Verblüffende SkispringerinNach Milzriss und Alzheimer-Verdacht springt sie weiter als alle
Ihre Karriere begann mit erst 24, sie musste notoperiert werden und wurde von den Trainern abgeschrieben: Nun eilt die Österreicherin Eva Pinkelnig von Sieg zu Sieg.

Für die einen ist sie Eva Pinkelnig. Andere nennen sie ganz einfach UFO.
So etwas wie ein unidentifiziertes Flugobjekt, das war die Österreicherin vor acht Jahren, als sie im Weltcup debütierte. 26 war sie da und aus dem Nichts gekommen. Keine anderthalb Jahre zuvor hatte sie ihren ersten Sprung getätigt, auf einer mobilen Mini-Schanze an einer Messe in Dornbirn. War das Schauhüpfen für die meisten Besucher ein Gaudi, sollte dieser Moment in der Luft Pinkelnigs Leben verändern. «Knall auf Fall und radikal», wie sie sagt.
Bald schon sprang Pinkelnig über echte Schanzen. Sie verblüffte derart, dass sich der Nationalcoach bei ihr meldete und sie zu Trainings mit den Profispringerinnen einlud. Pinkelnig kündigte ihren Job als Erzieherin, packte ein Paar der breiten und schweren Skisprungski aufs Dach ihres Opel Corsa und fuhr ins Ungewisse. Es dauerte nicht lange, da sprang sie schon über 100 Meter weit – und im Weltcup vorne mit. Die Debütsaison beendete sie als Siebte, «völlig surreal war das», sagt sie, «wegen mir mussten wohl Trainingshandbücher umgeschrieben werden».
Erinnerungslücken und Sehschwächen
34 ist Pinkelnig mittlerweile, und das einst unidentifizierbare Flugobjekt hat nun jeder auf dem Radar. Zwei Erfolge im Sommer-Grand-Prix, zwei Titel an den österreichischen Meisterschaften, Platz 3 und Sieg zum Weltcupauftakt am vorletzten Wochenende in Polen – die Vorarlbergerin ist die Skispringerin der Stunde. Was nicht nur aufgrund ihrer Geschichte als Quereinsteigerin höchst bemerkenswert ist, sondern auch wegen der gravierenden Verletzungen, die sie erlitten hat.
Im Dezember 2016 stürzte Pinkelnig zweimal fürchterlich und knallte so heftig auf den Kopf, dass sie ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Die Schwellung im Gehirn klang lange nicht ab, weshalb massive neurologische Probleme auftraten. Pinkelnig kämpfte mit Erinnerungslücken, sie litt an Konzentrations- und Sehschwächen.
Die Augen hätten verrückt gespielt, wenn sie sich in etwas höherem Tempo fortbewegte, hält sie fest und sagt, wie niederschmetternd die Diagnose des Arztes gewesen war. Anzeichen von Alzheimer habe dieser festgestellt, «mein Hirn wies Strukturen auf, die eine junge Frau nicht haben sollte». Mental ging es ihr nicht gut, sie habe einige dunkle Tage durchleben müssen, sagt sie.
Einen Liter Blut verloren
Schwierig waren auch die Reaktionen, vor allem von Exponenten im österreichischen Skiverband. Es gab Betreuer, die ihr vom Comebackversuch abrieten, «durch die Blume wurde mir zugetragen, ich hätte das Skispringen halt nicht von der Pike auf gelernt und würde es nicht mehr hinkriegen», sagt Pinkelnig. Doch vorab daraus schöpfte sie Motivation, und dank intensiver neuro-athletischer Trainings kehrte sie tatsächlich auf die Schanzen zurück.

An der WM 2019 holte sie Silber im Team- und Mixed-Springen, doch der nächste Rückschlag sollte schon im darauffolgenden Jahr folgen. Nach einem Sturz kämpfte sie gar um ihr Leben, die Milz war gerissen, sie verlor einen Liter Blut und musste notoperiert werden. «Die Ärzte meinten, Patienten mit vergleichbaren Verletzungen seien gestorben», sagt Pinkelnig. Sie jedoch sprang bereits ein paar Wochen später wieder im Weltcup mit.
Pinkelnig, die einst auch eine talentierte Skifahrerin gewesen war, aber mit ihren knapp 50 Kilo als zu leicht befunden wurde für die Abfahrtspisten, sagt, sie sei bei allen Stürzen übermüdet gewesen und habe oben am Absprungbalken die zweifelnde innere Stimme ignoriert. Ihr Tipp an junge Frauen? «Gebt nie auf, riskiert etwas, für eine Karriere ist es nie zu spät. Aber es muss ja nicht gerade im Skispringen sein. Es gibt auch weniger Gefährliches.»
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