Vision der Zürcher VerkehrsbetriebeMit Expresstrams und Tunneln wollen die VBZ das ÖV-Netz umgestalten
Zwei Tramringe sollen dereinst die wachsenden Zürcher Quartiere Altstetten und Oerlikon verbinden und die Innenstadt vom Verkehr entlasten.

Die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) träumen laut. Am Dienstagmorgen haben der neue VBZ-Direktor Marco Lüthi und Stadtrat Michael Baumer (FDP) ihre Vision des öffentlichen Verkehrs in der Stadt Zürich vorgestellt. Sie trägt den vielversprechenden Namen «Zukunftsbild 2050».
Der zentrale Punkt: Die VBZ möchten das Tramnetz umkrempeln und wünschen sich zwei neue Ringsysteme. Oder wie es Michael Baumer nennt: «Wir möchten eine Trammetro.»
Diese funktioniert so: Ein innerer Ring soll vom Milchbuck hinunter via Hardbrücke und Schmiede Wiedikon in Richtung Bahnhof Enge und zurück via Bellevue verlaufen. Der äussere Ring hingegen vom Bahnhof Enge via Bahnhof Altstetten nach Oerlikon und Stettbach.
Die beiden Ringe sollen die Schwäche des heutigen Tramsystems beseitigen. Wer mit dem Tram in Zürich unterwegs ist, merkt schnell: Alle Wege führen durch die Innenstadt. Das Tramnetz ist sternförmig angeordnet, Tangentialen fehlen weitgehend.
Die neuen Ringverbindungen würden das ändern und die Innenstadt vom Verkehr entlasten, wie VBZ-Direktor Marco Lüthi erläutert. Das sei auch notwendig, denn der Verkehr werde weiter zunehmen. Bis 2040 wird die Stadt um 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner und um 40’000 Arbeitsplätze wachsen, prognostiziert die Stadt.
Der äussere Ring würde Oerlikon und Altstetten miteinander verbinden und im Nordosten den Bahnhof Stettbach sowie im Südwesten den Bahnhof Enge einbeziehen. Dieser Ring werde bei der Planung priorisiert, sagt Stadtrat Baumer. Daten der VBZ zeigen: Zwischen Oerlikon und Altstetten sind im Vergleich weniger Menschen mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs, aber gleichzeitig wachsen diese beiden Quartiere zu neuen Stadtzentren heran.
Der innere Ring würde dann die wichtigsten ÖV-Knotenpunkte zwischen Hauptbahnhof, Altstetten und Oerlikon verbinden. So weit, so nüchtern. Bei der Umsetzung der Ringe setzt aber die Fantasie der VBZ ein.
Drei neue Tunnel in der Stadt
Zwar werben die Verkehrsbetriebe mit zwei U-Bahn-Wagen und dem Slogan «Zürich muss den ÖV nicht unter der Erde verstecken» für das Flexity, dennoch schwebt ihnen exakt das vor. Um die «Trammetro» zu realisieren, prüfen die VBZ drei neue Tunnel. Einen durch den Hönggerberg, einen im Gebiet Sihlfeld im Kreis 3 und einen Seetunnel zwischen Bahnhof Enge und Stadelhofen, wie Michael Baumer bekannt gab. «Wir haben ein Kapazitätsproblem rund um den Bürkliplatz», sagt der Stadtrat. Um dem öffentlichen Verkehr im Süden der Stadt Schub zu verleihen, brauche es visionäre Ideen.
Die Idee eines Seetunnels für die Stadt Zürich gab es schon einige Male, die gescheiterten Vorhaben waren aber primär fürs Auto gedacht. Diesmal steht der öffentliche Verkehr im Vordergrund. Baumer lässt offen, ob auch Autos den Tunnel nutzen dürften. Prüfen müsse man dies bestimmt. Er wehrt sich gegen den Verdacht, dass die Tunnel-Ideen bloss eine Utopie sind. Ins Radiomikrofon sagt er: «Es ist realistisch.» Er fügt aber auch an, dass es nun zuerst eine Kosten-Nutzen-Rechnung brauche.
Um alle Ideen für das Netz der Zukunft zu realisieren, bräuchte es in den kommenden 30 Jahren 2 bis 4 Milliarden Franken, schätzen die VBZ – und darin sind die Kosten für einen Seetunnel noch nicht enthalten.
Expresstrams und eine Ost-Tangente
Auch auf den bereits bestehenden Linien wollen die VBZ investieren. So soll etwa die Ost-Tangente optimiert werden, von Oerlikon via Milchbuck hinunter zum Bahnhof Stadelhofen. Gleichzeitig müssen die Verbindungen hoch ins Spitalquartier Balgrist-Lengg gewährleistet sein, mit passenden Anschlüssen an die S-Bahn und an die Tramringe. Das Ziel: eine bessere Verbindung der Hochschul- und Spitalquartiere und kürzere Reisezeiten. Dabei sollen auch Expresstrams eingesetzt werden, also Kompositionen, die nicht jede Haltestelle bedienen. So, wie man das auch von U-Bahn-Linien in grossen Städten wie zum Beispiel New York kennt.
Die VBZ träumen nicht nur von neuen Tunneln und Expresstrams, sondern auch von sogenannten Mobilitätshubs und von der Digitalisierung. An Orten und zu Zeiten, da weniger Menschen unterwegs sind, sollen Angebote wie der Rufbus-Service Pikmi ausgebaut werden, der aktuell getestet wird. Die Verkehrsbetriebe wollen ihren Passagieren zudem den Umstieg auf S-Bahn, Velo, E-Bike, Scooter, E-Trottinett oder Carsharing erleichtern. An zentral gelegenen Haltestellen sollen diese Verkehrsmittel bereitstehen.

Das «Zukunftsbild 2050» ist das Resultat eines Projekts mit dem Ziel, die Stadtmobilität der Zukunft aus ÖV-Perspektive neu zu denken. Im Februar 2020 führten die VBZ eine Bevölkerungsumfrage durch, bei der die Zürcherinnen und Zürcher ihre Bedürfnisse und Ideen einbringen konnten. Verschiedene Arbeitsgruppen haben die Resultate ausgewertet und zum neuen Konzept geformt.
Die Idee ist klar, die Details sind aber noch vage. Darum prüfen die VBZ in den nächsten Monaten Machbarkeit, Etappierbarkeit und Kosten der verschiedenen Elemente. Das Resultat fliesst dann in die sogenannte Netzentwicklungsstrategie 2040 ein, das zentrale Planungsinstrument für die Fahrzeugbeschaffung und die ÖV-Infrastruktur. Aus früheren Netzentwicklungsstrategien ging etwa die Tramverbindung über die Hardbrücke hervor oder auch die Verlängerung der Linie 2 nach Schlieren.
Im letzten Drittel 2022 möchten die VBZ die Strategie dem Stadtrat vorlegen.
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