SamstagExtraFreud und Leid mit dem eigenen Vornamen
Fünf Redaktorinnen und Redaktoren schildern, was ihnen ihr Vorname bedeutet.

Besonders originell ist mein Vorname nicht, dafür auch nicht kompliziert oder unverständlich. Meine Eltern entschieden sich damals für einen gängigen Namen, der bisher nirgends in der Familie vorgekommen war. Aber er blieb nicht lange exklusiv. Ich möchte sogar behaupten, er war ein richtiger Modename.
Ich erinnere mich nämlich, dass in einer Klasse der Oberstufe gleich fünf Mädchen mit «meinem» Namen sassen. So erfanden wir für jede eine Variation, damit alle irgendwie doch noch einmalig blieben. So wurde aus Barbara Susanne Babasu, eine andere nannten wir Lemmi, eine Abkürzung ihres Nachnamens, die dritte musste auf ihren zweiten Vornamen zurückgreifen und hiess in der Schule Andrea. Babsi nannte sich die Vierte. Mir blieb nur noch die Verhunzung aus der Primarklasse, nämlich Bärbsle.
Meine Mutter gefiel zwar Barbara, sie fand jedoch, in Kombination mit dem Nachnamen «scherbele» der Klang. Sie tröstete sich damit, dass ich ja nicht ewig so heissen müsse … Da irrte sie sich aber gewaltig. Ich gehöre nämlich zu jenen verheirateten Frauen, die schon vor Jahrzehnten nicht plötzlich einen neuen Namen annehmen wollten. Und so lebe ich denn seit meiner Geburt ganz gut als Barbara Gasser.
Vor Neckereien und Verballhornungen bin ich mit meinem Namen glücklicherweise stets verschont geblieben. Auch ansonsten bin ich eigentlich recht zufrieden mit dem, was meine Eltern diesbezüglich vor meiner Geburt entschieden haben. Der Name ist nicht wahnsinnig ausgefallen, zählte aber schon damals auch nicht zu den häufigsten.
Das Einzige, womit ich stets ein wenig gehadert habe: Die Kombination aus meinem Vor- und Nachnamen ist eindeutig als irgendwie von Spanien beeinflusst zu erkennen. Nur blöd, dass ich der Sprache überhaupt nicht mächtig bin. Meine Eltern sind in der Schweiz geboren worden und hier aufgewachsen. Somit habe ich zwar spanische Grosseltern, aber zu Hause wurde immer Deutsch gesprochen.
Doch ohne dieses Vorwissen geht man logischerweise beim Lesen meines Namens davon aus, dass ich mindestens ein Secondo bin. Womit ich immer wieder in der etwas ungünstigen Lage bin, erst einmal erklären zu müssen, weshalb ich kein Wort verstehe, wenn mich Mediensprecher mit spanischem Hintergrund oder Stadtpräsidenten, die lange auf der Iberischen Halbinsel gelebt haben, bei der Begrüssung nicht auf Schweizerdeutsch, sondern mit einem rasanten Wortschwall begrüssen, den man so eher in einer Bar in Toledo oder Madrid antreffen würde.
Item – ein guter Icebreaker ist es zumindest.
Es ist für mich wahrlich nicht immer leicht gewesen, an der Seite – oder besser unter – einer zehn Jahre älteren Schwester aufzuwachsen. Wir fragen meine Schwester an dieser Stelle besser nicht, wie es für sie war mit einem Nachzüglerli meines Kalibers.
Fest steht jedoch: Ich bin ihr zu lebenslanger Dankbarkeit verpflichtet. Sie hat mich vor einem – in meinen Augen – schweren Namensschicksal bewahrt. Meine Eltern hatten sich bereits einen Favoriten ausgesucht. Doch die Erstgeborene legte ihr ultimatives Veto ein, das da lautete: «Wenn sie so heisst, hüte ich die Kleine garantiert nie.»
Dieser Preis war meiner Mutter und meinem Vater dann doch zu hoch, und sie liessen sich – in der Aussicht auf einige Stunden wertvoller Ruhe – auf einen Deal ein. Meine Schwester durfte den Rufnamen, also Daniela, bestimmen. Dem Favoriten meiner Eltern blieb so glücklicherweise nur das stumme Schicksal des Mittelnamens.
Denn es ist nicht der Name an sich, der so grässlich gewesen wäre, sondern vielmehr dessen sehr gängige Verhunzungen wie Regi oder Rägeli. Nochmals danke, auch an dieser Stelle, liebe Schwester, deine Daniela.
Ich bin zufrieden mit meinem Namen. Und ganz so falsch lagen meine Eltern mit ihrer Wahl nicht. Denn Flavio ist italienisch und bedeutet «der Blonde». Sehr erfreulich ist zudem, dass ich während meiner gesamten Schulzeit von Namensvettern verschont geblieben bin.
Obwohl der Name nicht so häufig ist, bereitet er mir und vor allem auch meinen Mitmenschen kaum Probleme. Es passiert aber hin und wieder, dass jemand fragt: «Mit ‹v› oder mit ‹w›?» Aber mal ganz ehrlich: «Flawio» sieht ja schon sehr bizarr aus.
In meinem Bekanntenkreis existiert der Name Flavio nicht. Ich bin es gewohnt, dass ich mit Spitznamen angesprochen werde. Bei meiner Familie bin ich «Fläve», im Fussball nennen sie mich «Flash» (wäre ich doch nur nicht so schnell). Richtig ausgeartet ist es jedoch bei meinen engsten Freunden, bei denen ich derzeit – das kann sich häufiger mal ändern – «Flongo» heisse. Nur bei der Arbeit, da ist Flavio völlig normal.
Als wäre das nicht genug, machen sich manche Leute einen Spass daraus, ganz von meinem Namen abzuweichen. Sie nennen mich einfach «Journi». Die Erklärung dafür erübrigt sich.
Wenn es um das Thema Vornamen geht, ist die Annahme, dass ich besondere Erfahrungen gemacht habe, berechtigt. Ich durfte bereits vor genau zwei Jahren in dieser Zeitung schreiben, dass ich heute noch darauf angesprochen werde, dass mein Name dem weiblichen «Astrid» sehr ähnlich klingt.
Zusammenfassend: Astrid ist ein Name skandinavischen Ursprungs und bedeutet ungefähr «schöne Gottheit». Astrit hingegen leitet sich von einer gelben Schlangenart ab, die in Südeuropa zu finden ist. Es ist eine lustige Anekdote und lockert doch manches Gespräch auf. In der Schule wurde ich wegen meines Namens aber nicht mehr oder weniger als meine Freunde gehänselt.
Erst kürzlich erfuhr ich von meinen Eltern, dass sie sich fast für den Namen Albert entschieden hätten. Mit diesem Namen hätte sich meine Schulzeit vielleicht doch ein wenig anders abgespielt, hätte ich doch etliche Könige, Autoren (Camus) und selbstverständlich Einstein unter meine Namensvettern zählen können. Ob ich diesen wohl gerecht geworden wäre? Ich bin doch froh, dass ich diesem Druck nie ausgesetzt war. Mein Name war immer speziell und ungewohnt, aber dafür auch einzigartig.
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