Meme im Handy, Messer im Bein
Zeki Bulgurcu ist ein Idol der Jugend – lustig und vernünftig. Wäre nicht das böse «Spreitenbach-Meme».

Das Mittelalter kannte das Diptychon, das kunstvolle Doppelbild. Auf der linken Seite sahen die Betrachter Christus, wie er auf dem Passionsweg stürzt, auf der rechten Seite, wie er am Kreuz hängt. Eine Minimalerzählung in Bildern.
Heute bastelt man «Memes». Oben Kapuzenträger, unten Wohnblock. Dazu ein Satz wie «The Bronx is one of the most dangerous areas of the USA», die Pointe gleich hinterher: «In Switzerland we call this Spreitebach». Das «Spreitenbach-Meme» stammt von @swissmeme. Kurz aufs Bild gestarrt, da rappelts schon im Zwerchfell. Freunde, schaut euch das an! Und das Lachvirus verbreitet sich.
Hinter @swissmeme steckt Zeki Bulgurcu, Sohn einer Putzfrau und eines Vorarbeiters, geboren in der Türkei und aufgewachsen im Kleinbasel. Bulgurcu gehört mittlerweile zu den erfolgreichsten Influencern im Land. Über eine Million Fans hat er auf Instagram, Facebook, Youtube.
Sie folgen ihm, um zu lachen. Und «Zeki» liefert: Mal veräppelt er Urschweizer, mal Migranten. Mal postet er aus einer Kaserne, mal aus dem Freizeitpark. In horrendem Tempo stellt er online: Videos, Memes, Fotos. Bulgurcu gibt zu, dass nicht alle Memes, die er postet, von ihm sind. Die Like-Ökonomie des Webs verlangt Nachschub, pausen- und gnadenlos.
Klingt anstregend. Aber für Bulgurcu war Social Media die Rettung vor einem, wie er es mal genannt hat, «hamsterradmässigen» Job im Detailhandel. Wie viel er heute verdient, sagt er nicht. «Jedenfalls mehr als im Detailhandel», sagt er am Telefon, lacht. Er hat auch noch einen Job beim TV-Sender 3plus, ist dort Social-Media-Manager. Er empfehle aber jedem erst eine Lehre, fügt der 28-Jährige an. Er tut das, merkwürdigerweise, trotz der eigenen Hamsterraderfahrung.
Gern mal Christoph Blocher treffen
Bulgurcus Reichweite ist riesig. Selbst wenn er über Politik redet, sind Zehntausende dabei. Er ging schon in die «Arena», interviewte Simonetta Sommaruga. Es ging um die erleichterte Einbürgerung. Das sei ein Herzensanliegen gewesen damals, Likes seien ihm egal gewesen. Christoph Blocher würde er auch gerne mal treffen. «Wir wären sicher nicht überall einig. Aber wir würden uns finden.»
Zu viel Politik will «Zeki» aber nicht betreiben. Schliesslich sei er vor allem Comedian. Politik polarisiert, vertreibt Abonnenten, ist fast so heikel wie Religion. «Ich würde nie, nie einen religiösen Post absetzen. Das gibt nur Ärger, endlose Diskussionen.»
Keine Quartier-Witze mehr
So oder so bleibt jeder Post ein Risiko. Das merkte Bulgurcu diese Woche. Sein «Spreitenbach-Meme», ohne Hintergedanken unterwegs gepostet, war ganz und gar unironisch aufgenommen worden: Teenager aus Dietikon ZH zogen los, um Spreitenbach AG den Ghetto-Meister zu zeigen. Es kam zur Massenschlägerei vor dem Shopping-Center, ein Spreitenbacher steckte einem Dietiker das Messer ins Bein.
Noch immer wird über den Auflauf geredet, noch immer ist Bulgurcu irritiert. «Ich verstehe diese Jungen nicht, hätte so was nie erwartet. Ich kann mir das nicht erklären.» Wahrscheinlich habe es mit fehlender Erziehung zu tun, spekuliert Bulgurcu. Es scheint, als habe sich da ein kleiner, unscheinbarer Riss aufgetan zwischen «Zeki», dem Jugendversteher, und der anonymen Masse, die ihn liket und sharet. Seine Lehren hat Zeki Bulgurcu jedenfalls gezogen. Er werde künftig «nur noch Kantone gegeneinander ausspielen».
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