Interview mit Teen-Influencerin Leonie Balys«Ich glaube nicht, dass ich jungen Mädchen schade»
Die 18-Jährige ist eine der grössten Influencerinnen Deutschlands und Protagonistin der Doku «Girl Gang». Sie erklärt, warum ihr Job harte Arbeit ist, und weist die Kritik an ihren Eltern zurück.

Fast 9 von 10 Teenagern wollen laut der Doku Influencer werden – aber wenn man Sie so im Film sieht, sehen Sie gestresst und überhaupt nicht glücklich aus. Das passt doch überhaupt nicht zusammen?
Doch das macht unglaublich Spass. Aber ich hatte kein Mitspracherecht bei der Doku, sonst hätte ich viel mehr tolle Momente reingepackt. Ich konnte zum Beispiel für eine Apple-Präsentation nach San Francisco fliegen. In solchen Momenten denke ich dann: «Krank, dass ich das erleben darf.» Ich finde es schade, dass die Doku vor allem die dunklen und anstrengenden Seiten von Social Media zeigt. Ich glaube, die Regisseurin hat das mit Absicht gemacht, weil die Leute auf Social Media ja dauernd zu sehen bekommen, wie Influencer von ihren Ferien posten.
Okay, Influencen macht also Spass – aber das Geld ist doch sicher auch ein Anreiz.
Na ja, es gehört logischerweise wie bei jedem anderen Job dazu, dass man damit auch Geld verdient. Aber ich finde, dass sich der Film zu fest ums Geld dreht.
In der Doku heisst es, dass Influencer durchschnittlich 15’000 Euro pro Werbepost kriegen. Stimmt das?
Nein, also ich verdiene sicher nicht so viel. Das ist vielleicht bei einem Star wie «Bibisbeautypalace» (Anm. d. Red.: 8,2 Millionen Instagram-Follower) der Fall, aber in meiner Grössenordnung liege ich weit unter diesem Betrag. Wie viel genau, will ich aber nicht sagen. Im Film sieht es so aus, als ob alles bezahlt wäre. Dabei gibt es so viele Dinge, für die ich kein Geld bekomme und die ich nur zum Spass mache. Zum Beispiel der Besuch bei Apple oder mein Auftritt im Musikvideo von Culcha Candela. Von den 2300 Beiträgen, die ich auf Instagram habe, sind vielleicht 100 bezahlte Werbeposts. Alle anderen sind meine privaten Erlebnisse, die ich mit meinen Followern teile.
In den deutschen Medien gibt es gerade sehr viel Kritik an Ihren Eltern. Dass sie Sie zu fest pushen und dass sie mit Ihnen Geld machen wollen. Was sagen Sie dazu?
Ich finde es echt nicht gut und sehr übertrieben, was da gesagt wird. Meine Eltern sind ganz anders. Anfangs haben sie mir übrigens Social Media verboten. Deswegen finde ich es schade, dass es so dargestellt wird, als ob meine Eltern nur ein Business mit mir machen wollen. Sie meinen es ja nur gut. Sie wollten mich mit 13 Jahren nicht irgendeinem Management anvertrauen, das dann einfach über mich entscheiden kann und mich zwingt, die Schule abzubrechen. Sie wollten immer, dass ich trotz meiner Karriere drei Säulen habe: Abitur, mein Hobby Fussball und ihre elterliche Unterstützung. Man hört ja oft, dass Leute von ihrem Management verarscht werden. Es ist daher schwierig, fremden Leuten richtig zu vertrauen. Deswegen sind meine Eltern nicht nur meine Manager, sondern auch meine Berater und Reisebegleiter.

Wie ist es denn, von so vielen Teenagern angehimmelt zu werden? In der Doku sieht man Ihren Super-Fan Melanie, der Sie dann aufgrund einer Instagram-Story in einem Café aufspürt. Bekommen Sie da nicht auch Angst?
Ja, das ist auf jeden Fall sehr gruselig. Manchmal werde ich wie in dieser Szene heimlich gefilmt – das finde ich schon stalkermässig. Oft werden mir auch auf der Strasse blöde Kommentare zugerufen, oder einmal hat jemand Fotos von mir gemacht, als ich am Pool lag. In einer solchen Situation bitte ich die Person dann, die Bilder zu löschen. Ich freue mich, wenn Leute mich normal ansprechen. Dann mache ich gern Fotos mit ihnen und quatsche auch gern.
Instagram schadet bekanntlich jungen Mädchen, weil man sich da ständig mit anderen vergleicht und das Körperbild darunter leidet. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie zu diesem Problem beitragen?
Nein, ich glaube nicht, dass ich jungen Mädchen schade. Man sieht mich so oft komplett ungeschminkt, auch als ich mit 14 Jahren schlimme Akne hatte. Wenn ich mich beim Sport filme, sieht man auch mal ein Speckröllchen. Ich benutze auch keine Filter in meinen Storys, sondern das ist halt alles so, wie ich wirklich bin. Da gibt es, glaube ich, weitaus extremere Beispiele, etwa eine Kylie Jenner, die sich immer in Pose wirft.
Fan Melanie erleidet mehrere Nervenzusammenbrüche, weil sie Ihnen auf Social Media schreibt und keine Antwort kriegt. War Ihnen dieser Schmerz, der mit diesem Fan-Sein verbunden ist, bewusst?
Es ist mir tatsächlich durch den Film viel bewusster geworden. Mir schreiben ja ständig Fans «Leo, wo bist du gerade, können wir uns treffen?». Und ich lese diese Nachrichten, aber man sieht nie die Person dahinter.
Sie kriegen täglich Hassnachrichten, darunter sogar Todesdrohungen. Wie gehen Sie mit dem Hate um?
Ich glaube, der Film zeigt ganz gut, dass es echt gestörte Menschen mit einem abscheulichen Wortschatz gibt. Ich muss aber sagen, dass ich mich nie so darauf fokussiert habe und Hate und Kritik immer klar getrennt habe. Kritik, finde ich, ist eine gute Sache, weil man sich das zu Herzen nehmen und auch etwas verbessern kann. Wenn jemand aber grundlos beleidigend ist, blockiere ich die Person. Man muss aber auf jeden Fall ein dickes Fell haben, wenn man auf Social Media unterwegs ist.
Viele sagen ja, Influencer sei kein richtiger Job. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Es ist auf jeden Fall harte Arbeit. Man kann nicht einfach über Nacht Influencer werden. Der Beruf bedeutet Zeitmanagement und viel Disziplin. Es ist mein Job, dass ich Videos abdrehen muss, bevor ich mich mit meinen Freunden treffe. Zudem schiesse ich nicht nur «einfach ein Bild», sondern muss mir genau einen Plan ausdenken, wie ich meine Ideen umsetze. Es ist eigentlich ein richtiger Entertainer-Job, nur dass man in ein Handy spricht.
Ihre 1,6 Millionen Insta-Follower werden auch älter. Wie schaffen Sie es, sie bei Laune zu halten und relevant zu bleiben?
Als ich mit 13 Jahren mit Social Media angefangen habe, waren in Deutschland noch nicht so viele Influencer aktiv wie heute. Es ist natürlich hart, weil jetzt immer mehr dazukommen. Das Einzige, was mir bleibt, ist immer dranzubleiben und alles zu geben. Aber ich mache mir natürlich auch Gedanken um die Zukunft und habe mir auch schon Studiengänge rausgesucht. Ich würde wahrscheinlich in Richtung Kommunikation, Design und Management gehen. Jetzt habe ich aber noch viel zu tun mit Social Media.
Wie viele Posts pro Tag laden Sie denn durchschnittlich hoch?
Auf Tiktok und Instagram ungefähr eins bis drei Posts am Tag. Zudem nehme ich meine Follower meistens mit etwa 15 Storys durch meinen Tag.
Unglaublich viele Teenies wollen Ihre beste Freundin sein. Aber im Film wirken Sie sehr allein. Ist das so?
Nein, ich habe Freunde, spiele, sooft ich kann, Fussball in meinem Verein und mache auch sonst typische Teenager-Sachen.
Melanie verbringt am Tag bis zu 17 Stunden am Handy, um ihren Fan-Account über Sie am Leben zu halten. Das ist doch nicht gesund.
Man muss schon aufpassen, weil Social Media süchtig machen kann. Bei mir ist es zum Beispiel so, dass ich vor allem auf Social Media bin, um Inspiration für meinen Content zu suchen und nicht um mich unterhalten zu lassen. Aber bei Melanie ist das schon beängstigend.
Wie viel Zeit verbringen Sie denn täglich am Handy?
Ungefähr acht Stunden. Viel Zeit geht aber fürs Filmen und Schneiden von Videos drauf.
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