Arbeitende Frauen in Afghanistan«Ich bin eine der letzten am Flughafen»
Nach der Machtübernahme der Taliban kehren die ersten Frauen an ihren Arbeitsplatz zurück. Eine Angestellte des Flughafens in Kabul erzählt von ihrem neuen Alltag.

Geschminkt und in einem blauen Kostüm steht Rabia Dschamal am Eingang zum Flughafen von Kabul. Rund vier Wochen nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat sie eine schwierige Entscheidung gefällt: Sie hat ihre Angst vor den neuen Machthabern überwunden und ist an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt.
«Ich muss meine Familie unterstützen», sagt die dreifache Mutter. Schon seit 2010 arbeitet die 35-Jährige für das Dienstleistungsunternehmen GAAC aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, das unter anderem für die Sicherheit im Terminal zuständig ist. «Zuhause war ich gestresst, ich hatte Angst, ich war sprachlos», schildert sie ihre Gefühle nach der Machtübernahme der Taliban. «Jetzt geht es mir besser.»
Von den mehr als 80 weiblichen Beschäftigten des Flughafens haben sich bisher nur zwölf zurückgetraut. Sie gehören zu den wenigen, die unter den Islamisten wieder arbeiten dürfen. Den meisten Frauen im Land wurde von den Taliban mitgeteilt, sie sollten bis auf weiteres nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, sondern zu ihrer eigenen Sicherheit zu Hause bleiben.
Die sechs Frauen am Flughafeneingang quatschen und lachen, während sie auf weibliche Passagiere der seltenen Inlandsflüge warten. Sie sind für die Sicherheitskontrollen bei Frauen zuständig.
«Meine Familie hatte Angst um mich»
Rabias 49-jährige Schwester Kudsija Dschamal erzählt, sie sei «schockiert» über die Rückkehr der Taliban gewesen. Die Mutter von fünf Kindern muss ganz alleine ihre Familie versorgen. «Meine Familie hatte Angst um mich. Sie sagten, ich solle nicht zurückgehen», erzählt sie. Aber jetzt sei sie «glücklich und entspannt». Bisher habe sie keine Probleme gehabt.
Während ihrer Schreckensherrschaft von 1996 bis 2001 hatten die Taliban Frauen massiv unterdrückt. Die neue Taliban-Führung hat eine weniger strikte Auslegung des islamischen Rechts zugesagt. Laut einem Dekret sollen Frauen «im Einklang mit den Prinzipien des Islam» arbeiten dürfen. Was dies genau bedeutet, bleibt weitgehend unklar.
Anders als vor 20 Jahren haben Frauen Anspruch auf eine Hochschulbildung. Allerdings soll die universitäre Lehre nach Geschlechtern getrennt erfolgen. Studentinnen müssen ein schwarzes Überkleid tragen und ihr Gesicht mit einem Nikab verschleiern.
Es herrschen jedoch grosse Zweifel, vor allem im Ausland, wie ernst diese Versprechungen gemeint sind. Alison Davidian von der UN-Frauen-Organisation in Afghanistan warnte bereits, dass die neuen Machthaber ihre Versprechen nicht einhalten würden (Lesen Sie unsere Analyse zum neuen Kabinett in Kabul: Die Taliban-Regierung zerstört endgültig alle Illusionen).
Am Flughafen von Kabul gibt sich Rabia Dschamal kämpferisch: Sie wolle weiterarbeiten, solange die Taliban sie nicht zwingen würden, aufzuhören. «Mein Traum ist es, die reichste Frau Afghanistans zu werden, und ich glaube, ich habe immer am meisten Glück.» Sie werde so lange das tun, was sie wolle, «bis das Glück nicht mehr auf meiner Seite ist».
Ihre Kollegin Sala hat einen anderen Traum. Die 30-Jährige hat bis zur Rückkehr der Taliban in einem Institut in Kabul Französisch gelernt. «Guten Tag, nehmen sie mich mit nach Paris», sagt sie in gebrochenem Französisch. Ihre Kolleginnen brechen in Gelächter aus. «Aber jetzt noch nicht», wiegelt sie ab. «Im Moment bin ich eine der letzten Frauen des Flughafens.»
AFP/aru
Fehler gefunden?Jetzt melden.