Von Kopf bis Fuss: Studie zu älteren FrauenOptimistinnen leben länger
Offenbar kann eine positive Einstellung nicht nur das Leben erleichtern, sondern dieses sogar verlängern. Silvia Aeschbach über die Ergebnisse einer aktuellen Studie.

Vor etwa zehn Jahren kam das Prinzip der positiven Psychologie, bei welcher die positiven Aspekte des menschlichen Lebens untersucht werden, nach einem jahrelangen gesellschaftlichen Siegeskurs arg unter die Räder (lesen Sie dazu auch diesen Beitrag). Zwar wurde sie zu diesem Zeitpunkt als eigene Forschungsrichtung innerhalb der Psychologie anerkannt. Aber immer mehr Menschen fühlten sich durch die Vorgabe, das Gute auch in schwierigen Lebenssituationen zu erkennen, unter Druck gesetzt. Wenn es ihnen trotz Willensanstrengung nicht gelang, eine Depression oder eine schwere Erkrankung in einem positiven Licht zu sehen, konnte dies zu zusätzlichen Versagensängsten führen.
Das ging so weit, dass die positive Psychologie sogar als «Toxic Positivity» bezeichnet wurde. Dann nämlich, wenn schwierige Gedanken und Erfahrungen, so ihre Kritiker, zwanghaft geleugnet und unterdrückt würden. Die US-Autorin Barbara Ehrenreich beschrieb in ihrem Bestseller «Smile or Die», warum «positives Denken nur der Milliardenindustrie nützt, aber nicht uns». Sie sei eine Ideologie, die uns auffordere, die Realität zu leugnen und uns fröhlich in unser Unglück zu fügen beziehungsweise selbst für unser Schicksal verantwortlich zu machen.
Inzwischen haben sich die Fronten zwischen Kritikern und Befürwortern der positiven Psychologie aufgeweicht. Es gibt, wie in allen Lebensbereichen, nicht nur Schwarz oder Weiss. Die Fähigkeit, auch in Schwerem Gutes zu erkennen, ist in jedem Menschen gleichermassen verankert. Da helfen auch die motivierendsten Pseudoratgeber nichts.
Grossartiger Grund gegen Griesgrämigkeit
Der ureigene – und nicht der angezüchtete – Optimismus kann aber das Leben nicht nur vereinfachen, sondern es auch verlängern. Dies zeigt eine grosse Studie aus den USA mit fast 160'000 Probandinnen. Die im wissenschaftlichen Fachmagazin «Journal of the American Geriatrics Society» publizierte Untersuchung kommt zum Schluss, dass Optimistinnen tatsächlich älter werden als griesgrämige Personen. Eine positive Lebenseinstellung führte bei den 25 Prozent der Teilnehmerinnen, die am optimistischsten waren, zu einer um 5,4 Prozent höheren Lebenserwartung. Beim Durchschnittsalter von 81,2 Jahren in den USA bedeutet das immerhin, das man mit guter Laune rund viereinhalb Jahre älter werden kann. Die Chance der positiv gestimmten Frauen, über 90 Jahre alt zu werden, lag um 10 Prozent höher als bei den 25 Prozent, die am wenigsten optimistisch waren.
«Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sinnvoll ist, sich auf positive Faktoren wie Optimismus zu konzentrieren, um gesundes Altern zu fördern.»
Die höhere Lebenserwartung wurde unabhängig davon erreicht, ob die Frauen einen gesunden Lebenswandel pflegten. Gesunde Ernährung, genügend Bewegung, nicht rauchen und wenig Alkohol trinken habe nur begrenzt mit der positiven Lebenseinstellung zu tun, stellten die Forschenden fest. Konkret trage der gesunde Lifestyle zu 24 Prozent zum Zusammenhang zwischen Optimismus und Lebenserwartung bei.
Positive Betrachtung der Prophylaxe
Die Daten von 159’255 Frauen wurden im Rahmen der Women’s Health Initiative (WHI) erfasst. Die Lebenserwartung wurde für diese Studie anschliessend über einen Zeitraum von bis zu 26 Jahren beobachtet. Die WHI widmet sich seit 1991 der medizinischen Forschung zu gesundheitlichen Problemen von älteren Frauen.
Während sich ähnliche Studien früher auf weisse Frauen beschränkten, wurden hier auch verschiedene weitere rassische und ethnischen Gruppen einbezogen. Dass grösserer Optimismus mit einer längeren Lebenserwartung verbunden ist, habe sich «sowohl insgesamt als auch in allen rassischen und ethnischen Gruppen» bestätigt, schreiben die Forschenden von der Harvard T. H. Chan School of Public Health in ihren Schlussfolgerungen.
«Viele frühere Arbeiten haben sich auf Defizite oder Risikofaktoren konzentriert, die das Risiko von Krankheiten und vorzeitigem Tod erhöhen», erklärte Hayami K. Koga, die Hauptautorin der Studie, in «Science Daily». «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sinnvoll ist, sich auf positive psychologische Faktoren wie Optimismus zu konzentrieren, um Langlebigkeit und gesundes Altern in verschiedenen Gruppen zu fördern.»
Gehören Sie zu den Optimistinnen, liebe Leserinnen? Oder misstrauen Sie diesen Studienergebnissen? Diskutieren Sie mit.
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