Frischer Glanz ist hier nicht das Ziel
Der Schutzengel in der grossen Halle des HB Zürich muss regelmässig saniert und gründlich gereinigt werden. Es ist wieder so weit, wieder ist es ein heikles Unterfangen. Zum Einsatz kommt erstmals eine Art Radiergummi.
«Schauen Sie, der Po, er ist schon fast schwarz», sagt Petra Helm und weist hinauf zum Schutzengel an der Decke der grossen HB-Halle. Und auch am Busen der Nana-Figur hat der Zahn der Zeit genagt. Auf ihm zeichnen sich Kondensspuren ab. Dort, wo die Bemalung weiss ist, sieht man es besonders gut.
Helm ist die eine Hälfte der Firma Ars Artis mit Sitz in Küsnacht, welche die nächsten drei Wochen den Ange Protecteur einer sanften Restaurierung unterziehen wird. Vor allem geht es darum, das Kunstwerk zu reinigen, erklärt Christian Marty, die andere Hälfte der Firma und Lebenspartner von Helm. Er verweist auf die speziellen Herausforderungen.
Ein Geistesblitz
Diese ergeben sich vor allem daraus, dass die Skulptur eigentlich eine für drinnen ist, dass die grosse HB-Halle aber eher ein Ort wie draussen ist. Offen nach vorne und mit Zugängen zu allen Seiten strömen die Abgase des Verkehrs ein. Aber auch Bremsstaub der Loks lagert sich auf der Figur ab. Ausserdem sind im Dach Schlitze angebracht – schliesslich fuhren in der Halle ursprünglich Dampfloks ein und aus. So ist die Nana, je nach Wind, selbst vor Regentropfen und Schneeflocken nicht gefeit. Die Tropfen, die sich zuweilen an den Metallstreben der Decke bilden und auf die Skulptur fallen, führen zu besagten Kondensspuren.
Nicht sehr zuträglich sind ihr auch die Events, die laufend in der Halle stattfinden, vor allem wenn an den Verkaufsständen auch noch grilliert und gar Raclette zubereitet wird wie zum Beispiel während des Weihnachtsmarkts. «Die Wurstsache ist ganz schlimm», sagt Helm aus Erfahrung. Sie hat zusammen mit Marty bereits die letzte Restaurierung durchgeführt. Die Skulptur hängt im HB seit 1997; sie war ein Geschenk der Firma Securitas an die SBB zu deren 150-jährigem Bestehen. Etwa alle 10 bis 12 Jahre ist eine Restaurierung fällig.
Für die nun anstehende hatte Helm einen Geistesblitz, wie ihr Partner anerkennend festhält. Warum es nicht mit Crepe Rubber Cement Pick-up probieren, hat sie sich gefragt. Dabei handelt es sich um eine Art Radiergummi, wie sie erklärt. Er kommt zum Einsatz bei der Restaurierung von Papier. Mit ihm lassen sich Rückstände von Haftklebebändern entfernen – und Schmutzrückstände, die sich auf der HB-Nana abgelagert haben, wie sich herausgestellt hat. Sie habe es einfach mal sachte probiert, sagt Helm, und sie sei glücklich, dass es funktioniere. Anders als beim Papier verzichtet sie aber darauf, den Cement zu erwärmen. Denn es ist äusserste Vorsicht nötig.
Der Samt-Effekt
Das Problem ist, wie Marty ausführt, dass Niki de Saint Phalle, die Erschafferin der Skulptur, wasserlösliche Farben verwendet hat, Acryl. Einfach abwaschen lässt sich der Dreck also nicht. Umso weniger, als die Künstlerin auf eine Lackierung verzichtet hat. Das erklärt den fehlenden Glanz der nicht metallischen Flächen. Besonders zutage tritt der Effekt im matt leuchtenden Blau von Armen, Beinen und Kopf des Engels. Sie erscheinen fast wie von Samt überzogen. Von der Künstlerin ist es so gewollt. Eine nachträgliche Lackierung, damit die nächste Restaurierung leichter vonstatten geht, kommt daher nicht infrage.
Die Reinigung umfasst einen zweiten Durchgang, sagt Helm und hält ein etwa dreifach überdimensioniertes Wattestäbchen hoch. Mit einem geeigneten Lösungsmittel versehen, werden damit letzte Schmutzreste entfernt.
Gearbeitet wird in luftiger Höhe unter der Hallendecke, was Schwindelfreiheit voraussetzt. «Man gewöhnt sich daran», sagt Helm dazu nur. Wobei diesmal vor allem Marty und ein Restauratorenkollege aus Wien am Objekt tätig sein werden. Die zwei Männer haben extra für diese Arbeit die Spezialfahrprüfung absolviert, um die fahrbare Hebebühne selbstständig hin- und hermanövrieren zu können. Helm arbeitet gerade auch noch an einem Projekt in Basel. «Ein Altar von 1507.»
Enger Zeitplan
Der Zeitplan ist eng. In drei Wochen muss alles fertig sein. Dann wird die HB-Halle wieder für andere Aktivitäten gebraucht.
Niki de Saint Phalle (1930– 2002) war Französin und seit 1971 Schweizerin – Letzteres aufgrund ihrer Ehe mit dem Schweizer Künstler Jean Tinguely. Ihre Mutter war Amerikanerin, sie wuchs in den USA auf. Berühmt wurde sie durch ihre Nanas, die sie ab 1965 zu fertigen begann. Das Merkmal der farbenfrohen Skulpturen waren üppige weibliche Rundungen. Auch der Schutzengel im Zürcher HB stellt unverkennbar eine Nana dar.
Gefertigt ist die Skulptur aus Polyester. Das ist kein Stoff für die Ewigkeit. Irgendwann wird er zerbröckeln. Dieses Problem stelle sich zunehmend bei moderner Kunst, sagt Helm. Was die HB-Nana angehe, sei es nun aber noch nicht gerade heute oder morgen so weit, betont sie.
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