Nach Widerstand im RafzerfeldKanton präsentiert als Alternative zur Umleitung die «Rheinfähre Nord»
Damit hat niemand gerechnet: Der Kanton hat für die geplante Strassensanierung durch Eglisau ein Begleitprojekt vorgestellt, das es so noch nie gegeben hat.

Seit Monaten protestieren Gemeinde und Bewohnerinnen und Bewohner von Eglisau gegen ein geplantes Projekt des Kantons zur Sanierung der Ortsdurchfahrt. Der Grund: Die geplanten Bauarbeiten dürften drei Jahre Zeit in Anspruch nehmen – und zu einer rund 20 Kilometer langen Umfahrung führen.
Offenbar hat die geballte Ladung an negativen Rückmeldungen und Einwendungen an die Adresse des Tiefbauamts Wirkung gezeigt. An einer Medienkonferenz im Konferenzzentrum Walcheturm in Zürich präsentierte der Kanton gestern den neuen Lösungsansatz des Kantons. «Wir haben die Rückmeldung aus der Bevölkerung ernst genommen», sagte Projektleiterin Medea Argo. «Deshalb informieren wir heute über das neue Projekt Rheinfähre Nord.»
Mit dem Elektroboot über den Fluss
Der Name ist passend gewählt, wie sich an der Medienkonferenz schnell herausstellte. Das Tiefbauamt präsentierte eine Lösung für das Umleitungsproblem, die Pioniercharakter hat: Geplant ist, in Tössriederen temporär eine Hafenanlage zu bauen, an welcher ein von der ETH konzipiertes E-Fährschiff anlegen kann. «Es war klar, dass wir hier auch auf die Umweltbelastung achten müssen. Deshalb sind wir froh, dass wir in Zusammenarbeit mit der ETH nun auf mit Strom betriebene Schiffe setzen können.»
Die Boote des Typs Theseus 2 bieten Platz für insgesamt zwölf Autos oder zwei LKW und sechs Autos, verteilt auf zwei Decks. Bis zu sechs dieser Schiffe sollen zu Spitzenzeiten zwischen Tössriederen und einer ebenfalls temporär eingerichteten Hafenanlage in den Altläufen des Rheins bei Rüdlingen verkehren. Im vergangenen Jahr sorgte der Verdacht auf giftige Blaualgen in diesem Gebiet für Aufruhr, der Kanton Schaffhausen hat deshalb entschieden, einen Teil dieses Naturschutzgebiets für den Bau des Hafens aufzuheben.
«Die Rheinfähre Nord ist nicht dafür gedacht, den kompletten Verkehr während der Bauzeit aus Eglisau verschwinden zu lassen», betonte Argo. Berechnungen des Projektteams hätten aber gezeigt, dass mit dieser Technologie bis zu 140 Fahrzeuge pro Stunde von der Nord-Süd-Achse und der langen Umleitung über Rüdlingen, Flaach und Rorbas ferngehalten werden könnten. «Das klingt bei bis zu 22’000 Fahrzeugen pro Tag auf der Strasse durch Eglisau zuerst nicht nach viel. Doch in Spitzenzeiten leisten die Schiffe einen wertvollen Beitrag zur Minderung des Staus», ist Argo überzeugt. Zwar verzögere sich dadurch die Sanierung der Ortsdurchfahrt um rund ein Jahr, weil zuerst die neuen Hafenanlagen gebaut werden müssten. «Wir sind sicher, dass sich dieser Aufwand aber insgesamt lohnt.»
Mit dem Schiff fahren kostet extra
Noch weitere Details des Vorhabens zeigen auf, wie ungewöhnlich der Kanton mit dieser Lösung vorgeht. So spart er damit nämlich kein Geld, vielmehr steigen die Gesamtprojektkosten deutlich. Allein die sechs Schiffe kosten jeweils rund 12 Millionen Franken, rund 10 Millionen mehr als herkömmliche Diesel-Fähren. Ein Teil der Kosten wird aber durch Forschungsgelder aus dem «Horizon Europe»-Projekt der EU gedeckt. Zudem hat der Kanton bereits erklärt, dass die Schiffe danach auf dem Zürichsee eingesetzt werden, um die langsam in die Jahre gekommenen Schiffe zwischen Horgen und Meilen zu ersetzen. Auch die beiden Hafenanlagen werden inklusive späteren Rückbaus je rund 4 Millionen Franken kosten. Insgesamt steigen so die Kosten der Sanierung für den Kanton Zürich um knapp 50 Millionen Franken auf insgesamt 110 Millionen Franken.
«Das klingt zuerst nach viel Geld», ist sich Argo bewusst. Doch auch dafür habe sich der Kanton etwas überlegt. «Die Rheinfähre Nord wird nicht gratis sein», offenbarte Argo an der Medienkonferenz. Rund 50 Franken soll ein Ticket für ein Auto kosten, 70 Franken wird hinlegen müssen, wer einen LKW verschiffen will. «Gemessen an der Zeit, die dadurch im Vergleich zu einer Fahrt über die Umleitung gewonnen wird, dürfte sich das für die Wirtschaft lohnen», ist die Projektleiterin überzeugt. Gewerbetreibende dürften die Kosten dafür auch auf die Kundschaft abwälzen, schätzt sie. Entsprechend finanziere sich das Projekt quasi über das Verursacherprinzip. «Zudem stellt der Ticketpreis sicher, dass es zu keinen Spassfahrten über den Rhein kommt. Es werden nur jene Personen ein Ticket lösen, die darauf angewiesen sind, möglichst schnell den Rhein zu überqueren.»
Wie die Bevölkerung und die anliegenden Gemeinden auf das Projekt reagieren, ist derzeit noch offen. Die öffentliche Auflage für die Rheinfähre Nord beginnt heute.
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