Analyse zum MisstrauensvotumWarum Boris Johnson trotz Sieg noch stürzen kann
Mit 211 zu 148 Voten übersteht der britische Premier die Abstimmung. Seine Vorgängerinnen Theresa May und Margaret Thatcher gewannen klarer – und gaben später ihr Amt auf.
Als Boris Johnson am Freitag mit seiner Frau Carrie zum Gottesdienst in der St.-Pauls-Kathedrale zu Ehren der Queen erschien, wurde die Menschenmenge an den Absperrungen unruhig. Und dann, als die Johnsons die Treppe hinaufstiegen, war es nicht mehr zu überhören: Die Leute buhten Johnson aus. Ein Tory-Premierminister, der von Menschen ausgebuht wird, die der Queen wohlgesonnen sind, hat ein Problem. Royalisten und Konservative kommen aus der gleichen Zielgruppe.
Konservative und Johnson-Wähler eigentlich auch, jedenfalls war das im Dezember 2019 so, als die Tories mit Johnson an der Spitze eine 80-Sitze-Mehrheit gewannen. Aber zweieinhalb Jahre sind eine lange Zeit, in der Politik zumal. Boris Johnson ist in dieser Zeit vom Wahlsieger zum Risiko geworden, vom Spielmacher zum Auswechselspieler. 211-mal «Yes» im Misstrauensvotum am Montagabend mag bedeuten, dass die Tories ihrem Premier zumindest mathematisch das Vertrauen aussprachen. Aber Mathematik allein dürfte kaum genügen, um Johnsons Kritiker zu beruhigen. Zumal zur Rechnung auch gehört, dass auf der anderen Seite 148 Gegenstimmen stehen: mehr, als Theresa May einst hinnehmen musste. Johnsons Vorgängerin überstand Ende 2018 zwar auch eine Vertrauensabstimmung, gab dann aber wenige Monate später wegen fehlenden Rückhalts doch auf. Ähnlich erging es Margaret Thatcher.

Schuld daran ist nicht, wie Johnson am Montag wieder behauptete, die aggressive britische Medienlandschaft, sondern nur er selbst. Er hat zu oft Versprechungen gemacht, die er nicht einhalten konnte, die Inflation steigt in Grossbritannien noch rascher als in einigen anderen Ländern, und die Lebenshaltungskosten sind für viele Briten längst ein Problem. Wähler, deren Konto am Ende des Monats im Minus ist, sind potenziell wütende Wähler.
Fehler gefunden?Jetzt melden.