Spezielle Fahrzeuge fürs SkigebietPostauto kauft deutsche Busse – und düpiert Schweizer Hersteller
Die Solothurner Firma Hess verliert einen Teilauftrag für Elektrobusse an VW-Tochter MAN. Postauto und Hess haben unterschiedliche Erklärungen dafür.

Für das Skigebiet Flims im Kanton Graubünden hat Postauto dem Solothurner Hersteller Hess den Zuschlag für bis zu zehn spezielle Elektrobusse für Schneesportler erteilt. Es handle sich um eine neue Midi-Variante mit drei Türen, die in dieser Form noch nicht gebaut worden sei, sagt Postauto-Sprecher Urs Bloch der «Aargauer Zeitung» (Artikel hinter der Bezahlschranke). Die Bestellung im Juni 2022 hatte demnach einen Wert von 3,4 Millionen Franken. Nun berichtet die Zeitung aber, dass Postauto der Solothurner Firma den Auftrag wieder entzogen haben soll. Stattdessen sollen die Elektrobusse von der deutschen VW-Tochter MAN geliefert werden, für 1,8 Millionen Franken, heisst es weiter.
Postauto-Sprecherin Valérie Gerl präzisiert auf Anfrage, dass drei der Sportbusse im Dezember 2023 benötigt werden und dass Hess diese Frist aufgrund von Lieferverzögerungen nicht garantieren konnte. Man stehe aber in der Pflicht beim Auftraggeber und habe deshalb einen anderen Lieferanten gesucht, der die drei Sportbusse bis Dezember 2023 liefern könne. Deshalb habe Postauto nun MAN diesen Zuschlag erteilt.

Zuschlag bedeute aber nicht, dass der Auftrag definitiv erteilt werde, erläutert Gerl. Im konkreten Fall bedeute das, dass Postauto derzeit mit MAN in Verhandlungen für diese drei Sportbusse stehe und auch mit der Firma Hess weiter Gespräche führe. Nach Möglichkeit sollen die weiteren Busse dieser Grösse und Ausstattung wie zuerst geplant bei Hess bestellt werden.
Gerl weist darauf hin, dass die «Lieferfrist von 11 Monaten nach der Bestellung» eine «wichtige Vorgabe» bei der Vergabe des Rahmenvertrags an Hess waren. Man verstehe aber auch, dass diese Frist aufgrund der globalen Lieferschwierigkeiten nun von Hess nicht eingehalten werden könne.
Produktion bei Hess schon ausgebucht
Alex Naef, der CEO der Solothurner Firma Hess, sieht die Sachlage im vorliegenden Fall etwas anders, wie er auf Anfrage sagt. Postauto habe Hess den Zuschlag für eine variable Menge von null bis zehn Bussen gegeben, in der Basisvariante mit zwei Türen, mit Option für dreitürige Busse. Doch ein Zuschlag sei keine Bestellung, erklärt auch Naef, es sei für Hess nicht garantiert, dass eine Abrufbestellung wirklich komme.

Postauto habe dann drei Fahrzeuge bis November 2023 bestellt, damit diese für den Fahrplanwechsel im Dezember bereit seien, sagt Naef. Für die restlichen sieben Elektrobusse sei die Abrufbestellung bisher nicht erfolgt. Und zum Zeitpunkt, als Postauto die Lieferfrist bis Ende 2023 bekannt gegeben habe, sei die Produktion bei Hess bereits für das gesamte Jahr bereits ausverkauft gewesen, erklärt der CEO.
Die Nachfrage nach seinen Bussen sei hoch und die fest gebuchten Aufträge könnten auch fristgerecht geliefert werden, sagt Naef. Aber Bestellungen auf Abruf müssten immer «situativ beurteilt» werden. Sprich, die definitive Bestellung vonseiten Postauto kam zu kurzfristig.
Lieferketten weiterhin grosses Problem
Naef erklärt, dass die Lieferfristen für Komponenten weiterhin wesentlich länger sind als in früheren Zeiten. Das sei ein fortwährendes, weltweites Phänomen der geopolitischen Lage, sprich Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine. Er habe persönlich im Mai 2021 ein Elektroauto bestellt und warte immer noch auf die Auslieferung, die nun frühestens Ende Mai 2023 erfolgen soll.
Es mangelt den Fahrzeugherstellern an elektronischen Bauteilen, zudem gebe es internationale Transporteinschränkungen, sagt beispielsweise Amag dazu. Die Lieferzeiten könnten länger ausfallen, bestätigen auch andere Hersteller, waren es früher höchstens mal zwei bis drei Monate, seien es derzeit immer noch eher drei bis sechs oder noch mehr Monate, die Kunden auf spezifische Autos warten müssten.
Auch für andere ÖV-Fahrzeuge gibt es gröbere Verzögerungen. In Zürich haben die neuen Flexity-Trams des französischen Herstellers Alstom Verspätung, als Grund nannten die VBZ die «Materialverfügbarkeit am Weltmarkt». Auch die neuen Niederflurtrams für Bern verzögern sich aufgrund von Kriegs- und Pandemiefolgen.
Längere Vorlaufzeiten nötig
Solche Verzögerungen will Hess-CEO Alex Naef nicht verursachen. Ihm sei Pünktlichkeit wichtig, und er lege Wert darauf, dass versprochene Termine auch wirklich eingehalten werden können, sagt er. Er habe auch Postauto auf die derzeit wesentlich längeren Vorlaufzeiten für Bestellungen hingewiesen. «Andere Hersteller versprechen die Termine, können sie dann aber nicht einhalten», sagt Naef mit Verweis auf die diversen Verzögerungen von Fahrzeugen. Für ein Transportunternehmen sei das ein grosses Risiko.
Für Naef ist die wichtigste Botschaft aus der Geschichte mit Postauto, dass Unternehmen und auch die öffentliche Hand mit wesentlich längeren Planungshorizonten arbeiten müssten als in der Vergangenheit.
Update vom 26.1.2023, 13:00 Uhr: Der um 11:47 Uhr veröffentlichte Artikel wurde um 13:00 Uhr mit den Aussagen und Erklärungen von Postauto-Sprecherin Valérie Gerl ergänzt.
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