Bruederschwinget am PfingstmontagKutteln für Nostalgiker und ein Kalb für den Sieger
Das Sägemehl hat einen Sponsor, die Speisekarte lockt mit einer Seltenheit, und der Festsieger bekommt Fredi. Alles zum Bruederschwinget ob Bachenbülach in sechs Stichworten.

In den vergangenen Jahren war es an Pfingsten ungewohnt ruhig auf dem Brueder ob Bachenbülach. Gleich zweimal in Folge hat die Corona-Pandemie die Durchführung des traditionellen Unterländer Schwingets verunmöglicht. Solange Abstand halten in aller Alltag oberstes Gebot war, wurde in der Schweiz kaum noch irgendwo ein Sägemehlring aufgeschüttet. Auch die Organisatoren des Bruederschwingets mussten klein beigeben.
Im 2022 ist nun alles anders respektive wieder beim Alten: 37 Aktivschwinger und 97 Nachwuchsschwinger werden ab Mittag auf dem Brueder zusammen greifen. Die Gäste kommen aus Biel, Beckenried, Zurzach und aus der ganzen Ostschweiz. Es werden gegen 2000 Zuschauende erwartet sowie ein paar Fasnächtler in spezieller Mission. Die Guggenmusik Kookaburra aus Bassersdorfs-Nürensdorf stellt heuer als einziger externer Verein einen Teil der 120 engagierten freiwilligen Helferinnen und Helfer.
Favoriten

Zehn Kranzschwinger sind aktuell für den Bruederschwinget gemeldet, darunter auch der letzte Sieger Shane Dändliker vom Schwingklub Zürichsee Rechtes Ufer. Der Feldbacher bezwang 2019 Beda Arztmann vom Schwingklub Winterthur in der dritten Minute des Schlussganges mit einem Gammen und Überdrücken am Boden. Zum Favoritenkreis gehören neben Dändliker auch dessen Klubkollege Nicola Wey sowie der eidgenössische Kranzschwinger Fabian Kindlimann aus dem Zürcher Oberland.
Die stärksten regionalen Vertreter sind Roman Bickel, Raphael Kiener und Cedric Galli. Bickel hat unlängst am Zürcher Kantonalen einen Kranz geholt, das nur wenige Wochen nach seiner Meniskusverletzung. Der Tagessieg liegt vermutlich ausserhalb seiner Reichweite, eine Auszeichnung ist für den 24-Jährigen aus Hochfelden mit etwas Einteilungsglück aber zweifelsohne erschwinglich.
Ein Aussenseitersieg zuzutrauen ist Philipp Lehmann. Der aufstrebende Zimmermann aus Humlikon zeigte sich vor knapp zwei Wochen am Zürcher Kantonalen gut in Form und holte im Rang 6b einen Kranz. René Meier, Präsident des Schwingklubs Zürcher Unterland, ist überzeugt, dass Lehmann Kronfavorit Dändliker ein Bein stellen kann.

Einteilung
Das Einteilungsgericht, das unter Ausschluss der neugierigen Öffentlichkeit die Paarungen zusammenstellt, besteht aus drei Personen. Auf dem Brueder sind dies René Meier (Präsident Schwingklub Zürcher Unterland), Markus Spörri (Technischer Leiter Aktivschwinger Zürcher Schwingerverband) und Daniel Bachmann (Präsident Zürcher Kantonaler Schwingerverband). Ein attraktives Duell für den ersten Gang wäre mit Sicherheit eines zwischen Shane Dändliker und Geheimfavorit Philipp Lehmann. Ansonsten geht es den Einteilungsrichtern laut Meier vor allem um eines: «Dass alles fair abläuft und die besten zwei Schwinger des Tages am späten Nachmittag im Schlussgang stehen.»
Gabentisch
Der Gesamtwert des Gabentisches beträgt gegen 5000 Franken. Hauptpreis ist Holstein-Kalb Fredi, geboren am 16. Dezember 2021. Das gravierte Holzfass, welches als Wanderpreis rund 20 Jahre lang im Umlauf war, wurde aus dem Sortiment genommen. Der Zahn der Zeit hatte ihm zuletzt stark zugesetzt.
Rund ein Drittel der Aktivschwinger darf eine Realie mit nach Hause nehmen. Die Einheitsgabe sind in diesem Jahr Fleischkörbe von der Hof-Metzgerei Volkart aus Hochfelden. Dem besten Jungschwinger wird auf dem Brueder eine Glocke überreicht.
Sägemehl

Rund 60 Kubikmeter Sägemehl wurden in diesen Tagen mit Traktorenanhängern auf den Brueder gekarrt und auf der Wiese ausgekippt. Es reicht für vier Sägemehlringe. Gesponsert wird das Material von der Sägerei Wirth aus Bachs. Nach dem Fest wird ein Teil des Sägemehls von der Zürcher Bauunternehmung Marti für einen Event weiter verwendet. Der Rest wird für die Finnenbahn in Bülach gebraucht.
Premieren
Rund um den Bruederschwinget gibt es auch zwei nennenswerte Neuerungen, von denen die eine bei den Organisatoren grosses Bedauern auslöst. Zum ersten Mal seit vielen Jahren findet kein Steinstossen statt, weil es den Bruedersteinstössern an aktiven Mitgliedern fehlt. Die Idee, auf dem Berghof neben des Bruederschwingets auch das Steinstossen für alle auszutragen, hatte vor 25 Jahren der inzwischen verstorbene ehemalige Besitzer des Berghauses. Als Fuhrmann der Brauerei Hürlimann traf er beim Ausliefern einer Ladung Bier in einer Kneipe in der Zürcher Langstrasse auf eine Gruppe von Steinstössern, deren prahlerische Rede ihn sagen liess: «Was die können, schaffen wir auch.» Damit war 1997 der Stein auf dem Brueder angestossen.
Der schwerste Stein, der am Pfingstmontag jeweils durch die Luft flog, wog 40 Kilogramm. Dieses Jahr bleibt der Brocken am Boden.

Das erste Mal in Betrieb ist im 2022 hingegen der Shuttle-Bus, mit dem die Leute auf den Brueder transportiert werden. Jene Wiese, die bisher über Pfingsten in einen Parkplatz umfunktioniert werden konnte, steht dem Bruederschwinget nicht mehr zur Verfügung. Der Landbesitzer nutzt das Land inzwischen anderweitig. Startpunkt des Shuttlebetriebs ist der Coop in Bachenbülach.
Nebenschauplätze

Stunden bevor die Aktivschwinger zusammengreifen, gehört der Festplatz den Nationalturnern. Buben im Alter bis 15 Jahre messen sich ab 8 Uhr morgens in leichtathletischen Disziplinen sowie im Steinstossen und Steinheben. Um 09.30 Uhr beginnt der Wettkampf für die Nachwuchsschwinger und ab Mittag treten dann die Aktivschwinger ins Sonnenlicht. Anschwingen ist um 12.30, der Schlussgang circa auf 17 Uhr angesetzt.
Für die Musik sorgen der Jodelchor Bülach sowie die Alphornbläser aus der Bezirkshauptstadt. Für die Jüngsten türmt neben den Sägemehlringen eine Hüpfburg. Kulinarisch verpflegt werden die Gäste in einer bedienten Festwirtschaft im Grünen. Auf der Speisekarte steht ein Menu, das längst zur Rarität geworden ist. Es soll Leute geben, die an Pfingsten nur deshalb auf den Brueder fahren, um die hier servierten Kutteln zu geniessen.
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