«Gewerbler sind die Seele des Städtli am Rhein»
Der Gewerbeverein feierte sein 75-jähriges Bestehen. Die Kleinräumigkeit des Städtli und die Nähe zur ausländischen Konkurrenz schweisst die rund 100 Gewerbetreibenden zusammen.

«Es geht nichts über ein Eglisauer Orangina.» Mit diesem selbstbewussten Werbespruch warb die Mineralwasserfabrik im Jahr 1938 auf Plakaten für ihr Süssgetränk. Mit dem gleichen Selbstbewusstsein vereinten sich während der Kriegszeit am 9. Juli 1943 16 Berufs-Meister aus dem Dorf und gründeten die Handwerkerzunft. «Bis heute ist es den Eglisauer Gewerbetreibenden erfolgreich gelungen, ihre Zukunft selbst an die Hand zu nehmen», zog der Gastgeber Ruedi Landolt an den Feierlichkeiten vom Samstag zufrieden Bilanz.
Eine Parkgarage wäre etwas
Gleich in zwei geschichtsträchtigen Lokalen des Städtchens feierte der Gewerbeverein sein 75-jähriges Bestehen: Nach der Generalversammlung im Weierbachhus dislozierten die rund 100 Gäste aus Schule, Politik und Gewerbekreisen für den gemütlichen Teil in den Gasthof Hirschen, wo das Theater-Ensemble Seldwyla aus Bülach und das Duo Peperoncini die Lachmuskeln strapazierte.
Nicht immer war dem Gewerbe in der Vergangenheit zum Lachen zumute. 1957 sorgte die Migros für Opposition, als diese ihren Verkaufswagen just am Mittwochnachmittag, als alle Geschäfte geschlossen waren, herankarrte. Ab den 1980er-Jahren begann sich die Parkplatzsituation im Städtli zu verschärfen. Seit nunmehr 40 Jahren ist der Gewerbeverein diesbezüglich mit den Behörden im Gespräch. Eine ideale Lösung wäre gemäss Landolt eine neue Parkgarage.
Wie ein roter Faden zieht sich auch das Projekt Umfahrungsstrasse durch die Vereinschronik. 2008 gelang es dem lokalen Gewerbe, das Thema erneut auf die politische Agenda zu hieven. «Momentan läuft aber nichts», stellte der Präsident konsterniert fest. Für den Standort Eglisau und Rafzerfeld würden weiterhin Staus vor den Toren des Brückenstädtchen unakzeptable Realität bleiben.
22 000 Fahrzeuge täglich passieren mittlerweile die Strassenbrücke – viele werden von Schweizer Einkaufstouristen gesteuert. Hat das lokale Gewerbe unter diesen Umständen noch Überlebenschancen? Angst vor einem Aussterben habe man nicht, beschwichtigte Landolt. Er anerkannte aber den Ernst der Situation. Man wolle nun Gegensteuer geben, indem man das Städtli mit noch mehr Aktivitäten – auch aus dem kulturellen Bereich – beleben möchte. Seine Vision ist die eines «Einkaufserlebnisses Eglisau», wo man im Städtli nicht nur einkauft, sondern auch konsumiert und sich auf- und unterhält. Ganz ähnlich wie in einem grossen Shopping-Center.
Lehrstelle im Ausland suchen
Urs Remund, Präsident des Bezirksgewerbeverbandes Bülach, munterte die Eglisauer dazu auf, sich doppelt zu wehren. «Wenn zum Beispiel jene Eltern, die ihre Einkäufe im Ausland tätigen, bei einem lokalen Betrieb nach einer Lehrstelle für ihren Nachwuchs fragen, muss man auch einmal den Mut aufbringen und sagen können, dass sie doch in Deutschland nach einer Lehrstelle suchen sollen.» Remund erinnerte ferner an die «wertvollen Beiträge», welche das Gewerbe – zum Beispiel in der Form von Vereinssponsoring – an das gesellschaftliche Leben leistet. «Ohne das Gewerbe, so glaubte der Bezirkspräsident, wären unsere Städte und Dörfer tot.»
Es falle ihr leicht, die Wertschätzung gegenüber dem Jubilar auszudrücken, wandte sich die Gemeindepräsidentin Ursula Fehr an die Festgemeinde. «Denn die Gewerbetreibenden sind die Seele des Städtli – das tragende Element.» Fehr führte die Stärke des lokalen Gewerbes auf den Umstand zurück, dass dieses eine gute Durchmischung von traditionellen und neuen Unternehmen aufweise. Zudem wies sie darauf hin, dass der Gewerbeverein mit seinen viel beachteten Anlässen wie dem Weihnachtsmärt, der Rhii Mäss oder der Shoppingmeile «gute Trümpfe» in der Hand habe.
Im gleichen Boot
«Die Eglisauer Gewerbler halten zusammen, haben einen freundschaftlichen Kontakt zueinander und helfen sich auch gegenseitig aus», bestätigte am Rande der Feierlichkeiten der ehemalige Präsident Paul Hebeisen. Das habe sowohl mit der Kleinräumigkeit des Städtli als auch mit der Tatsache zu tun, dass alle im gleichen Boot sässen. «Das gute Verstehen unter den Handwerksmeistern», so heisst es in einem Mitteilungsblatt aus dem Gründungsjahr, wird auch nach 75 Jahren noch gepflegt.
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