Geldberater: Der Marktschrei(b)erNovartis will Aktien-Anleger zurückgewinnen
Meyer Burger steht im Schatten +++ Allianz stellt ambitionierte Ziele vor +++ Logitech freut sich auf Weihnachten +++ Inficon überrascht mit Neuem.

Novartis: Kaufen
Die Aktien von Novartis notieren beim Jahrestief. Dafür gibt es mehrere Gründe: Misserfolge in der Entwicklung; Produktlancierungen, die nicht so gut laufen, Befürchtungen, wichtige Umsatzträger würden bald von Nachahmerprodukten bedrängt. Um Zweifel zu zerstreuen, hat die Spitze des Pharmakonzerns am Donnerstag die Entwicklungsprojekte präsentiert. Mit mässigem Erfolg. Der Aktienkurs schwächelt weiter. Einige Investoren hatten wohl grössere Ankündigungen erwartet, vor allem, was Novartis mit den 19 Milliarden Franken vorhat, die sie aus dem Verkauf von Roche-Inhaberaktien erhält. Finanzchef Harry Kirsch sagte aber, dafür wolle man sich bis zu einem Jahr Zeit lassen. Auf dem aktuellen Niveau rentieren die Titel 4,1 Prozent und sind schon deshalb interessant. Ich bin auch im Hinblick auf die Zukunft optimistisch. Novartis will bis 2026 jährlich etwa 4 Prozent wachsen, und der Gewinn soll überproportional steigen. Kaufen
Meyer Burger: Verkaufen
Anleger warten gespannt darauf, dass Meyer Burger mit den neuerdings selbst hergestellten Solarmodulen Geld verdient. Doch noch fehlen Jubelmeldungen. Im Spätsommer führten Lieferengpässe zu Produktionsverzögerungen. Jetzt fällt wegen «überdurchschnittlich hohen Krankenstands in der Corona-Pandemie» eine von zwei Produktionsstrassen aus, teilte Meyer Burger am Donnerstag mit. Betroffen ist die Modulproduktion im sächsischen Freiberg – ein Brennpunkt der Pandemie. Zudem stehen derzeit Anlagen still, um die Kapazitäten weiter hochfahren zu können. Im Expandieren ist Meyer Burger gut; bald soll ein neuer Standort in den USA dazukommen. Nebst Solarmodulen für kleinere Anlagen will Meyer Burger künftig auch das Kraftwerksegment bedienen, und auch das andere Ende des Marktspektrums will das Unternehmen mit sogenannten gebäudeintegrierten Solarmodulen abgrasen. Mir wärs wohler, Meyer Burger könnte nicht nur über Ausgaben, sondern auch über Einnahmen berichten. An der Börse ist der Sonnenstromspezialist über eine Milliarde wert. Es dürfte noch lange dauern, bis Umsatz- und Gewinn die Bewertung rechtfertigen. Verkaufen
Allianz: Halten
Der deutsche Versicherungskonzern Allianz ist einer der weltgrössten seiner Branche. Mit seiner schweizerischen Tochtergesellschaft gehört er auch hier zu den führenden Anbietern von Schaden- und Lebensversicherungen sowie Vorsorgeverträgen. Dass der langjährige Schweiz-Chef im Konzern eine neue Aufgabe übernimmt und dass für ihn einer aus den eigenen Reihen nachrückt, gefällt mir. Vorteilhaft scheint mir auch, dass auf Konzernstufe die Risiken des Versicherungsgeschäfts balanciert werden durch ein gänzlich anders gelagertes Geschäftsfeld. Gemeint ist die Vermögensverwaltung für institutionelle und private Anleger, die der Konzern weltweit im grossen Stil betreibt. Sie liefert massig Gebühreneinnahmen und diversifiziert so das Gesamtergebnis. Kurzzeitig belastete das Unternehmen dieses Jahr die Nachricht, das Asset Management von Allianz stecke in Auseinandersetzungen mit dem US-Justizdepartement wegen eines möglichen Fehlverhaltens. Das Management stellte sich auf den Standpunkt, die Vorwürfe seien unbegründet. Nun wagt es sich mit ambitionierten neuen Zielen hervor. An der Analystentagung am Freitag wurde ein Vertrag mit einem Rückversicherer bekannt gegeben, der die Bilanz entlastet. Dazu tritt Allianz die Rechte und Pflichten eines Bestands laufender Lebensversicherungspolicen ab. Volle Kraft voraus soll es dafür im Bereich der Schaden- und Haftpflichtversicherungen gehen. Der Konzernchef prognostiziert, die Allianz-Gruppe könne den Konzerngewinn in den kommenden Jahren jährlich rund 5 Prozent steigern. Gemerkt habe ich mir seinen Hinweis, im Gleichklang werde auch die Dividende erhöht. Halten
Logitech: Kaufen
Die Aktien des PC-Zubehörherstellers Logitech sind bei Investoren in Ungnade gefallen. Seit Jahresbeginn ging es für die Papiere um mehr als 16 Prozent nach unten. Noch im Kalenderjahr 2020 hatte sich der Wert der Aktie fast verdoppelt, und Logitech galt einer der Corona-Gewinner der Schweiz. Wer damals zum richtigen Zeitpunkt gekauft hat und dieses Jahr im Juni zum Höchststand verkaufte, wurde mit einer Verdreifachung des Aktienwerts belohnt. Seitdem geht es bergab – verglichen mit dem Höchststand zur Jahresmitte hat die Aktie bereits mehr als 41 Prozent an Wert verloren. Sie liegt einfach nicht mehr im Trend. Aber die Kurskorrektur halte ich nun doch für etwas übertrieben. Ich finde die Verkaufszahlen des von Logitech entwickelten Computerzubehörs – selbst verglichen mit dem Rekordjahr – mehr als solide. Im wichtigen Kerngeschäft mit Tastaturen wurde im vergangenen zweiten Geschäftsquartal sogar mehr verkauft als je zuvor. Ein von weiteren Omikron-Lockdowns befeuertes Weihnachtsgeschäft wird dem Lausanner Konzern wohl ebenfalls helfen. Kaufen
Inficon: Dosiert kaufen
Inficon ist eine faszinierende Firma, wegen der Produkte – Messtechnik, Sensortechnologie sowie Prozesskontroll- und Smart-Manufacturing-Software –, der bodenständigen Unternehmenskultur und wegen des Leistungsausweises. Die Ertragskraft ist hoch, die Cashflow-Generierung gut, die Bilanz ist schuldenfrei und eigenkapitalstark. Dazu kommen eine attraktive Dividendenpolitik und gute Wachstumsaussichten. Rund die Hälfte des Umsatzes stammt vom Zielmarkt Halbleiter und Vakuumbeschichtung. Zudem ist die Gesellschaft in der Dichtheitsprüfung von Lithium-Ionen-Batterien dick drin, was dank der Umstellung auf Elektroautomobile ebenfalls viel Potenzial hat. Weiteres Wachstum versprechen neu angeeignete Kernkompetenzen, die nun über neue Angebote in Umsatz und Ertrag umgemünzt werden. Darüber hat Inficon erst vor kurzem informiert. Weil das quasi nebenbei geschah, sind die daraus zu erwartenden Impulse meines Erachtens im Kurs noch nicht voll enthalten. Obwohl die Aktien hoch bewertet sind und diverse Risiken bestehen, stehen die Chancen gut. Dosiert kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
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