6:0-Sieg, aber es bleibt das «hässliche Gesicht des FC Bayern»
Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp wird von Bayern-Fans übelst beleidigt. Was danach folgt, hat der Fussball selten gesehen.
Solche zwölf Minuten hat der Fussball noch nicht gesehen. Da stehen die 22 Männer in Rot und Blau am Mittelkreis, schieben sich den Ball hinterher, auch die Goalies sind da. Einige jonglieren, andere unterhalten sich. Bis zum Abpfiff. Der Schiedsrichter lässt es zu. Und Bayern-Geschäftsführer Karl-Heinz Rummenigge sagt: «Das war ein absolutes Zeichen, ein gemeinsamer Schritt.» Sein Pendant Peter Görlich von Hoffenheim spricht ein Kompliment an alle Beteiligten aus.
Das Ballgeschiebe im strömenden Regen ist ein Protest. Gegen die eigenen Fans. 73 Minuten waren beim Gastspiel der Münchner in Hoffenheim gespielt, da präsentierten die Anhänger ein Plakat mit eindeutiger und höchst primitiver Botschaft, gerichtet an Dietmar Hopp, den Geldgeber der TSG Hoffenheim. Und das nur eine Woche nachdem dieser in Gladbach ein Plakat mit einem Fadenkreuz über seinem Gesicht sehen musste. Damals waren es Sportchef Max Eberl und Captain Lars Stindl, die die Fans aufforderten, es zu entfernen.
Die Szenerie am Samstag: fast identisch. Erst waren es die Spieler, die auf ihre Fans zugingen. Trainer Hansi Flick tobte, nachdem er aus seiner Coachingzone über den ganzen Platz gesprintet war, Mittelfeldspieler Thiago Alcantara warf wütende Worte ins Publikum. Schiedsrichter Christian Dingert unterbrach das Spiel, schickte die Spieler beider Teams in die Kabine. Als das Spiel wieder angepfiffen wurde, kam das zweite Plakat, mit demselben Wortlaut.
Diesmal waren nicht nur Flick und die Spieler da. Auch Rummenigge, fünf Minuten davor hatte er auf der Tribüne noch den Arm um den verschmähten Hopp gelegt, kam auf den Platz, Oliver Kahn ebenfalls. Wieder schickte Dingert alle in die Kabine. Damit war die zweite Eskalationsstufe erreicht. Gemäss Regelwerk hätte Dingert das Spiel bei weiteren Ausfällen aus der Kurve abbrechen müsste. Dazu kam es nicht.
«Es muss ein Umdenken stattfinden»
Dafür zu diesem 12-minütigen Ballgeschiebe der 22 Spieler. Das Stadion inklusive Hopp und Rummenigge spendet Applaus, später stellen sich die zwei Mannschaften geschlossen vor die Fankurve Hoffenheims. Dass Bayern das Spiel 6:0 gewinnt, ist da bereits zur Nebensache verkommen. Es bleibt das «hässliche Gesicht des FC Bayerns» in Erinnerung, wie es Rummenigge nennt. Er schäme sich zutiefst vor Hopp, einem «ganz feinen Ehrenmann», der viel für den Fussball in dieser Region getan habe. Die Art, wie seine Spieler und die von Hoffenheim das Spiel zu Ende brachten, sei «eine Watschn für die Chaoten».
Rummenigge verspricht, dass die Aktionen der Fans auf Video festgehalten wurden und der Verein mit aller Schärfe gegen die verantwortlichen Personen vorgehe. «Wir haben zu viel gestattet», sagt er, «es muss ein Umdenken stattfinden». Da weiss er wohl noch nicht, dass auch in Dortmund Schmähgesänge gegen Hopp zu hören waren. Obwohl der BVB zu Hause gegen den SC Freiburg antrat.
Hopp wird von Fans der Traditionsvereine beleidigt, seit Hoffenheim 2008 quasi aus dem Nichts in die Bundesliga aufstieg. Der 79-Jährige pumpte Millionen in den Verein, was ihn bei den Gegnern zur Hassfigur werden liess. Die Szenen der letzten Wochen mit Beteiligung der Fans von Dortmund, Gladbach und Bayern waren ein neuer Tiefpunkt.
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