«Krugman, du verlogener Troll»
Seit Jahren liefern sich zwei gefeierte Wissenschafter einen Richtungsstreit. Jüngst ist der Disput eskaliert. Die Hintergründe.
«Die Sache ist, Paul Krugman, du bist ein verlogener Troll.» Das schrieb am Freitag Niall Ferguson über den Wirtschaftsnobelpreisträger und Kolumnisten der «New York Times» auf Twitter. Ferguson ist selbst kein Unbekannter. Der Brite lehrt als Historiker an der renommierten Harvard-Universität in den USA und ist hierzulande vor allem bekannt durch seinen Bestseller «Der Aufstieg des Geldes» aus dem Jahr 2010 und eine Reihe weiterer Werke. Der Ausbruch von Ferguson ist nur die letzte Steigerung eines bereits seit bald einem Jahrzehnt andauernden heftigen Streits. Seit damals bezeichnet Krugman umgekehrt Ferguson offen als inkompetent in ökonomischen Fragen.
Eskaliert ist der öffentlich ausgetragene Streit jüngst wieder, weil Ferguson sich neu im Beratungsgremium des Blockchain-Projekts Ampleforth engagiert. Der Historiker begründet diesen Schritt offen mit seinem Misstrauen gegenüber dem bestehenden Geldsystem: «Mich interessiert die Mission von Ampleforth, das Geld neu zu erfinden, sodass es die individuelle Freiheit schützt und ein Geldsystem schafft, das alle gleich behandelt», erklärte er in einer Pressemitteilung des alternativen Geldprojekts. Den gleichen Anspruch hatte bereits Bitcoin, doch dieses Kryptogeld kann gemäss Ferguson nicht wirklich als Zahlungsmittel verwendet werden.
«Ich habe schon gesagt, dass Krypto ein Mischmasch aus Technoblase und libertärer Dummheit ist», schrieb Krugman per Twitter als Reaktion auf Fergusons Engagement, um dann noch eins draufzusetzen: «Aber ich denke, dass ich hinzufügen sollte, dass es auch ein gigantisches Ding für jene ist, die am Dunning-Kruger-Syndrom leiden.» Die letzte Bemerkung ist eine vernichtende Anspielung auf die Forschung der Psychologen David Dunning und Justin Kruger, die vor allem durch einen Youtube-Beitrag von John Cleese Berühmtheit erlangt hat. Deren Forschung besagt im Wesentlichen, dass jemand, der sehr dumm ist, gar nicht wissen kann, wie dumm er ist, weil dafür zumindest grundlegende Kenntnisse notwendig wären. Und das hat nun Krugman auf Ferguson gemünzt.
Krugmans Hinweis auf eine «libertäre Dummheit» verweist auf den ideologischen Hintergrund des Streits zwischen den beiden. Ferguson steht auf der rechten Seite des politischen Spektrums, Krugman auf der linken. Als Kolumnist der «New York Times» war Krugman schon immer scharfer Kritiker der republikanischen Präsidenten, aber auf Donald Trump hat er sich besonders eingeschossen. Eine der «New York Times»-Kolumnen von Krugman war im letzten Sommer unter dem Titel «Intellektuelle, Politik und Böswilligkeit» sogar Ferguson gewidmet beziehungsweise dem «unehrlichen konservativen Diskurs», für den Ferguson gemäss Krugman steht.
Der ideologische Hintergrund des Streits macht auch klar, weshalb sich viele, auch renommierte Ökonomen mehr oder weniger aktiv an ihm beteiligen. Die Tweets der beiden werden in der Zunft sehr aktiv geteilt und kommentiert. Über beide und ihre Einschätzungen werden in Zeitschriften Artikel verfasst. Und jede Seite versucht der anderen nachzuweisen, was sie alles falsch eingeschätzt hat, um so die Glaubwürdigkeit der eigenen Position zu untermauern.
Inwieweit muss der Staat eingreifen?
Angefangen hat der Streit mit einem Artikel, den Ferguson im Juli 2010 in der «Financial Times» verfasst hat. Der Titel lautete: «Die heutigen Keynesianer haben nichts gelernt». Das war ein Angriff auf jene Richtung unter den Ökonomen, die nach der Finanzkrise die Oberhand erlangt haben. Sie forderten öffentliche Massnahmen, um aus der Krise zu kommen. Dazu gehörten erhöhte Staatsausgaben in Ländern, die über die Mittel verfügten, und eine aktivere Geldpolitik. Diesen Weg schlugen die führenden Industrienationen auch mit Erfolg ein.

Ferguson seinerseits forderte im Artikel, es sei viel wichtiger, dass der Staat seine Ausgaben senke, damit der Privatsektor wieder mehr Vertrauen schöpfe. Zu orientieren habe man sich an der Politik von US-Präsident Ronald Reagan und der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, die vor allem auf die Öffnung der Märkte gesetzt haben. Unerwähnt blieb allerdings, dass unter Reagan die Verschuldung der USA massiv zugenommen hat.
Zu Krugman schrieb Ferguson damals, dieser und seinesgleichen hätten nichts gelernt aus Jahrzehnten von ökonomischer Forschung über Folgen von Erwartungen in der Allgemeinheit. Gemünzt war das als Antwort darauf, dass Krugman die von Ferguson vertretene Sichtweise wiederholt als «Confidence Fairy» (Vertrauens-Märchen) bezeichnet hat. Angesichts einer eher noch verschärften Spaltung vor allem der amerikanischen Gesellschaft ist kaum zu erwarten, dass der Streit ein baldiges Ende findet.
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