Abtreibungsrecht in San MarinoRevolution in der «mittelalterlichen Blase»
Die Sammarinesi stimmten für eine Aufhebung des strengen Abtreibungsverbots – es basierte auf einem Passus im Strafgesetz aus dem Jahr 1865.

Das kleine San Marino, die älteste Republik der Welt, hebt das Abtreibungsverbot auf. In einer historischen Volksabstimmung haben sich am Sonntag 77,3 Prozent der Teilnehmenden für die Streichung der Artikel 153 und 154 im Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1865 ausgesprochen. Im Stadtstaat stand bisher der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe: drei bis sechs Jahre Haft.
Keinen Grund liess man als Ausnahme gelten, auch nicht die Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung. Und so reisten die Sammarinesi in den vergangenen Jahrzehnten, seit Abtreibung in Italien zugelassen ist, dafür nach Italien – vor allem ins Spital im nahen Rimini, nur zwanzig Kilometer entfernt. 2500 Euro kostet der Eingriff.
Frauenrechte geopfert
San Marino mit seinen rund 35’000 Einwohnern gilt gemeinhin als «mittelalterliche Blase», als antimoderner Staat. Auf dem Monte Titano, dem Berg hoch über der Adria zwischen den italienischen Regionen Emilia Romagna und Marken, sah man im Bewahren alter Traditionen immer die grösste Chance, möglichst unabhängig zu bleiben. Man ist stolz darauf, eine lange Geschichte zu haben: Gegründet wurde die Republik 301 nach Christus.
Doch das Beharren hatte zur Folge, dass San Marino in manchen Belangen rückständig blieb. Die Rechte der Frauen litten darunter ganz besonders. Eine Weile lang war es zum Beispiel so, dass Bürgerinnen aus San Marino, die einen Ausländer heirateten, automatisch die Staatsbürgerschaft verloren. Der Europarat musste einschreiten.

Doch keine Angelegenheit spaltete die Bewohner mehr als die Abtreibung. Frühere Versuche von Frauenrechtlerinnen, die Gesetzgebung zu ändern, waren an konservativen Parteien und der lokalen katholischen Kirche gescheitert. So war auch die Kampagne vor der Abstimmung mit dramatischen Mitteln geführt worden, vor allem von den Gegnern einer Liberalisierung.
«Mit zwölf Wochen bin ich schon ein Kind. Rette mich, stimme Nein.»
Sie pflasterten die Strassen voll mit Plakaten, auf denen man blutende Föten sah – dazu der Slogan: «Mit zwölf Wochen bin ich schon ein Kind. Rette mich, stimme Nein.» Die Poster der Befürworter, angeführt von der Vereinigung Unione Donne Sammarinesi, wurden von den Mauern gerissen oder mit Kommentaren übermalt: «Terroristinnen» und «Mörderinnen». Die Spaltung führte quer durch die Regierungskoalition. Die Christdemokraten, San Marinos grösste Kraft, war dagegen; die alliierte Bürgerbewegung Rete dafür.
Am letzten Sonntag, dem Tag der Abstimmung, läuteten die Kirchenglocken während des ganzen Morgens, um die Gläubigen noch ein letztes Mal zu ermahnen. Erwartet wurde deshalb ein knappes Resultat. Dass es am Ende so deutlich ausfiel, erklärt man sich in San Marino damit, dass viele Junge und Sammarinesi, die im Ausland leben und arbeiten, am Referendum teilgenommen haben.
Damit ist nun Malta das letzte Land in Europa, in dem Schwangerschaftsabbrüche komplett verboten sind. Auf der Insel ganz im Süden der EU dürfen Frauen unter gar keinen Umständen abtreiben. Auch dort drohen ihnen Gefängnisstrafen, wenn sie es dennoch tun.
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