«Bienendrohnen und Seidenspinnerpuppen wären ideal für den Teller»
Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken – das sind die drei Insektenarten, die der Bund als Lebensmittel zulässt. «Das ist völlig unverständlich», sagt Insektenspezialist Daniel Ambühl. Bienendrohnen wären viel geeigneter. Demnächst hält er einen öffentlichen Vortrag in Niederweningen.

In jedem Frühjahr nehmen viele Imker und Imkerinnen ein oder mehrere Male den sogenannten Drohnenschnitt vor. Dabei werden die männlichen Larven und Puppen der Honigbienen samt Waben aus dem Stock entfernt und meist weggeworfen. Viele Imker nutzen immerhin den Wachs. Die Drohnen werden entnommen, um das Aufkommen der Varroa-Milbe, ein verheerender Bienenschädling, zu bekämpfen. Für ihre Fortpflanzung bevorzugt nämlich die zerstörerische Milbe die Drohnenzellen, weil sie dort länger verbleiben kann. Zudem sind die Zellen grösser als jene der Arbeiterinnen. Ausserdem tragen die männlichen Bienen nichts zum Gedeihen des Volks bei.
100 Tonnen Drohnen werden jedes Jahr vernichtet
«Allein in der Schweiz fallen durch den Drohnenschnitt jedes Jahr bis zu 100 Tonnen Drohnenlarven und -puppen an, die ungenutzt weggeschmissen werden», sagt Daniel Ambühl, der auf essbare Insekten spezialisiert ist. «Dabei würden sie sich geradezu ideal für die menschliche Ernährung eignen, da sie einen grossen Anteil an Proteinen und Fett aufweisen, aber auch reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Eisen sind.» Zudem könnten sie einen Beitrag an die Welternährung leisten, zumal die Insektenzucht viel ressourceneffizienter, platzsparender und nachhaltiger als die Produktion von Futtermitteln für Rind, Schwein, Schaf usw. sei. «Unser Planet ist bald zu klein, um darauf das Futter für unsere steigende Fleischproduktion anzubauen.»
Das hat die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, schon vor Jahren erkannt. Ihr 200-seitiger Bericht aus dem Jahr 2013 mit dem Titel «Edible insects: future prospects for food and feed security» wurde schon millionenfach aus dem Internet heruntergeladen.
Besucher vom Insektenapero in Eglisau degustieren Häppchen
Die jährlich in der Schweiz anfallende Drohnenmenge von bis zu 100 Tonnen – europaweit wären es x-fach mehr – entspreche einem Wert von rund 5 Millionen Franken. «Wenn man bedenkt, dass ein Imker pro Arbeitsstunde nur knapp 8 Franken verdient, wäre das doch ein schöner Zustupf bei geringem zusätzlichem Aufwand», sagt Ambühl, der das Buch «Beezza! – Das Bienenkochbuch» (www.beezza.ch) verfasst hat und weitere Werke zum Thema Entomophagie (Verzehr von Insekten) in Arbeit hat. Zudem betreibt er auf Youtube seinen «Skyfood»-Kanal.
Nahrhafte Puppe des Seidenspinners
Die Puppen von Seidenspinnern, einer Nachtfalterart, wären gemäss Ambühl ebenfalls ausgezeichnet als menschliche Nahrung geeignet. Sie fallen in der Seidenherstellung als Abfallprodukt an, nachdem die Seide vom Puppenkokon abgehaspelt worden ist. Zurzeit produzieren 14 Landwirte in der Schweiz Seide mit Hilfe des Maulbeerspinners. Ein Betrieb aus dem Kanton Bern konnte 2016 für seine Seidenproduktion den Agro-Preis aus den Händen von Bundesrat Ueli Maurer entgegennehmen.
«Da überreicht der Bundesrat mit grossem Pipapo Preise an Seidenproduzenten, gibt aber die Seidenspinnerpuppen nicht für den menschlichen Verzehr frei», kritisiert Ambühl, der nach eigenen Angaben praktisch alle Länder mit entomophagen Gesellschaften bereist hat. Diese Puppen seien nämlich das weltweit am meisten konsumierte Insekt.
«Bundesamt hat falsch entschieden»
Statt Seidenspinnerpuppen und Bienendrohnen hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf den 1. Mai 2017 Mehlwürmer, Grillen und Wanderheuschrecken für den menschlichen Verzehr freigegeben. «Ein klarer Fehlentscheid», urteilt der 59-jährige Daniel Ambühl. «Aus mangelnder Kompetenz» habe man einfach einige Insektenarten, die in Zoohandlungen als Tierfutter angeboten werden, freigegeben und so den grossen Produktionsunternehmen für Futtermittelinsekten zugedient. Für diese sei es nämlich ein kleiner Schritt, eine Produktionslinie für den menschlichen Verzehr einzurichten.

«In Asien, Afrika, Mittel- und Südamerika werden zahlreiche Arten von Insekten auf vielfältige Weise zubereitet und auf den Märkten angeboten. Doch in keinem dieser Länder habe ich jemals Mehlwürmer für den menschlichen Verzehr gesehen», sagt der Unterterzener. Diese Würmer, die eigentlich keine Würmer, sondern Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) sind, seien als Lebensmittel ungeeignet.
«Einerseits werden sie mit unserem Grundnahrungsmittel Getreide gefüttert, was nicht nachhaltig ist, und andrerseits handelt es sich um Insekten, die einen möglicherweise verunreinigten Darminhalt aufweisen – ganz im Gegensatz zu den Drohnen, die mit Pollen und Nektar gefüttert werden und den Seidenspinnern, die sich von Maulbeerbaumblättern ernähren», erklärt der Insektenforscher. Ähnliche Nachteile wie die Mehlwürmer würden auch Grillen und Wanderheuschrecken aufweisen.
«Der Verkauf von Drohnenlarven und -puppen wäre für die Imker ein schöner Zustupf.»
Um weitere, wirklich geeignete Insektenarten als menschliche Nahrung zuzulassen, empfiehlt Ambühl den Behörden, hier lebende Leute aus entomophagen Gesellschaften zu fragen, welche Insekten sie am liebsten essen möchten. «Diese Leute könnten uns einen Riesenschatz von neuen Lebensmitteln öffnen.»
Imker produzieren Lebensmittel
«Die Imker produzieren ein Lebensmittel, nämlich Honig. Sie stehen deshalb unter strenger Kontrolle der Lebensmittelsicherheitsbehörden», erklärt Ambühl. Imker würden sich im Insektenmanagement sehr gut auskennen; seis in der Pflege der Bienenvölker oder in der Bekämpfung von Seuchen. «Imkerinnen und Imker wären geradezu prädestiniert für die Produktion von essbaren Insekten», betont der 59-Jährige. «Aber sie dürfen nicht – zumindest nicht kommerziell. Für den privaten Verzehr sind Drohnen aber nicht verboten.
Es sind ja keine Drogen», sagt Ambühl, der in seinem Buch nicht nur entsprechende Rezepte anbietet, sondern auch dazu aufruft, sich für ein Festmahl im Freundeskreis Drohnenwaben bei einem Imker zu besorgen. Und im Gespräch meint er lachend: «Das wäre doch etwas für Weihnachten». Er selber kaufe auch Drohnenwaben und halte einen Preis von etwa 25 Franken pro Kilogramm für angemessen.
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