahrten auf dem Programm, oder erst einmal Ferien?
Diese Woche fahre ich noch für zwei, drei Test-Tage nach Italien. Danach habe ich wirklich zwei, drei Wochen Ferien, in denen ich versuchen werde, meinen Kopf mit ganz anderen Dingen zu beschäftigen. Ab Mitte Dezember geht’s dann wieder an die Vorbereitung, zuerst physisch, dann ziemlich bald auch mit dem Töff.
Nach zwei 2. Plätzen in Folge war ja für 2021 eigentlich der WM-Titelgewinn Ihr grosses Ziel. Haben Sie es einfach nur verschoben und peilen es nächstes Jahr wieder an?
Klar, der WM-Titel ist immer noch mein Traum und Ziel. Die letzten paar Rennen haben mir wieder gezeigt, dass es machbar ist. Man muss aber auch sehen, dass die MX-GP-Klasse brutal, brutal, brutal umkämpft ist. Es muss wirklich ein Jahr lang alles zusammenpassen, um am Ende oben zu stehen. Ich glaube daran und werde auf jeden Fall alles geben – aber ohne das Ziel zu verbissen anzugehen. Dieses Jahr haben die ersten Drei bis zum letzten Rennen um den Titel gekämpft. Alle Top-Stars sind diesmal verletzungsfrei geblieben. In der WM-Wertung stehen nun sechs Leute vorne, die alle sehr schnell sind. Aber ich bin einer davon, und ich glaube weiter daran, dass ich die Anderen alle schlagen kann.

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