Auch Coop und Migros sind dabeiLKW ohne Gestank – Schweiz setzt auf Wasserstoff
Eine privatwirtschaftliche Initiative will hierzulande den Einsatz von klimafreundlichen Lastwagen forcieren. Die Unternehmen kommen dabei nahezu ohne staatliche Unterstützung aus – ganz anders als in Deutschland.

Seit Jahren wird viel über Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft geredet. Doch passiert ist wenig. Das könnte sich nun ändern: Noch im laufenden Jahr sollen auf den Schweizer Strassen 50 Wasserstoff-LKW dazukommen und unter anderem Filialen von Coop und Migros beliefern.
Anders als herkömmliche Diesel-LKW sind sie leise und schaden der Umwelt nicht. Bislang war nur ein Wasserstoff-LKW in Betrieb. Zudem soll die Zahl der Tankstellen ausgebaut werden. Am Dienstag wurde in St. Gallen die zweite Wasserstofftankstelle in Betrieb genommen. Bis zum Jahresende sollen vier weitere dazukommen.
Hinter dem Vorstoss stehen mehrere private Unternehmen, die den Ausbau der Wasserstoffmobilität in der Schweiz vorantreiben wollen – darunter neben Coop und Migros auch Tankstellenbetreiber und Speditionsfirmen. Sie haben sich im Förderverein H2 Mobilität zusammengeschlossen. Die LKW kommen vom südkoreanischen Hersteller Hyundai und wurden speziell für den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet.
Deutschland pumpt Milliarden in Wasserstoffausbau
Dank der rein privatwirtschaftlich organisierten Initiative ist die Schweiz beim Einsatz von Wasserstoff im Verkehr deutlich weiter als andere europäische Länder. In Deutschland etwa setzt man beim Ausbau von Wasserstoff auf staatliche Gelder: Die Regierung in Berlin hatte angekündigt, die Technologie mit neun Milliarden Euro zu fördern. Die Milliarden sollen Deutschland zum «Wasserstoffland Nummer eins» werden lassen.
«Die grossen Investitionen werden von privater Seite gestemmt.»
Von derartigen Summen ist die Schweiz weit entfernt. Zwar hat auch hier der Bund im Rahmen einiger Projekte eine Anschubfinanzierung geleistet, wie Wasserstoffexperte Stefan Oberholzer vom Bundesamt für Energie erläutert. Diese belaufe sich jedoch auf einen niedrigen einstelligen Millionen-Franken-Betrag. «Die grossen Investitionen werden von privater Seite gestemmt», sagt er.
Wasserstoff-LKW rentieren sich
Die Akteure in der Schweiz sind sehr darauf bedacht, dass der Einsatz der LKW auch wirtschaftlich Sinn macht: Speditionsfirmen und Detailhändler müssen die Wagen nicht kaufen, sondern können sie mieten und bezahlen dafür eine Kilometer-Pauschale. Die LKW bleiben im Besitz eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem unter anderen Hyundai beteiligt ist.
Was die Kosten betrifft, könne der Wasserstoff-LKW mit einem herkömmlichen Dieselfahrzeug mithalten, erklärt Coop-Manager Jörg Ackermann. «Damit sind wir wettbewerbsfähig», versichert er. Das hat einen speziellen Grund: In der Schweiz sind Wasserstoff-LKW von einigen staatlichen Gebühren wie der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe – kurz LSVA – befreit. Wer sie nicht zahlen muss, spart viel Geld. «Über den Daumen gepeilt sind das 100’000 Franken pro Jahr pro Lastwagen», erläutert Wasserstoffexperte Oberholzer.
Bei PW ist Wasserstoff noch wenig etabliert. Die führenden asiatischen Hersteller wie Hyundai oder Toyota verkaufen in der Schweiz pro Jahr eine überschaubare Anzahl – wohl auch, weil das Tankstellennetz dafür bislang gefehlt hat. Bei Privatverbrauchern haben sich eher Elektroautos durchgesetzt.
Wasserstoff für die LKW kommt aus grüner Energie
Wirklich umweltfreundlich sind die neuen LKW nur, wenn auch der Wasserstoff «grün» ist und mithilfe von erneuerbarer Energie erzeugt wird (siehe Kasten). Dafür ist in der Schweiz gesorgt – zumindest vorerst: Den Wasserstoff produziert ein Gemeinschaftsunternehmen am Alpiq-Wasserkraftwerk in Niedergösgen SO. In Container abgefüllt, kommt er danach an die Tankstellen. Die Kapazität des Kraftwerks reicht aus, um die 50 LKW zu versorgen, die dieses Jahr noch in der Schweiz fahren sollen.
Doch die Pläne des Fördervereins sind ehrgeizig: Kommendes Jahr sollen weitere 150 Wasserstoff-LKW auf den Strassen dazukommen, bis 2025 sollen es 1600 sein. Um sie alle mit grünem Wasserstoff zu versorgen, müssten die Kapazitäten noch deutlich ausgebaut werden.
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