FCZ gerät vom einen Debakel ins nächste
Der FC Zürich ist nach dem 0:3 in St. Gallen dem Abstieg so nahe wie nie mehr seit 1988 – als er dann auch abstieg. Das erste Spiel unter Uli Forte war die nächste Enttäuschung.

Es sass erstmals Uli Forte auf der Bank des FCZ – nicht mehr Urs Meier, der mit den Zürchern in die Saison gegangen war; nicht mehr Massimo Rizzo, der mit ihnen im Spätsommer nach Meiers Entlassung in St. Gallen 2:0 gewonnen hatte; und auch nicht der glücklose Finne Sami Hyypiä, der sich am Donnerstag einem Verdikt der Mannschaft gebeugt hatte. Aber besser wurde unter Forte (noch) nichts, überhaupt nichts. Oder anders gesagt: Die Mannschaft rutschte mit ihm ins nächste Debakel – nach dem 0:4 in Thun und dem 0:4 gegen den FC Lugano. Dass es in St. Gallen Winkeln nicht wieder ein 0:4 (oder gar mehr wurde), war reiner Zufall. Mit der Leistung des FCZ hatte es jedenfalls nichts zu tun.
Haargenau wie unter Hyypiä
Das erste Spiel unter Forte glich dem drittletzten (in Thun) und dem letzten (gegen Lugano) unter Hyypiä haargenau. Wieder war nicht nur das Resultat eindeutig und hätte es noch wesentlich deutlicher ausfallen können; wieder war der Gegner von der ersten Sekunde (und nicht von der ersten Minute) an besser im Spiel; und wieder war er auf Dauer in absolut jeder Beziehung stärker. Dieser Anlass war jedenfalls für alle eine Ohrfeige, die geglaubt hatten, es würde reichen, wenn da Forte komme, gleichsam die Hand auflege und mit seiner Rhetorik die Spielerseelen von all den bitteren Erfahrungen befreie, die sie unter den Vorgängern gemacht hatten. Vielmehr zeigte sich, dass wahrscheinlich eben nur Geschwätz ist, von dieser Mannschaft zu sagen, sie sei besser als es die Klassierung aussage. Die FCZler müssten «nur» mal befreit aufspielen, um ihre individuellen Qualitäten zu zeigen.
Forte hatte, nach nur zwei Trainings, im Vergleich zum Mittwoch fünf neue Feldspieler aufgestellt: Oliver Buff war gesperrt, Burim Kukeli verletzt. Alain Nef, Anto Grgic und Artem Simonjan wurden auf die Ersatzbank gesetzt. Und ob Anthony Favre wieder im Tor gestanden hätte, wenn sich Yanick Brecher im Sonntagstraining nicht verletzt hätte, liess Forte offen. Es passte jedenfalls zur Situation, dass sich Brecher mit einem Kreuzbandriss für Monate abmelden musste. Nicht ausgezahlt haben sich Fortes nicht erzwungene Wechsel: Nef wäre mit Sicherheit nicht schlechter gewesen als die Innenverteidiger des Tages, als Ivan Kecojevic und – vor allem – Leonardo Sanchez. Der Argentinier, dessen verletzungsbedingte Absenz bis vor dem Mittwoch für manche noch ein wichtiger Grund für den neuerlichen Absturz gewesen war, spielte sogar miserabel. Er war viel zu langsam und handelte sich so auch einen Platzverweis ein. Ein Fehlgriff war auch der erste Auftritt des 19-jährigen Moussa Koné in der Startelf.
Eigentlich alle schwach
Es waren allerdings auch die andern schwach. Cédric Brunner beispielsweise ein weiteres Mal, bis er noch vor der Pause ausgewechselt wurde. Aber auch ein Routinier wie Philippe Koch, der Captain Gilles Yapi oder Kevin Bua, der noch im Herbst so deutliche Anzeichen eines Talents gezeigt hatte. Aleksander Kerschakow war genau einmal zu sehen: In der 57. Minute traf er mit einem Weitschuss den Pfosten, im Gegenstoss war Sanchez gegen Edgar Salli zu langsam und wurde vom Platz gestellt. Zu diesem Zeitpunkt stands aber schon 0:3, war der Match gelaufen. Zuerst versuchte es Forte zwar noch, nur mit drei Verteidigern weiterzuspielen und eine Wende anzustreben. Aber diesen Gedanken musste er bald verwerfen. Also brachte er Nef als vierten Verteidiger. «Ich wollte nicht in ein Debakel laufen,» sagte er später.
Sein Tonfall war nach diesen ernüchternden 90 Minuten mit lauter schwachen Einzelleistungen natürlich nicht mehr annähernd so optimistisch wie noch am Freitag bei seiner Vorstellung. Nun sagte er, es sei «die Verunsicherung zu sehen gewesen» und von der Spielstärke, welche die Mannschaft noch zu Saisonbeginn beim 1:1 gegen Fortes Young Boys gezeigt habe, sei «viel verloren gegangen». Aber er habe ja «gewusst, worauf ich mich einlasse. Nur zwei Trainings haben nicht gereicht, das Ruder herumzureissen.»
St. Galler Hochstimmung
Forte vergass nicht, «dem FC St. Gallen zum Klassenerhalt zu gratulieren.» Die Stimmunsglage bei den Ostschweizern war so ganz anders als bei den Zürchern, dabei hatten sie – mit nur einem Sieg aus den vorangegangenen elf Spielen – kaum weniger unter Druck gestanden als der FCZ. Aber sie waren ihm gewachsen. Es ist eben auch so: Wenn in Zürich der FCZ gegen den Abstieg kämpft, kommen – wie gegen Lugano – 7200. Wenn dem FCSG Ähnliches droht, ist das Stadion mit 17 500 praktisch voll. Also vergass Trainer Joe Zinnbauer nicht, den Fans, ja dem ganzen Umfeld zu danken – auch für die Geduld, die sie mit ihm hatten.
Es war bemerkenswert, wie gut die St. Galler spielten. Sie überzeugten gegen den FCZ wie es zuletzt Thun und Lugano getan hatten – was man auch so sehen kann: Man spielt immer so gut, wie es der Gegner zulässt. St. Gallen hatte kaum eine Schwäche, ausser die mangelnde Effizienz Sallis im Abschluss. Einzelne ragten heraus: die beiden Innenverteidiger und die Mittelfeldspieler Mario Mutsch und Gianluca Gaudino. Und Marco Aratore, der Basler, der erstmals in seiner Karriere zwei Super-League-Tore schoss. Zuletzt zweimal in einem Spiel getroffen hat er im September 2013, als er noch für den FC Winterthur spielte. Es waren das 1:0 und das 2:0 zu einem 3:0 in Wohlen.
«Wir können jetzt die neue Saison planen,» sagte der höchst zufrieden strahlende Zinnbauer noch. Und vor allem: Er darf mitplanen. Forte aber wusste: Seine Mannschaft kann schon in einer Woche als Absteiger feststehen, wenn sie in Sion verliert und Lugano in Vaduz gewinnt. Deshalb sagt er: «Jetzt müssen wir in Sion punkten – und ich hoffe, uns bringt die Woche weiter, die wir nun zusammen trainieren können.» Hansjörg Schifferli
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