Kein Datenschutz für ausgewanderte Steuerschuldner
Sie reisen ab und lassen alles, auch ihre Schulden, hinter sich. So werden einzelne Schweizer Auswanderer zu Steuerflüchtlingen. Der Staat kann wenig tun in solchen Fällen – ausser sie namentlich im Amtsblatt «auszuschreiben». Betroffen sind auch Steuersünder aus dem Unterland.

Es ist merkwürdig, weil ungewohnt: Detailliert werden Angaben zu Privatpersonen, die teils happige Steuerschulden haben, samt AHV-Nummer, Geburtsdatum und ihrem letzten Wohnort im kantonalen Amtsblatt publiziert. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen neuartigen Steuerpranger, sondern um «Sicherstellungsverfügungen». Dieses drastischen Mittels bedient sich die Verwaltung regelmässig, wenn auch nicht allzu oft. Ein Blick in die Publikationen im Amtsblatt ergibt im laufenden Jahr fünf Unterländer Fälle von sogenannter «Steuergefährdung», die öffentlich ausgeschrieben wurden. Vier Einzelpersonen und ein Paar aus der Region schulden dem Staat zusammen rund eine Viertelmillion Franken. Ihnen ist gemeinsam, dass sie ins Ausland abgereist sind, ohne ihre Steuerschuld zu begleichen. Deshalb wurden ihre Namen nun öffentlich gemacht. Die Publikationen haben zum Ziel, Guthaben der betroffenen Personen zu «arrestieren», wie es im Fachjargon heisst.
Dietliker Senior schuldet 175?000 Franken Der jüngste Fall betrifft einen 73-jährigen Mann aus Dietlikon, der eine Steuerschuld von rund 175?000 Franken angehäuft hat, wie am 17. Juli öffentlich publik wurde. Dabei handelt es sich um offene Rechnungen der direkten Bundessteuer aus den Jahren 2010 und 2011. Der Dietliker Steuersekretär Domingo Horn hört via «Zürcher Unterländer» zum ersten Mal von diesem Fall. Denn für die Ausschreibung ist nicht die Gemeinde, sondern das kantonale Steueramt verantwortlich. Dort werden nämlich die direkten Bundessteuern eingezogen. Wer aber nur schon dem Bund eine sechsstellige Summe schuldet, muss der Gemeinde und dem Kanton gemeinhin einen noch viel grösseren Betrag abliefern. Doch das Dietliker Steueramt darf nicht bekannt geben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe bei der Gemeinde noch Steuerrechnungen offen sind. So überraschend transparent die Steuerschulden im Amtsblatt sind, so strikt ist der Steuersekretär mit Auskünften über seine Klientel.
Mehrere Unterländer mit Namen veröffentlicht
Nach einer kurzen Abklärung kann Horn jedoch feststellen, dass sich Dietlikon im letzten Rechnungsjahr beispielsweise rund 53?000 Franken für Forderungen aus dem Steuerjahr 2012 ans Bein streichen musste. Es ist der Betrag, der aus verschiedensten Gründen nicht mehr eingetrieben werden konnte und somit offiziell abgeschrieben wurde. Bei einer Gesamtsteuersumme von rund 22 Millionen macht das 0,24 Prozent aus. Generell könnte auch die Gemeinde einen steuerpflichtigen Bürger namentlich veröffentlichen lassen, wenn eine Steuergefährdung besteht. «Aber wir haben seit Jahren keinen solchen Fall mit Arrestierung von Vermögen gehabt», erklärt der Steuersekretär. Eine entsprechende Abfrage im online aufgeschalteten Amtsblatt zeigt, dass seit Anfang dieses Jahres auch fünf weitere Namen von Unterländer Steuersündern aus Opfikon, Watt, Rümlang und Wangen-Brüttisellen im Amtsblatt veröffentlicht wurden, im Fall von Rümlang ist ein Ehepaar betroffen. Für die Publikation verantwortlich ist in all diesen Fällen die sogenannte Gruppe Bezugsdienste des kantonalen Steueramts. Die Gesamtsumme der fünf Unterländer Fälle mit offenen Steuerschulden beläuft sich gemäss den Anzeigen auf knapp eine Viertelmillion Franken.
Fall von Egerkingen ist nicht vergleichbar
Dass diese Steuersünder namentlich genannt werden, erstaunt, wenn man sich an den Fall der Gemeinde Egerkingen im Jahr 2013 erinnert. Dort hatte die Gemeindepräsidentin nach entsprechender Vorwarnung sechs Namen von Steuerzahlern an einer Gemeindeversammlung öffentlich heruntergelesen. Alle waren schon mehrfach ermahnt worden. Die Betroffenen reichten daraufhin Klage ein gegen ihr unfreiwilliges Outing und bekamen vom Solothurner Verwaltungsgericht prompt recht. Gegen die erzürnte Gemeindepräsidentin und einige ihrer Ratskollegen wurde eine bedingte Geldstrafe ausgesprochen. Trotzdem ist die Zürcher Praxis der Publikation von Steuersündern im Amtsblatt absolut legal und üblich. Das bestätigt Walter Urwyler, stellvertretender Leiter des kantonalen Steueramtes in Zürich. Es handelt sich allerdings um spezielle Fälle, welchen gemeinsam ist, dass jeweils Steuergefährdung im Zentrum steht. «So was kommt etwa 40-mal pro Jahr vor», schätzt Urwyler, ohne eine Statistik dafür zu kennen. Allerdings würden nicht alle Fälle öffentlich publiziert – «nur wenn wir nicht wissen, wo sich jemand aufhält». Steuergefährdung und die Nichterreichbarkeit sind also die Voraussetzungen, damit Behörden einen Bürger öffentlich mit vollem Namen nennen dürfen. Eine weitere Gemeinsamkeit in diesen Fällen ist, dass sich die meisten durch Ausreise ins Ausland dem Fiskus zu entziehen versuchen. Die vom Gesetz verlangte Voraussetzung für eine öffentliche Publikation und somit für eine Arrestierung von Vermögen ist dann gegeben, wenn ein Steuersekretär von allfälligen Ausreiseabsichten wisse und sehe, dass noch Steuerrechnungen offen sind, bestätigt Urwyler.
Kontenblockierung setzt Ankündigung voraus
Denn ist einer erst einmal im Ausland, wird es für die Schweizer Steuerbehörden sehr schwierig, noch etwas ausrichten zu können. «Wir sind aber verpflichtet, allen Fällen nachzugehen», gibt er zu bedenken und Steuerforderungen müssten von Gesetzes wegen eingetrieben werden. Einfachstes Mittel ist die Blockierung von Konten, was jedoch eine amtliche Publikation im Amtsblatt voraussetze, worauf ein Steuersünder noch innerhalb von 24 Stunden zunächst selber reagieren kann, bevor seine Vermögenswerte blockiert werden. Mit Ländern wie Österreich zum Beispiel habe man ein Doppelbesteuerungsabkommen, da bestünden gute Chancen, solche offenen Beträge auch wirklich noch eintreiben zu können. Aber wenn unwillige Steuerzahler nach Asien oder Südamerika auswanderten und in der Schweiz weder Konten, Wertschriften oder Liegenschaften haben, dann bliebe oft nur noch die Abschreibung ihrer Steuerschulden beim Staat. «Das ist gegenüber der Allgemeinheit natürlich nicht fair und auch nicht rechtens», sagt der zweithöchste Steuerbeamte des Kantons, Walter Urwyler.
Schaden für den Kanton ist gering
Was somit dem Staat durch die Lappen geht, ist aber gemessen am gesamten Steueraufkommen verhältnismässig wenig, erklärt der stellvertretende Chef des kantonalen Steueramtes. Er zieht dazu die letzten Steuerjahre im Bezug auf die Staatssteuer zur Erläuterung herbei. Während der Kanton Zürich 2014 insgesamt 5,37 Milliarden Franken an Steuergeldern eingenommen hat, musste er gleichzeitig «nur» 29,8 Millionen Franken als nicht eintreibbar abschreiben. Darunter auch Geld von Schweizer Auswanderern. Das ist rund 0,56 Prozent, und verglichen mit Debitorenverlusten in der Privatwirtschaft sei das «verschwindend wenig», sagt Urwyler.
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